Ikarus Edgar Oehler und die Arbonia Forster
Der Schritt erfolgte offensichtlich überstürzt. Paul Witschi trete «aus persönlichen Gründen» aus dem Verwaltungsrat der AFG Arbonia-Forster-Holding AG zurück, teilte die Firma letzte Woche mit. Eine Formulierung, die häufig gewählt wird, um unangenehme Nachfragen abzublocken. Auf der Homepage des Unternehmens war Witschi noch am gleichen Tag gelöscht. Der Verwaltungsrat habe vom Rücktritt «mit grossem Bedauern Kenntnis genommen» und halte «zugleich unverändert und klar wie der scheidende Präsident an der eingeschlagenen strategischen Neuausrichtung fest». Warum betont man das? Gab es im Verwaltungsrat doch Zoff?
Bereits einmal am Boden
Witschi, ein ehemaliger Geberit-Manager und bei Arbonia Forster seit 2006 im Verwaltungsrat, löste erst 2011 den entmachteten Edgar Oehler im Präsidium ab. Dieser ist aber weiterhin grösster Einzelaktionär. Es war dies der zweite Absturz des Himmelsstürmers Oehler, der von sich sagt: «Enttäuschung ist für mich gleich Ansporn.»
1985 wurde Oehler, zuvor Chefredaktor der Tageszeitung «Die Ostschweiz», Generaldirektor der Arbonia Forster. 1990 komplimentierte ihn der damalige Alleinherrscher Jakob Züllig, der sich mit seiner Nachfolge äusserst schwer tat, aber wieder hinaus. 1995 endete auch die politische Karriere von Oehler abrupt: Die CVP St. Gallen verabschiedete ihn, nach 24 Jahren Parlamentstätigkeit und gegen seinen Willen, aus dem Nationalrat. Der Versuch, ein Jahr später das kantonale Parteipräsidium zu übernehmen, scheiterte.
Doch Oehler gab nicht klein bei, Züllig hatte ihn reich gemacht: Die von Züllig billig erworbenen AFG-Aktien trat er zum dreissigfachen Wert wieder an Züllig ab. 1998 kaufte er von der Witwe seines verstorbenen Freundes Theo Keel die Hartchrom AG, ein Unternehmen der Oberflächentechnik in Steinach. Und 2003 war er bei der Arbonia Forster zurück: Jetzt als Besitzer, CEO und Präsident des Verwaltungsrats, dank den Erben von Züllig, die ihm das Unternehmen verkauften. Als erstes setzte Oehler das bisherige Management vor die Türe, später verklagte er die gesamte frühere Führungsmannschaft.
Im Kaufrausch
Kaum am Ruder, setzte der Kaufrausch ein. 2004 schnappte sich Oehler aus den Trümmern der zusammengekrachten Winterthurer Erb-Gruppe Piatti (Küchen) und EgoKiefer (Fenster, Türen). 2005 wurde die Division Küchen durch die im oberen Preissegment angesiedelten Miele-Küchen im deutschen Warendorf ergänzt. 2006 kam die Schmidlin Asco Swiss (Heiz-technik) in Zwingen hinzu, die man nach Arbon verlegte.
2007 brachte Oehler für 62 Millionen Franken seine STI/Hartchrom-Gruppe in die AFG ein. Ferner kaufte er die RWD Schlatter (Türen) in Roggwil und die britische Aqualux (Duschkabinen). 2008 schliesslich übernahm die AFG die slowakische Slovaktual (Fenster, Türen). Im gleichen Jahr wurde in Arbon ein neues Corporate Center eröffnet. Oehler hat die Diversifizierung immer als überlebenswichtig bezeichnet und gehört offensichtlich zu den Leuten, die bereits das Aufkaufen dessen, was andere aufgebaut haben, als unternehmerische Leistung betrachten.
Für Schlechtwetter ungeeignet
Alles ging gut, solange die Wirtschaft prosperierte. Doch mit der Finanzkrise kam der – überwiegend fremdfinanzierte – Gemischtwarenladen Arbonia Forster ins Schleudern. Alleinherrscher Oehler wurde auf Druck der Banken schrittweise entmachtet, sitzt aber immer noch im Verwaltungsrat. Eine neue Crew um den erfahrenen CEO Daniel Frutig machte sich ans Aufräumen.
Noch unter Oehler waren die von Züllig nach der Wende im ostdeutschen Riesa geschaffenen Arbeitsplätze wieder verloren gegangen, zugunsten der Radiatorenfabrik in Tschechien. Die bei der Übernahme als Perle gelobte Miele, die nichts als Probleme bereitet hatte, ging 2012 an die CoBe Capital des US-amerikanischen Unternehmers Neal Cohen, mit einem Buchverlust von 12 MillionenEuro für die AFG. Warum sich Miele seinerzeit vom Küchenbereich trennte, scheint sich Oehler nicht gefragt zu haben. Ein vollkommenes Desaster war der Kauf der britischen Aqualux. Sie wurde Mitte 2012, nach massiven Wertberichtigungen und mit einem umrechnungsbedingten Währungsverlust von 10 Millionen, an die niederländische Fetim-Gruppe abgestossen.
Hauptsitz an Credit Suisse verkauft
Für den Grossteil der Beschäftigten in der Schweiz erhöhte die AFG letztes Jahr die Arbeitszeit von 42 auf 44 Stunden, bei gleichem Lohn. Ebenfalls 2012 wurde der erst vier Jahre alte Hauptsitz in Arbon an einen Immobilienfonds der Credit Suisse verkauft und das ganze Gebäude zurückgemietet, was die Rechnung netto mit Wertberichtigungen von 12 Millionen Franken belastete. Im Februar 2013 veräusserte man die Kühlschrankproduktion an die V-Zug. Trennen will sich die AFG auch von der Oberflächentechnik, die Oehler – viel zu teuer, wie es heisst – in die Gruppe einbrachte. Oehler hat sein Kaufinteresse bekundet…
Ein einschneidender Konzernumbau also, mit welchem die Fokussierung der AFG auf Fenster, Türen, Profilsysteme, Heizkörper, Sanitäreinrichtungen und Küchen erreicht werden soll. Ende 2012 arbeiteten noch 5’700 Beschäftigte bei der AFG, bei einem Umsatz von 1,3 Milliarden Franken. Neu hinzu kam 2013 die polnische Dobroplast, die PVC-Fenster herstellt. Mit dieser Akquisi-tion wurde die AFG zur Nummer 3 im europäischen Fenster- und Türenmarkt.
Bergbahnen, Fussball und Schiffe
Auch auf Nebenschauplätzen gibts meist Theater, wenn Zampano Oehler auftritt. Als es 2007 um die Rettung der Pizolbahnen ging, sagte Oehler eine Million Franken zu. Das Geld traf jedoch nie ein, und für Oehler sprang der Tübacher Unternehmer Roman Lenherr (Leomat Verpflegungsautomaten) ein. Danach versprach Oehler den Bahnen einen Beitrag von 500‘000 Franken an den Ausbau der Beschneiungsanlage. Doch auch dieses Geld überwies Oehler nicht. Er habe die 500‘000 Franken für die Rettung des FC St. Gallen eingesetzt, erklärte er später. Beim Entscheid habe halt auch sein Herz eine Rolle gespielt. Im Juni 2012 zeichnete Oehler dann endlich für 200‘000 Franken Aktien des Unternehmens und polterte: «Damit nachher Ruhe ist»
Beim FC St. Gallen sorgte Aktionär Oehler ebenfalls mehr für Turbulenzen denn für Ruhe. «Wenn er den Verwaltungsrat als Trachtengruppe bezeichnet und Weiler [Sportchef] empfiehlt, in Zukunft die Papierkörbe zu leeren, beweist er nur, dass ihm der Anstand fehlt», kommentierte der «Tages-Anzeiger». Was sichtbar bleibt, ist das Naming right: Bis 2018 wird das St. Galler Stadion AFG Arena heissen.
Schliesslich engagierte sich Schönwetterkapitän Oehler auch in der Schifffahrt. Er ist Mitglied einer Investorengruppe, die 2007 den SBB ihre Bodenseeflotte abkaufte. Die Folgen des Besitzerwechsels für die Beschäftigten waren derart gravierend, dass sie mit einer Demonstration die Intervention der Thurgauer Regierung verlangten. Stehaufmännchen Oehler ist immer für eine Überraschung gut: Nach dem plötzlichen Abgang von Witschi ist der Posten des VR-Präsidenten bei der AFG ja wieder frei…
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine