RingierSpringer

Wenn die ganz Grossen miteinander ins Bett gehen: Ringier und Springer rücken noch näher zusammen © srf

Gewinner im Markt sind immer die Grössten

Christian Müller /  Die Weko hat gesprochen: SRG, Swisscom und Ringier dürfen im Werbemarkt kooperieren. Noch legt sich das Bakom quer – zum Glück.

Es ist der sogenannte freie Markt, der dafür sorgt, dass es so läuft: im Konkurrenzkampf ist der Grössere immer im Vorteil. Der Grössere kann die Waren günstiger einkaufen (Mengenrabatt!), er hat weniger Transportkosten (grössere Quantitäten in grösseren Transportmitteln), und er hat auch geringere Werbekosten (günstigere Preise bei grösseren Werbeaufträgen). Man kann dieses System gut finden oder auch nicht. Zurzeit steht es nicht wirklich zur Diskussion.

Problematisch allerdings wird das System spätestens dann, wenn auch noch eine enge Zusammenarbeit zwischen Quasi-Monopolisten und Staatsbetrieben zustande kommt, und geradezu pervers wird es, wenn in einer Zusammenarbeit auch noch ein Betrieb involviert ist, dessen Dasein nur einen Grund hat, einen politischen, einen für unsere Demokratie unendlich wichtigen: die Aufrechterhaltung der freien Information und der Meinungsvielfalt – als Service public, als Dienstleistung für alle, unabhängig vom sogenannten freien Markt.

Es geht um die SRG!

Die SRG ist eine öffentlich-rechtliche Medien-Anstalt für Radio und Fernsehen. Sie hat die freie Information und eine möglichst uneingeschränkte Meinungsvielfalt in der Schweiz sicherzustellen, und dies ausdrücklich sowohl in der relativ grossen Deutschschweiz als auch in der kleineren französischsprachigen Schweiz als auch in der doch recht kleinen italienischsprachigen Schweiz. Service public eben. Für alle.

Die Finanzierung der SRG war im Frühling 2015 das politische Thema in der Schweiz. Grund für die damals sehr heftigen Diskussionen war das neue Bundesgesetz über Radio und Fernsehen RTVG, gemäss dem zur Finanzierung der SRG – neu – alle Haushaltungen zur Kasse kommen sollten, nicht nur jene, die Fernsehen und/oder Radio konsumieren. Der Widerstand gegen dieses neue System war gross, das Abstimmungsresultat war denn auch das knappste aller Zeiten. Nur gerade 50,08 Prozent der Abstimmenden stimmten dem neuen System zu. Die Differenz zwischen Ja- und Nein-Stimmen war kleiner als 4000! Die Anhänger einer SRG, die dem Service public verpflichtet ist, durften, trotz Zufallsmehr, aufatmen. Der Versuch rechtsbürgerlicher Kreise, die SRG zugunsten der privaten Medien generell zu demontieren, war gescheitert.

Unfaires Versteckspiel

Nur gerade zwei Monate nach der Abstimmung vom 14. Juni, am 17. August 2015, wurde aber bekannt, dass die SRG mit der Swisscom und mit dem Medienkonzern Ringier eine sehr enge Zusammenarbeit eingefädelt hatte. Die SRG mit den höchsten Fernseh-Zuschauer- und Radio-Zuhörer-Zahlen in der Schweiz, die Swisscom, die mehrheitlich dem Staat gehört und in der mobilen Telekommunikation in der Schweiz noch immer mit grossem Abstand Marktführer ist, und der Medienkonzern Ringier, über Jahrzehnte hinweg nach der SRG das grösste Medienunternehmen der Schweiz (Blick, SonntagsBlick, Blick am Abend, Schweizer Illustrierte und viele andere Zeitschriftentitel), Ringier, das Medienunternehmen, das ausserdem bereits heute sehr eng mit dem deutschen Medien-Konzern Axel Springer verbandelt ist und in absehbarer Zeit von diesem vollständig übernommen werden dürfte, diese drei Mediengiganten hatten in aller Heimlichkeit beschlossen, in der Werbevermarktung zusammenzuarbeiten und künftig ihre Werbeplattformen gemeinsam zu vermarkten.

Einen solchen Deal zwischen drei Giganten schafft man nicht in wenigen Wochen. Es ist klar, dass der Plan schon vor der Abstimmung aufgegleist war, nur an die Öffentlichkeit durfte man damit noch nicht gehen, da das Zusammengehen der Grössten im Markt die Anzahl Nein-Stimmen mit Sicherheit nochmals erhöht hätte. Das Versteckspiel war unfair, um nicht zu sagen hinterhältig, zumal bei zwei der drei Player die Öffentlichkeit ein klares Anrecht auf rechtzeitige Information gehabt hätte. Wäre das Zusammengehen der drei Giganten schon vor der Abstimmung zum RTVG bekannt geworden, etliche Befürworter des neuen RTVG hätten statt der Ja-Parole die Nein-Parole propagiert. Es darf ohne Bedenken behauptet werden: Das äusserst knappe Ja wäre nicht zustande gekommen, das neue RTVG wäre bachabgeschickt worden.

Die Weko gibt den Segen

Noch gab es immerhin die Hoffnung, dass der Deal der Giganten von der schweizerischen Kommission zur Verhinderung von Kartellen, von der Wettbewerbskommission Weko, verboten würde. Doch vor ein paar Tagen, am 16. Dezember 2015, hat die Weko den Deal zwischen SRG, Swisscom und Ringier bereits definitiv durchgewunken. Keine grosse Überrraschung! Die Weko versteht sich nicht als Hüterin der Demokratie und der Meinungsvielfalt, sie hat den Auftrag, die freie Marktwirtschaft und also den Wettbewerb zu erhalten, und dieser, so meint sie, sei durch die Elefanten-Partnerschaft SRG-Swisscom-Ringier im Werbemarkt nicht gefährdet.

Zum Glück allerdings gibt es auch noch das Bakom, das Bundesamt für Kommunikation. Dieses hat wenige Stunden nach dem Weko-Entscheid mit Hilfe einer superprovisorischen Verfügung die Inkraftsetzung des Deals vorläufig untersagt.

Was ist an dem Deal stossend?

Dreierlei:

Erstens: Die freie Marktwirtschaft mag dort funktionieren, wo es 20 oder 100 oder 1000 Mitbewerber gibt. Wo es aber nur noch eine Handvoll Marktteilnehmer gibt – in der Schweizer Telekommunikation sind es zum Beispiel gerade noch deren drei – sind exklusive Zusammenarbeitsmodelle in jedem Fall marktverzerrend und gefährlich!

Zweitens: Der Deal hat den Zweck, allen drei Unternehmen Vorteile zu bringen. Warum aber soll ausgerechnet der private Medienkonzern Ringier von der starken Stellung der öffentlich-rechtlichen Medienanstalt SRG und von der sich mehrheitlich in Staatsbesitz befindenden Swisscom, dem Marktführer in der Telekommunikation, profitieren?

Drittens: Die SRG basiert auf der Idee des Service public, der Dienstleistung für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, insbesondere auch für Minderheiten. Nach Annahme des neuen RTVG wird sie denn auch zu rund 75 Prozent und richtigerweise von allen Haushalten finanziert. Im Werbebereich aber – aus Werbung und Sponsoring stammen rund 25 Prozent der SRG-Einnahmen – darf sie ausgerechnet mit einem privaten Marktgiganten zusammenspannen, zum eigenen, aber natürlich ebenso zum Vorteil dieses einen privatwirtschaftlichen Grossunternehmens?

Ringiers Doppelspiel

Der Deal SRG-Swisscom-Ringier wird von verschiedenen Seiten kritisiert, nicht zuletzt und zu Recht von den privatwirtschaftlichen Medienunternehmen Tamedia, NZZ und AZ Medien. Vor allem die Bevorteilung von Ringier kommt bei diesen Medienhäusern gar nicht gut an. Was aber meint dazu Frank A. Meyer, langjähriger Ringier-Politvordenker und bewährter Spieler beim Figuren-Schieben auf dem Schachbrett der Ringier-Redaktionen? Im SonntagsBlick lobt er den Deal als tapfere Tat gegen die US-Mediengiganten. Wörtlich: «Die beiden Firmen (SRG und Swisscom) stellen sich den globalen Wettbewerbern; sie setzen Google, Facebook und Youtube eine schweizerische Allianz entgegen; sie machen Schweizer Medien digital konkurrenzfähig; sie kämpfen offensiv für die schweizerischen Interessen auf dem internationalen Werbemarkt. Sie verfolgen eine Strategie! Dafür, so könnte man meinen, wären sie zu loben. Doch weit gefehlt: Sie werden beschimpft.»

Nur: Vor wenigen Tagen hat Ringier offiziell ein Zusammengehen im Schweizer Zeitschriftenmarkt mit Axel Springer bekanntgegeben, nach den Joint Ventures in Osteuropa eine weitere 50:50-Ringier-Springer-Partnerschaft. Der deutsche Mediengigant Axel Springer seinerseits aber hat schon Ende 2013 bekanntgegeben, dass er eine Zusammenarbeit mit Google eingegangen ist! Im Deal mit SRG und Swisscom behauptet Ringier, eine schweizerische Allianz gegen die Global-Players im Medienbereich schaffen zu helfen, im Joint Venture mit dem deutschen Mediengiganten Axel Springer verbündet sich Ringier aber ausgerechnet mit einem Google-Partner.

Wie genau, lieber Frank A. Meyer, ist also der Deal SRG-Swisscom-Ringier eine «Strategie» gegen die US-Mediengiganten Google, Facebook & Co?

Man mache sich keine Illusionen. Wer die Medienlandschaft weltweit beobachtet, sieht vor allem eines: Die Grossen werden immer grösser und verdrängen die Kleinen vom Markt. So einfach ist das. Zum Nachteil der Medienvielfalt. Zum Nachteil der Meinungsvielfalt.

Was unbedingt verhindert werden muss

Die SRG gibt ihren Werbekunden umsatzabhängig Mengenrabatte bis zu 20 Prozent. Ringier gibt, zum Beispiel beim Blick, den Werbekunden Mengenrabatte bis zu 22 Prozent. Wo drei Mediengiganten die Vermarktung ihrer Werbung aber zusammenlegen, hilft das, die Kosten der Vermarktung zu reduzieren und die Mengenrabatte zu kumulieren und zu erhöhen. Einmal mehr nach dem Prinzip: die Grossen werden bevorteilt und – die logische Folge davon – die Kleineren benachteiligt.

Die Privatwirtschaft mag sich ob diesem Prinzip freuen. Die SRG, deren raison d’être, deren Daseinsberechtigung allein der Service public ist, die Informations- und Unterhaltungsdienstleistung für alle Bürgerinnen und Bürger, diese SRG ist für alle da und dürfte in ihren Werbetarifen eigentlich schon heute keine Mengenrabatte gewähren, zum Vorteil der Grossen. Ich als kleiner Bürger will keine Gebühren zahlen für eine Institution, die per definitionem die Wirtschaftsgiganten fördert und die Kleinen benachteiligt.

Der Zusammenarbeitsdeal der drei Giganten SRG, Swisscom und Ringier muss verhindert werden. Und der Werbetarif der SRG muss der Idee des Service public angepasst und also revidiert werden. Warum nicht der SRG die Werbung überhaupt verbieten? Einige andere Staaten handhaben das beim Staatsradio und beim Staatsfernsehen so.

Gesucht wird ein Politiker, der einen entsprechenden Vorstoss macht, um die Werbung der SRG ebenfalls nach den Prinzipien des Service public umzugestalten – ohne Vorteil für die eh schon Grossen. Und um die Zusammenarbeit der drei Giganten, wenn nicht ganz zu verbieten, dann wenigstens sinnlos zu machen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor war als Chefredaktor und Verlagsmanager 15 Jahre im Medienkonzern Ringier tätig, zuletzt als CEO von Ringier Prag (bis 1997).

Zum Infosperber-Dossier:

SRG_Dossier

Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

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3 Meinungen

  • am 26.12.2015 um 12:16 Uhr
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    Die Auflage, die ich als Konsument unbedingt gesehen hätte, wäre das die neue Firma sich das Opt-In von allen Kunden der SRG/Swisscom/Ringier hätte zwingend einholen müsste. Muss ich als Konsument nun damit rechnen, dass meine Ringier-Abo-Daten und Swisscom-Daten zusammengeführt werden? Auch wenn diese nur aggregiert benutzt werden müssen diese ja vorher zusammengeführt werden! Wer wird dann rechtlich nach Art 8 DSG die anzusprechende Firma für die Löschung, die Korrektur und den Widerruf des Opt-Ins sein? Werden diese Daten einfach zusammengeführt und genutzt und der Konsument von Pontius zu Pilatus geschickt um das Opt-out möglichst zu erschweren?

    Ich setze auf den EDÖB und auf die Konsumenten-Organisationen. Und hoffe (vermutlich vergebens), dass das Uvek dem Bakom keine Steine in den Weg legt um die SRG auf ihre ursprünglichen Aufgaben zu beschränken! Was passiert mit dieser Konstellation wenn es die SRG via Aufgabenumschreibung zum Service Public und der gesetzlich auferlegten Rücksichtnahme auf die privaten Anbieter verboten würde z. B. keine Werbung nach 20:00 Uhr anzubieten?

    Welche Sicherungen werden eingebaut um Missbräuche, egal unter welchem Titel, zu unterbinden? Hoffentlich lächelt das Nummerngirl nicht nur sondern lässt auch Sicherungen vom Bakom zu!

  • am 27.12.2015 um 17:06 Uhr
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    Wegen der immensen Kraft der Werbemöglichkeiten der Swisscom und der damit verbundenen direkten und indirekten Einflussnahme auf die Berichterstattung im Zusammenhang mit Handy und Co. ist es unerwünscht, dass sich dieser Betrieb überhaupt in die Medienlandschaft einmischt. Stellen Sie sich vor, es käme heraus, dass sich mit der gepulsten Strahlung nicht nur handys betreiben lassen, sondern es gäbe auch Kollateralschäden in der Bevölkerung, zum Beispiel mehr Krebserkrankungen in der Nähe von Funksendern und Schnurlostelefonen…wo wäre da die faire Berichterstattung? Hätte der Bund und sein mit Funk-Konzessionen kassierendes BAKOM wirklich Interesse an einer breiten Debatte?
    Denken Sie aber bitte nun nicht, das Ganze sei von einem dieser Seide-Wolle-Bast-Ideologen frei erfunden – diese Belege gibt es seit Langem. Nur wird in mainstream-Medien höchst selten darüber berichtet. Immerhin: seit einigen Wochen gibt es nun ein paar Mitteilungen zum Thema Elektrosensibilität. Wir wären jetzt ganz froh, wenn auch über die Ursachen und Mechanismen, die dazu führen, ein paar klärende Mitteilungen mehr kämen. Wir sind gespannt, ob die Swisscom sich hier wirklich an die Spitze setzt – die Zeichen stehen eher ungünstig.
    Erinnern wir uns noch an Carsten Schloter? Er hatte ein burnout – schon vergessen?!

  • am 31.12.2015 um 09:43 Uhr
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    Einverstanden mit Christian Müller! Der Begriff des service public ist zwar sehr unbestimmt; es ist deshalb umstritten, welche Leistungen der SRG dazu gehören und welche nicht. Dass es nicht Aufgabe der SRG sein kann, in Zusammenarbeit mit SWISSCOM und Ringier die Erträge aus der Werbung zu steigern, dürfte allerdings klar sein.

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