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Hauptsitz der Grossbank Credit Suisse am Paradeplatz in Zürich © CS

(Dis-)Credit Suisse: Eine Grossbank bedroht die Demokratie

Adrià Budry Carbó /  Anstatt zu massiven Fehlern zu stehen und sie aufzuarbeiten, geht die Credit Suisse gegen Überbringer schlechter Botschaften vor.

Red. Autor Adrià Budry Carbó* gehört seit 2019 zum Recherchier-Team von Public Eye. Im Folgenden ein gekürzter Beitrag von Budry, den Public Eye am 8. Februar 2023 veröffentlichte.

Wie kommt es, dass eine systemrelevante Bank, die in New York und Zürich börsennotiert ist und zudem ein Heer von Jurist*innen beschäftigt, in gefühlt jedem Finanzskandal erwähnt wird? Warum ist es für die Credit Suisse bequemer, die Quelle des Datenlecks der «Suisse Secrets» zu verklagen, statt die internen Verfahren zu überprüfen, die seit 2007 zu einem Aktienwertverlust von 95 Prozent führten? Die Klage wurde kürzlich vom Westschweizer Wirtschaftsportal Gotham City aufgedeckt.

Die Grosstaten der Credit Suisse seit 2007

  • Die CS hat Sporttaschen mit Bündeln gebrauchter Banknoten von berüchtigten bulgarischen Drogenhändlern einkassiert. Dass in diesem Zusammenhang ein «Kunde» in Jogginghose auf offener Strasse ermordet wurde, war für die Credit Suisse ein Detail, das die Bank nicht dazu veranlasste, die Geschäftsbeziehung zu beenden.
  • Die CS hat einen geheimen Kredit organisiert, um Mosambik den Aufbau einer Fischereiflotte zu ermöglichen, und das Geld dann an eine private libanesisch-emiratische Firma überwiesen. Wie seither bekannt wurde, hatte die ausgezahlte Milliarde kaum etwas mit Thunfischfang zu tun.
  • Die CS hat sich in den Konkurs der britischen Fondsfirma Greensill verstrickt, mit der die Bank Schuldtitel verkaufte, über deren tatsächlichen Wert sie kaum etwas wusste. Die Folge: Rund 7 Milliarden Dollar mussten an Anleger*innen zurückgezahlt werden.
  • Desgleichen beim Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos, dessen riskante Wetten sich als fatal erwiesen. Der Untersuchungsbericht spricht von Prüfverfahren, die von der Credit Suisse nur «zum Schein» durchgeführt wurden.

Fragen an die Credit Suisse

  • Wie ist die Beschattung zu qualifizieren, welche die Credit Suisse gegen ihren ehemaligen Leiter der Vermögensverwaltung Iqbal Khan organisiert hat? Dieser stand seinem ehemaligen Chef und Nachbarn Tidjane Thiam bekanntlich vor der Sonne. Und wie kam es zum dienlichen Selbstmord des Mannes, der die dilettantische Privatdetektei vermittelt hatte?
  • Was ist mit den Nachrichten, welche die Credit Suisse nach dem Einmarsch in die Ukraine an ihre Anleger*innen schickte mit der Aufforderung, Prospekte über abgesicherte Kredite für Jachten und Privatjets russischer Oligarchen zu vernichten?
  • Wie steht es um die Führung einer Bank, wenn der erhoffte Retter vor dem Untergang nach neun Monaten als Präsident schon wieder gehen muss, weil er mitten in der Pandemie in seinen Privatjet springt und dabei die Quarantänebestimmungen verletzt?

Die Aktie der Credit Suisse ist aktuell weniger als drei Franken wert, und die Bank zittert bei jedem Marktgerücht. Nur noch Neureiche aus dem Nahen Osten investieren ihre Petrodollars bei der CS.

Man könnte nun argumentieren, dass die Credit Suisse immer damit durchgekommen ist, die Schuld auf fehlbare oder fahrlässige Angestellte zu schieben. Oder dass die Bank nur selten verurteilt wurde, da sie lieber aussergerichtliche Vergleiche mit der Justiz schliesst. Oder dass all dies Vergangenheit ist. Das mag sein. Aber die aktuellen Probleme sind nicht weniger brisant.

Am 20. Februar 2022, während in Bellinzona der Prozess gegen die Credit Suisse wegen Geldwäscherei für den bulgarischen Kokainkönig stattfand, veröffentlichte ein Konsortium von 47 internationalen Medien die «Suisse Secrets». Das massive Datenleck enthüllte die illustre Kundengalerie der zweitgrössten Schweizer Bank: Russische Oligarchen, die in den Neunzigerjahren reich geworden waren. Beamte, deren Gehalt in Bolivar oder Tenge ausbezahlt wird, die aber ein Millionenvermögen in Dollar besitzen. Und eine Auswahl skrupelloser, aber begüterter Spione.

Maulkorb für Schweizer Medien

Ein Thema beherrschte jedoch die Berichterstattung an jenem Tag: Und zwar, dass Tamedia im Medienkonsortium fehlt, das vom Recherchekollektiv OCCRP koordiniert wird. Angesichts der Warnungen seiner Anwält*innen musste sich das Recherchedesk von Tamedia (als einziges Schweizer Medium im Konsortium) zurückziehen. Schuld daran ist der 2015 verabschiedete und unbemerkt gebliebene Artikel 47 des Bundesgesetzes über die Banken. Dieser stellt die Weitergabe von gestohlenen Bankdaten mit bis zu drei Jahren Gefängnis unter Strafe. Und das ohne jegliche Abwägung des öffentlichen Interesses.

In der Schweiz riskieren Journalist*innen also eingelocht zu werden, sollten sie auch nur eine einzige Bankkundenbeziehung namentlich nennen, selbst wenn es sich um einen blutrünstigen Diktator oder eine berüchtigte Kriminelle handelt.

«Ich bringe Sie ins Gefängnis!»

Dank der «Suisse Secrets» wissen Fachanwält*innen nun zumindest über Artikel 47 Bescheid und berufen sich unverhohlen darauf, wenn ihnen Medienanfragen zugeschickt werden oder neue Enthüllungen anstehen. Public Eye hat es diesen Sommer erneut erlebt. Ist diesen Leuten bewusst, wie verletzend ihr Verhalten ist? «Wenn Sie diese Information über meinen Mandanten veröffentlichen, bringe ich Sie persönlich ins Gefängnis.»

Gegen die Quelle der «Suisse Secrets» wird nun wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses und des Bankgeheimnisses, aber vor allem wegen Wirtschaftsspionage ermittelt. Ein politisches Verbrechen, für dessen Ahndung die Bundesanwaltschaft die Zustimmung des Bundesrates einholen musste.

Die Ermittlungen werden also auf höchster Ebene gutgeheissen. Dies, obwohl der Bundesrat selbst einräumte, dass es vielleicht gut wäre, Artikel 47 zu überprüfen.

*Autor Adrià Budry Carbó

Adrià Budry Carbó.x
Adrià Budry Carbó

Adrià Budry Carbó, 34, works for Public Eye. Until 2019 he was a journalist at the Swiss newspaper Le Temps.
He worked for the Economy & Finance section and also did international features.
Born in Geneva, the grand-son of a Spanish civil war veteran, he holds an e-Estonian digital residency. 
He previously worked in Central America where he wrote on the decline of Sandinism, the criminalisation of abortion and «maras» endemic violence in El Salvador.
He holds a Master of research in International Relations from the London School of Economics and a Bachelor Degree from the University of Geneva, where he was writing about Spanish democratic transition and the History of nationalisms.
​He is the co-author of Fragments de vie (Ed Labor et Fides, 2015) in which he tells the story of two South American political refugees.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Mitglied des Recherchier-Teams der NGO Public Eye.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_Mosambik

Credit Suisse im Mosambik-Skandal

Mit einer russischen Bank hat die CS zwei Milliarden Kredit gesprochen – ohne geforderte Sorgfaltspflicht.

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Die Macht der Grossbanken

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2 Meinungen

  • am 12.02.2023 um 14:55 Uhr
    Permalink

    Wenn man Gesetze verletzt, für die eine Gefängnisstrafe vorgesehen ist, kommt man ins Gefängnis. Ist das nicht grundsätzlich unabhängig vom betroffenen Artikel so?

  • am 13.02.2023 um 09:30 Uhr
    Permalink

    Man könnte nun darauf hinweise, dass das ganze Finanzsystem ‹faul› sei seit 2008 und nur dank dem Geldsegen der Zentralbanken überhaupt noch funktioniert. Und eine ‹Gefahr für die Demokratie› sind solche too-big-to-fail Privatunternehmen mit impliziter Staatsgarantie eigentlich schon länger.

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