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Nestlé wirbt für Vital Proteins © Nestlé Webseite / Greenpeace

Dieses Nestlé-Produkt trägt zur Urwald-Zerstörung bei

Pascal Derungs /  Der Nahrungsmittelzusatz «Vital Proteins» hilft angeblich, länger jung auszusehen. Doch Regenwald und Indigene müssen dafür büssen.

Der Schweizer Konzern Nestlé verkauft ein Beauty-Produkt, dessen Hauptbestandteil Kollagen zum umstrittenen brasilianischen Agrarkonzern Marfrig zurückverfolgt werden kann. Das zeigt eine neue internationale Recherche. Marfrig steht in der Kritik, für die Abholzung von Regenwald im Amazonas und das illegale Eindringen in indigene Territorien verantwortlich zu sein. Dies teilt die Koalition für Konzernverantwortung in einem Online-Bericht mit.

Ein Beauty-Produkt aus teils illegaler Produktion

Seit einigen Jahren verkauft Nestlé den Nahrungsmittelzusatz «Vital Proteins», der gegen Falten im Gesicht, für glänzende Haare sowie starke Nägel und Knochen helfen soll. Eine internationale Recherche des «Bureau of Investigative Journalism», an dem auch der britische Guardian beteiligt war, zeigt nun, dass der wichtigste Bestandteil des Produktes zum Teil von brasilianischen Rindern stammt, die auf Farmen gezüchtet wurden, die für den Verlust von 2’600 Quadratkilometer Regenwald verantwortlich seien. Gemäss Recherche würden in Brasilien Agrarkonzerne immer mehr Wälder illegal roden, um an deren Stelle Rinder-Weiden zu bewirtschaften. Dabei würden sie oft auch illegal in geschützte Territorien der Urbevölkerung eindringen.

Hauptbestandteil des Beauty-Produktes von Nestlé ist Kollagen. Kollagen ist das am häufigsten vorkommende Protein im menschlichen Körper. Es ist in Sehnen, Muskeln und Knochen zu finden und verleiht dem Körper Elastizität und Widerstandsfähigkeit. Die körpereigene Produktion verlangsamt sich aber mit zunehmendem Alter. Kollagen wird deshalb als Beauty-Produkt vermarktet, das den Alterungsprozess verlangsamen soll. Der Wunsch, dem natürlichen Alterungsprozess entgegenzuwirken, habe den Vermarktern von Kollagen im Jahr 2022 einen Rekordumsatz von geschätzt mehr als 4 Milliarden US-Dollar eingebracht, heisst es im Bericht der Koalition für Konzernverantwortung.

Viehwirtschaft nur dank Rinderhaut profitabel

Kollagen kann aus Rindern, Schweinen, Hühnern und Fischen gewonnen werden. Das Rinderkollagen, welches aus Rinderhäuten gewonnen und zu einem feinen, weissen Pulver verarbeitet wird, macht 34 Prozent des Kollagen-Marktes aus. Die in der Branche tätigen Konzerne behaupten, Kollagen sei lediglich ein Nebenprodukt der Rinder-Industrie. Doch da die Gewinnspannen in der Fleischindustrie sehr gering seien, so der Bericht, rentiere das Geschäft mit der illegalen Abholzung nur, wenn alle Teile der Tiere zu Geld gemacht würden – also nicht nur das Fleisch, sondern auch die Haut für die Herstellung von Leder und eben Kollagen.

Nestlés Geschäft mit dem umstrittenen Agrarkonzern Marfrig

Eine der weltweit führenden Kollagenmarken ist Vital Proteins, das von US-Filmstar Jennifer Aniston prominent beworben wird. Vital Proteins gehört seit Juni 2020 mehrheitlich und seit Februar 2022 vollständig dem Schweizer Konzern Nestlé. In der Schweiz ist Vital Proteins über Online-Shops erhältlich.

In der journalistischen Recherche wurde analysiert, woher die Rinderhäute stammen, die zur Herstellung von Kollagen verwendet wurden. Ein Teil des Kollagens von Vital Proteins habe bis zu Farmen zurückverfolgt werden können, die direkt für illegale Abholzung und das Eindringen in indigene Territorien verantwortlich seien.

Diese Farmen belieferten die Nestlé-Firma Marfrig, einen der grössten Rindfleischproduzenten weltweit, mit Rindern, deren Häute für die Kollagenproduktion verwendet würden. Marfrig steht seit langem in der Kritik, weil er und seine Zulieferer für die Rinderzucht illegal Regenwald abholzen und die Landrechte der indigenen Bevölkerung verletzen. Zudem wurden einige Zulieferer von Marfrig in den letzten Jahren wiederholt auf einer vom brasilianischen Arbeitsministerium publizierten Liste von Betrieben mit sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen aufgeführt.

Schutz von Regenwald und Indigenen für Nestlé zweitrangig

Konfrontiert mit der Recherche habe Nestlé erwidert, dass die erhobenen Vorwürfe nicht im Einklang mit den hauseigenen Standards für verantwortungsvolle Beschaffung seien, heisst es im Bericht. Der Konzern scheine aber keine besondere Eile zu haben, das Problem zu lösen: Erst 2025 wolle er seine Produkte «abholzungsfrei» anbieten. Derweil buhlt Nestlé auf seiner Website von Vital Proteins ungehemmt weiter um die Gunst der Kundschaft: «Transparenz ist absolut wichtig. Wir fühlen uns verpflichtet, mit Dir alle Informationen zu teilen, die Du brauchst, um Deine Kollagen-Routine mit Vertrauen zu starten.»

Die Koalition für Konzernverantwortung schreibt, im Moment seien keine Verbesserungen in der Kollagen-Lieferkette von Nestlé erkennbar, sondern eher das Gegenteil. Die Firma «Darling Ingredients», die Nestlé mit dem Rinder-Kollagen beliefert, habe im April 2023 die Firma Gelnex erworben, um ihre Kapazitäten in der Kollagenproduktion weiter zu erhöhen. Gelnex gilt als einer der weltweit grössten Kollagen- und Gelatine-Produzenten. Die Recherche zeigt, dass auch Gelnex sein Kollagen aus Rinderhäuten produziert, welche von problematischen Schlachthöfen stammen. Rinder, die in diesen Schlachthöfen landeten, würden zum Teil auf Farmen gezüchtet, die illegal auf dem Land von Indigenen errichtet wurden, heisst es im Bericht.


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5 Meinungen

  • am 30.04.2023 um 12:23 Uhr
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    Ein weiteres Produkt, mit dem die ‹entwickelten› Länder globale Entwaldung und neuen Kolonialismus vorantreiben.

    Fragwürdig genug, sich getötete Tiere ins Gesicht zu schmieren um jünger zu wirken – natürlich nach industrieller Verarbeitung und Gewinnakkumulation.

    Die Haupttreiber für die globale Entwaldung (und damit zT Vertreibung indigener Völker) sind Soja (va. für Futtermittel), Palmöl, Rindfleisch, Holzprodukte, Kakao und Kaffee. Alle diese Produkte landen bei uns, die EU ist zweitgrößter Importeur dieser Produkte nach China, und Deutschland hat daran den größten Anteil innerhalb der EU.

    Die globale Entwaldung ist auf Rekordniveau, in Brasilien heute offenbar sogar noch höher als unter Bolsonaro. Jedes Jahr (!) werden weltweit unfassbare 100.000 Quadratkilometer Wald vernichtet. Eine Fläche, ebenso groß wie die gesamte Waldfläche Deutschlands – und wir sind als Konsumenten die Verantwortlichen.

    Der Amazonasregenwald ist von einer wichtigen Senke zur Kohlenstoffquelle geworden.

  • am 30.04.2023 um 15:13 Uhr
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    Werden die Rinder wegen Kollagen gezüchtet? Oder ist Kollagen vielmehr ein Nebenprodukt der Fleischproduktion, und entspricht damit sogar dem positiven Ansatz, möglichst nichts wegzuwerfen vom produzieren Produkt:
    https://corporate.migros.ch/de/nachhaltigkeit/food-waste/unsere-fortschritte/lebensmittelabfaelle-in-industrie.html
    Klar, die Bemühungen, kein Fleisch mehr zu essen, könnten letztlich umgekehrt torpediert werden, weil Leute sich aufs Kollagen abonniert haben.

    • am 1.05.2023 um 07:29 Uhr
      Permalink

      Guter Punkt, es soll alles verwertet werden – Stichwort Ostereier/Suppenhuhn. Ich bin für die Deklaration der Herkunftsländer. Die Konsument*innen sollen entscheiden. Kaufe ich Fleisch aus Übersee oder Nebenprodukte, die durch die illegale Abholzung im Amazonas überhaupt erst entstehen konnten? Aber es ist immer noch die Minderheit die sich die Frage stellt und es sind noch weniger, die ihr Kaufverhalten dann ändern. Die Ökologischen Herzen und die Ökologischen Brieftaschen sind nicht gleich gross….

    • am 1.05.2023 um 09:38 Uhr
      Permalink

      @Wolfgang Reuss, siehe bitte Beitrag oben:

      «… Die in der Branche tätigen Konzerne behaupten, Kollagen sei lediglich ein Nebenprodukt der Rinder-Industrie. Doch da die Gewinnspannen in der Fleischindustrie sehr gering seien, so der Bericht, rentiere das Geschäft mit der illegalen Abholzung nur, wenn alle Teile der Tiere zu Geld gemacht würden – also nicht nur das Fleisch, sondern auch die Haut für die Herstellung von Leder und eben Kollagen. …»

      Die Vertreibung indigener Menschen aus ihrer Heimat und die globale Waldvernichtung werden darüber hinaus nicht besser dadurch, dass das ganze – illegal und unmenschlich – «produzierte» Tier verwertet wird.

      • am 3.05.2023 um 00:20 Uhr
        Permalink

        @Peter Langhammer Wenn die Fleischproduktion selbst so renditearm ist im Urwald, wo soll denn das Fleisch stattdessen produziert werden bzw. warum wird es dann dort nicht längst produziert? Selbst wenn Sie recht hätten und die Nebenprodukte nicht mehr gekauft würden, der Fleischhunger der Welt als Triebfeder des Ganzen scheint unüberwindbar. Ich hätte zwar paar Hebel-Ideen, aber wieso gibt es nicht eine Arbeitsgruppe, wo Leute mit Ideen sich melden können? Falls jemand Interesse am Systemwechsel hätte, müsste er nicht Rezeptor für Leute wie mich sein? Und von mir aus sollte man allen Urwald zum unantastbaren Essential erklären.

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