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CS-Hauptsitz «wusste nichts»: Milliardenkredit mit Schmiergeldern an Mosambik © COM

Die Finanzaufsicht Finma kneift im Mosambik-Skandal

Thomas Kesselring /  Weil es um das Ansehen des Schweizer Finanzplatzes geht, muss die Finma endlich Stellung nehmen. So verlangt es das Gesetz.

Red. Der Kreditskandal in Mosambik gilt als grösster Finanzskandal in Schwarzafrika der letzten Jahrzehnte. Die Credit Suisse ist in diesen Skandal mit einem Milliardenkredit involviert und hat ihre Sorgfaltspflichten krass verletzt. – Thomas Kesselring informiert auf Infosperber bereits seit 2016 über den Fall. Doch unsere Finanzaufsichtsbehörde Finma schweigt beharrlich.

Gesetzwidriges Schweigen der Finma
Es ist keine «KANN»-Vorschrift, sondern die Finma MUSS über Fälle informieren, welche das Ansehen des Schweizer Finanzplatzes in Mitleidenschaft ziehen.
Ein US-Gericht informiert seit elf Monaten immer wieder über den Fall. Schon vor zweieinhalb Jahren hatte sich die US-Audit-Firma Kroll ausführlich zum Kreditskandal in Mosambik geäussert, und diese Äusserungen waren für unseren Finanzplatz wenig schmeichelhaft. Infosperber hatte darüber ausführlich berichtet.

Doch seit über drei Jahren wartet die Schweizer Öffentlichkeit darauf, was die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma dazu sagt. Hat sie Verfahren eingeleitet?
Die Finma schweigt, obwohl sie laut Gesetz über die Finanzmarktaufsicht, Art. 22 Absatz 2) sehr wohl gehalten ist, sich dazu zu äussern: «Sie [die Finma] informiert nicht über einzelne Verfahren, es sei denn, es bestehe dafür ein besonderes aufsichtsrechtliches Bedürfnis, insbesondere, wenn die Information nötig ist (…) c. zur Wahrung des Ansehens des Finanzplatzes Schweiz.» Diese Bedingung c. ist im vorliegenden Fall zweifellos erfüllt.

Was die Öffentlichkeit an der Rolle des Zürcher Hauptsitzes der Credit Suisse vor allem interessiert, ist die Frage, ob sie «alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat», um eine Straftat nach Strafgesetz, Art. 102, zu verhindern. Die inzwischen erwiesenen Straftaten diverser Investmentbanker in der CS London sind so schwerwiegend und ihre Folgen so weitreichend, dass nur Zyniker glauben können, die CS-Chefetage in Zürich habe von den folgenschweren Machenschaften in Mosambik nichts gewusst, wie sie behauptet. Offensichtlich braucht es nicht nur die Konzernverantwortungsinitiative, sondern auch noch eine Bankenverantwortungsinitiative.

Das Schweizerische Strafgesetzbuch über die Verantwortung von Firmen

«Art. 102: 1. Wird in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen und kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden, so wird das Verbrechen oder Vergehen dem Unternehmen zugerechnet. (…).
2. Handelt es sich dabei um eine Straftat nach den Artikeln 260ter, 260quinquies, 305bis, 322ter, 322quinquies, 322septies Absatz 1 oder 322octies, so wird das Unternehmen unabhängig von der Strafbarkeit natürlicher Personen bestraft, wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um eine solche Straftat zu verhindern.
3. Das Gericht bemisst die Busse insbesondere nach der Schwere der Tat und der Schwere des Organisationsmangels und des angerichteten Schadens sowie nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens.»
Die Artikel, auf die in Absatz 2. verwiesen wird, betreffen:
– Bildung einer kriminellen Organisation ( 260ter, Ziffer 1)
– Terrorismusfinanzierung (260quinquies)
– Geldwäscherei (305bis)
– Bestechung schweizerischer Amtsträger (322ter)
– Bestechung schweizerischer Amtsträger: Vorteilsgewährung (Art. 322quinquies)
– Bestechung fremder Amtsträger (Art. 322septies)
– Bestechung Privater (Art. 322octies)

Im Kontext der Kredite sind viele Hundert Millionen Dollar als Schmiergelder abgeflossen: Drei Mitarbeiter der Credit Suisse in London, die nun ihrer Verurteilung durch ein US-Gericht entgegensehen, kassierten über 50 Millionen Dollar, der frühere mosambikanische Präsident Guebuza zusammen mit seinem Sohn mindestens 60 Millionen und der aktuelle Präsident, Filipe Nyusi, immerhin eine bis zwei Millionen.1
Bundesrat Cassis hat bei seinem Mosambik-Besuch die Augen vor dem CS-Kreditskandal verschlossen
Bundesrat Ignazio Cassis nahm am 6. August in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, an der Zeremonie des Friedensschlusses zwischen Frelimo und Renamo teil, für den sich der Schweizer Botschafter und heutige UNO-Gesandte Mirko Manzoni – wie Cassis ein Tessiner – jahrelang als Mediator eingesetzt hatte. In Mosambik war er Gast von Präsident Nyusi, der anlässlich der geheimen Kredite ein bis zwei Millionen an Schmiergeld erhalten hatte.
Mosambik ist ein Schwerpunktland der Schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit. Es befindet sich trotz des historischen Friedensschlusses und des kürzlich errungenen Erdrutschsiegs der Regierungspartei Frelimo bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in einer tiefen multiplen Krise. Dies nicht nur wegen der beiden Zyklone Idai und Kenneth, durch die im März und April dieses Jahres Hunderttausende Mosambikaner ihre Behausungen, ihr Hab und Gut oder ihre Ernten verloren haben, sondern auch wegen des Skandals um geheim gehaltene Kredite von über 2 Milliarden Dollar, in den die Credit Suisse verwickelt ist: Seit 2013/14 belasten diese Kredite, die in den Sand gesetzt wurden, die mosambikanische Staatskasse, und zwar um eine weit höhere Summe, als die gesamte Katastrophenhilfe beträgt, die Mosambik nach den beiden Zyklonen aus dem Ausland erhalten hat.

Bei einem früheren Trip in den Süden Afrikas, im Januar dieses Jahres, besuchte Cassis Simbabwe und Südafrika, nicht aber das benachbarte Mosambik. Zuerst reiste er nach Sambia, obwohl es dort, anders als in Mosambik, weder eine Schweizer Botschaft noch ein DEZA-Büro gibt. Hat Bundesrat Cassis Mosambik damals womöglich absichtlich gemieden, um nicht auf die leidige Kreditaffäre, die Mosambik in die Insolvenz trieb, angesprochen zu werden? Dies vermutete zumindest Dick Marty – seinerseits ebenfalls Tessiner und Mitglied der FDP, aber im Gegensatz zu Cassis Mitbegründer und Zugpferd der Konzernverantwortungsinitiative.
In Sambia besuchte Cassis so ziemlich als Erstes die für ihren gesundheitsschädigenden Schwefelausstoss berüchtigte Glencore-Kupfermine Mofani und machte mit einem Tweet, worin er seine «ersten Eindrücke» beschrieb, Schlagzeilen: Seine Botschaft war ein einziges Lob an die Mine, was Glencore propagandistisch ausschlachten konnte. Der Tweet hatte allerdings ein für Cassis und das EDA peinliches Nachspiel.2
Ob Cassis bei seinem zweiten Afrikabesuch doch noch die Gelegenheit ergriff, das heisse Eisen der Mosambikkredite anzufassen und sich mit seinem mosambikanischen Gastgeber darüber auszutauschen? Diese und weitere Fragen zu den Folgen des Skandals stellte der SP-Parlamentarier Martin Naef dem Bundesrat in einer Interpellation vom 26. September. Die Interpellation fällt ins Dossier des Aussenministers. Es ist also davon auszugehen, dass die Antworten in Absprache mit Bundesrat Cassis von seinem Departement formuliert wurden.

Interpellation von SP-Nationalrat Martin Naef an den Bundesrat: «Credit Suisse und Mosambik. Haben Politik, Aufsicht und Justiz weggeschaut?», eingereicht am 26.September 2019: 3

1. Die Credit Suisse (CS) hat als Syndikatsleiterin 2013 und 2014 für Mosambik Kredite in der Höhe von 2 Milliarden Dollar arrangiert. Welche Rolle spielten die CS-Kredite in der Folge für die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit von Mosambik?
2. Wie hat sich in Mosambik seither die Armut, die Kinder- und Müttersterblichkeit, die Qualität der öffentlichen Dienste im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in Bezug auf Recht und Ordnung entwickelt? Sieht der Bundesrat einen Zusammenhang zwischen dem CS-Kredit und der Verschlechterung der sozialen Lage in Mosambik?
3. Bundesrat Ignazio Cassis reiste am 6. August 2019 nach Mosambik und nahm dort an der Zeremonie zur Unterzeichnung eines Friedensabkommens teil. War der 2-Milliarden-Dollar-Kredit der CS dort ein Thema? Wie wirken sich die Folgen des CS-Kredits auf die Konfliktdynamik in Mosambik aus?
4. Der heutige Staatspräsident Filipe Jacinto Nyusi war bei der Vergabe des CS-Kredites Verteidigungsminister. Teile des Kredites flossen offenbar in Waffenkäufe, Teile versickerten offensichtlich in der Korruption. Wann sprach die Schweiz mit Nyusi über den CS-Kredit und dessen dramatische Folgen? Machte die Schweiz Nyusi Zugeständnisse im Tausch zu dessen Mitwirkung für das Friedensabkommen?
5. Drei CS-Banker, die in den Kredit an Mosambik involviert waren, erklärten sich in US-Verfahren schuldig. Laut neuesten Medienberichten hatten hohe Chargen der Credit Suisse AG in Zürich rund um dieses Geschäft wichtige Kreditverträge unterzeichnet. Wann greift die Schweizer Politik, Aufsicht und Justiz endlich ein? Ist es für die Reputation der Schweiz tatsächlich ein Vorteil, wenn die Schweizer Behörden die Öffentlichkeit nicht über ihre Verfahrensschritte gegen die CS informieren?
Antwort des Bundesrats vom 13.November 2019:
«1./4. Die Credit Suisse (CS) ist eine private Geschäftsbank, und die Kredite wurden ohne Beteiligung des Bundesrats gewährt. Bei bilateralen Treffen stehen solche Themen nicht auf der Traktandenliste. Auch die mosambikanische Regierung unterscheidet klar zwischen der Privatbank CS und der Schweizer Regierung. Es gab in diesem Zusammenhang keine Zugeständnisse.
2. Diese Fragen hat der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme vom 16. August 2017 zur Interpellation Naef, ‹Schuldenkrise in Mosambik. Zahlungsunfähigkeit, Korruption und Credit Suisse› beantwortet.
3. Der CS-Kredit war kein Gesprächsthema während des Besuchs von Bundesrat Ignazio Cassis. Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen dem CS-Kredit und der Konfliktdynamik.
5. Bei einem allfälligen Verstoss gegen das Schweizer Aufsichtsrecht durch die CS ist die Finma für die Rechtsfragen in der Schweiz zuständig. Die Finma steht in Bezug auf den Sachverhalt mit der CS in Kontakt. Die Finma und die britischen Aufsichtsbehörden untersuchen Aufsichtsfragen parallel zu den in den USA laufenden Strafverfahren gegen Privatpersonen, da die Kreditgeschäfte von London aus getätigt wurden. Auf diese Weise will die Finma abklären, ob die CS die Schweizer Aufsichtsregeln eingehalten hat. Der Bundesrat kann sich nicht zu laufenden Straf- oder Verwaltungsverfahren äussern.»

Die Frage, ob der Zwei-Milliarden-Kredit bei seinen Gesprächen in Mosambik ein Thema gewesen sei, beantwortete der Bundesrat negativ. Man hatte nicht den Mut dazu. Eine andere Frage, nach der Verschlechterung der sozialen Lage, beantwortete er gar nicht, sondern verwies auf ein bundesrätliches Statement von vor über zwei Jahren, aus der Zeit von Aussenminister Didier Burkhalter, zu einem ähnlichen Thema. Die Situation der Bevölkerung in Mosambik ist aber nicht mehr dieselbe. Sowohl die Gewalt als auch die Korruption haben seither zugenommen.

Zum Thema Korruption
Im Jahr 2012 figurierte Mosambik auf der Liste der korruptesten Länder bei Rang 123 von 174 Rängen. Vier Jahre später rückte es auf Rang 142 von 176 Rängen und 2018 noch weiter auf Rang 158 von 180 vor 4. Die Deutsche Welle nennt in einem Artikel den Kreditskandal als eine wesentliche Ursache für Mosambiks Sprünge auf dem Index der korruptesten Länder.5 In den CS-Skandal sind mehr als ein Dutzend hohe Politiker und Funktionäre (vereinzelt auch weiblichen Geschlechts) verwickelt. Wachsende Teile der Bevölkerung scheinen dem Beispiel ihrer korrupten «Elite» nachzuleben, und so frisst sich die Korruption auch in den Betrieb von Krankenhäusern und Bildungsinstitutionen hinein. Krasse Einsparungen im Bildungs- und Gesundheitswesen sowie im sozialen Bereich machen die Lohnempfänger in diesen Sparten auch immer abhängiger von Sondereinkünften.

Tote im Gebärsaal

Ein symptomatisches Beispiel für die leidvollen Konsequenzen dieser Entwicklung: Ende August 2019 stirbt in einer mosambikanischen Provinzhauptstadt eine junge Mutter im Gebärsaal mitsamt ihrem Baby. Die Sterbende war Professorin für Ethik an der örtlichen Universität und von dieser kurz zuvor als beste Dozentin der Provinz bzw. des Bundesstaates ausgezeichnet worden. In derselben Woche stirbt eine zweite Frau in derselben Geburtsabteilung, ebenfalls samt Baby. Innerhalb eines oder zweier Monate ereignet sich dieses Drama nicht weniger als viermal. Der Tod der jungen Ethik-Professorin ist für die Universität und die Studierenden umso fataler, als eine seriöse Heranführung der Bevölkerung an Fragen der Ethik dringend not tut und kompetente Ethik-Dozierende im ganzen Land extrem rar sind. Die Manifestation, die Studierende und Angestellte der Universität deshalb am Wochenende nach dem Todesfall veranstalten, wird von der Polizei mit Tränengas aufgelöst, und 22 Personen werden festgenommen.6
Die Deutsche Welle behauptet, dass in Mosambik jeden Tag 80 Babys auf Geburtsstationen sterben, 29‘000 pro Jahr.7 Das wäre jedes Jahr ein solcher Todesfall per tausend Einwohner. Einer der Gründe für diese hohe Todesziffer, schreiben lokale und internationale Medien, seien Korruption und Klientelismus in den Krankenhäusern. Die Löhne von Hebammen seien so niedrig, dass sie Gebärenden eine Extrazahlung in der Grössenordnung von 500 Metical (etwa 7 Dollar) abpressten. Frauen, die nicht zahlen könnten, müssten damit rechnen, dass sie bei der Entbindung im Stich gelassen würden. Viele zögen es deshalb vor, zuhause und ohne erfahrene Fachkräfte zu gebären.8

Die Frage aus dem Nationalrat nach einer möglichen Kausalität zwischen dem Kreditskandal und der Sterblichkeit, insbesondere der Mütter- und Säuglingssterblichkeit, ist also nicht aus der Luft gegriffen. Wie hat sie der Bundesrat beantwortet? Gar nicht! Ignazio Cassis, der ehemalige Tessiner Kantonsarzt, hat die Frage schlicht ignoriert.
In einem Interview in der mosambikanischen Wochenzeitung «Savana» vom 20.09.19 zeigte der Ökonom Carlos Nuno Castel-Branco den Zusammenhang zwischen der prekären sozialen Lage und dem Skandal um die geheimen Kredite auf. Es sei zwar nicht der erste Skandal gewesen, aber der mit Abstand grösste, und er habe zum Gesichtsverlust Mosambiks auf der internationalen Bühne geführt: Das Vertrauen der Investoren sei schwer beschädigt. «Wir [die gewöhnlichen Bürgerinnen und Bürger] sind es, die dafür zahlen: Wir zahlen, indem Lehrer, Ärzte und Krankenschwestern nicht ausreichend entlohnt werden, um in Würde leben zu können. Und wenn Bildung und öffentliche Gesundheitsdienste nicht anständig funktionieren, bedeutet dies, dass den Menschen ihre Würde verweigert wird. Wir zahlen auch, indem immer wieder Unternehmen Konkurs gehen und die Angestellten ihr Brot verlieren.» (Nach Aussage des letzten Schweizer Botschafters traf dies auch auf eine Reihe von Schweizer Unternehmen vor Ort zu.) «Wir sind es also, die dafür blechen, ohne von diesen Krediten profitiert zu haben.» Die «créditos ocultos» – so Castel-Branco weiter – machten 30 Prozent der kommerziellen Schulden Mosambiks aus, und ihre Bedienung (mit Zins und Zinseszins) werde «extrem teuer».

Überschuldung begünstigt Gewalt

Auf die Frage nach den Folgen des verfehlten Kreditgeschäfts für die Konfliktdynamik in Mosambik antwortete der Bundesrat, es gebe da keinen direkten Zusammenhang. Daran ist sicher soviel richtig, dass der Kredit-Deal kein physischer Gewaltakt war, der direkte Gegengewalt provoziert hätte. Aber das heisst nicht, dass er die Zunahme an Gewalt nicht begünstigt haben könnte – schon nur insofern, als er möglicherweise zu Waffenkäufen Anlass gab. Jedenfalls hat die Gewalt in den Jahren der geheimen Kreditaufnahme und ihrer leidvollen Aufarbeitung deutlich zugenommen, genauso wie die Korruption. Zumindest indirekte Zusammenhänge scheinen durchaus zu bestehen.
Im Jahr 2013, als die mosambikanische Öffentlichkeit von ersten Ungereimtheiten des Ematum-Kredits erfuhr, stiegen die Spannungen zwischen Frelimo und Renamo, es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen, vor denen Zehntausende in angrenzende Länder flüchteten. Daran war das Kredit-Schlamassel tatsächlich nicht schuld. Vier Jahre später aber begannen in der Provinz Cabo del Gado, dem rohstoffreichen, islamisch geprägten Norden Mosambiks, mörderische Attacken gegen die Zivilbevölkerung. Das war im Oktober 2017, zwei Monate nachdem der Bundesrat jene Auskunft zur sozialen Lage in Mosambik gegeben hatte, auf die Cassis anstelle einer eigenen Analyse der gegenwärtigen Situation hinwies. Seither sind bei über hundert Attacken mindestens 500 Personen umgekommen, viele davon durch Enthauptung.

Zwar nahmen islamistische Gruppen aus dem Ausland solche Anschläge wiederholt für sich in Anspruch, aber gut informierte Kreise9 nehmen an, dass es sich bei den Tätern um marginalisierte Männer handelt, die sich von der Regierung und den staatlichen Institutionen vernachlässigt fühlen, während gleichsam vor ihrer Nase ausländische Firmen Milliarden (die Rede ist bislang von 60 Milliarden Dollar) in die Rohstofförderung investieren und Mosambik die Infrastruktur dafür aufbaut. Bezeichnenderweise ist die Region für unabhängige Medienberichterstatter gesperrt. Seit ein paar Monaten sind russische Truppen einer Putin nahestehenden Hightech-Söldnerfirma («Wagner-Truppe») zum Schutz des Ressourcen-Abbaus vor Ort, doch fühlen auch sie sich angesichts der Hinterhältigkeit und Brutalität der Aufständischen überfordert.
Der mosambikanische Finanzminister hofft noch immer, mit dem in der Gegend reichlich vorhandenen Erdgas, sobald es denn endlich sprudelt, die Schulden mit Zins und Zinseszins abzuzahlen – allerdings zum Nachteil der heimischen Bevölkerung, deren Bedürfnisse dafür vernachlässigt werden. Sie leidet schon jetzt unter der mangelnden sozialen Infrastruktur. Aufständische rächen sich dafür. Doch der Bundesrat behauptet, es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem Kreditskandal und der grassierenden Gewalt. Die Frage geht an Bundesrat Cassis, denn sie betrifft sein Dossier.

Auch die diesjährigen Präsidentschaftswahlen waren bekanntlich von Gewalt überschattet – von wesentlich mehr Gewalt als alle früheren. Die Frelimo-Spitze, die seit längerem vor der Aufarbeitung des Kredit-Skandals zittert, fürchtete um die Wiederwahl von Präsident Nyusi und setzte deshalb erfolgreich auf Einschüchterung. Im Vorfeld der Wahlen erlitten etwa 40 Personen einen gewaltsamen Tod. Neutrale Wahlbeobachter wurden wochenlang inhaftiert.11 Auch hier ist zu fragen: Besteht zwischen der Angst der Regierung vor ihrer skandalbedingten Unbeliebtheit und ihren groben Einschüchterungsmethoden wirklich kein Zusammenhang?
Alles in allem erscheint die bundesrätliche Antwort auf die Interpellation Naef unsäglich dürftig. Von einem Aussenminister sollte man eine gewisse Kenntnis der Länder, in die er reist, erwarten dürfen.
Mit seiner letzten Frage spielt der Interpellant auf das Interesse der Öffentlichkeit an möglichen Verfahrensschritten gegen die CS an und erwähnt das Risiko von Reputationsschäden. Der Bundesrat zieht sich auch hier aus der Affäre.
Ja, wir haben Gewaltenteilung, und das ist gut so. Ja, über laufende Verfahren wollen sich die untersuchenden Behörden in der Regel nicht äussern. Doch warum soll es dem Bundesrat verboten sein, eine Einschätzung der Sachlage abzugeben, statt den Eindruck zu erwecken, die Angelegenheit gehe ihn nichts an?
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Lesen Sie den ersten Teil von Thomas Kesselring über
die Rollen der Credit Suisse und einer russischen Bank

oder das ganze DOSSIER:
Die Rolle der Credit Suisse im Mosambik-Skandal

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FUSSNOTEN
1Vgl. die einschlägigen Berichte im Infosperber vom 25. und 27.November2019: https://www.infosperber.ch/Artikel/Wirtschaft/Finanzskandal-von-Mosambik-Vor-dem-Geschworenenurteil-in-NY und https://www.infosperber.ch/Wirtschaft/Prozess-enthullt-Korruption-bis-in-die-hochsten-Stellen
2Zum Beispiel: https://www.srf.ch/news/schweiz/minen-besuch-in-sambia-cassis-hatte-doch-keinen-kontakt-zu-lokalen-ngos oder: https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittene-mine-in-sambia-glencore-korrigiert-aussage-von-cassis-sprecher
3https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20194242
4https://www.transparency.org/research/cpi/overview
5Deutsche Welle, 02.06.17: https://www.dw.com/pt-002/mo%C3%A7ambique-corrup%C3%A7%C3%A3o-atingiu-quase-todos-os-setores-de-atividade/a-39089933
6Deutsche Welle, 31.08.19: https://www.cartamz.com/index.php/sociedade/item/2945-quatro-parturientes-perdem-vida-em-dois-meses-na-maternidade-do-hospital-provincial-de-lichinga und Carta do Moçambique, 02.09.19: – https://www.cartamz.com/index.php/sociedade/item/2945-quatro-parturientes-perdem-vida-em-dois-meses-na-maternidade-do-hospital-provincial-de-lichinga
7Deutsche Welle, 22.03.18: https://www.dw.com/pt-002/mo%C3%A7ambique-todos-os-dias-morrem-80-beb%C3%A9s-%C3%A0-nascen%C3%A7a/a-43083486
8Gleiche Quellen wie in Anmerkung 6 und 7.
9z.B. Peace Research Institute Frankfurt/Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, 1.4.2019: https://blog.prif.org/2019/04/01/mosambik-vor-den-wahlen-ein-land-im-notstand/
10The Globe and Mail, 30.11.19: https://www.theglobeandmail.com/world/article-russian-mercenaries-regroup-after-setback-in-mozambique/
11Club of Mozambique, 20.11.2019: https://clubofmozambique.com/news/mozambique-new-democracy-calls-for-immediate-release-of-election-observers-in-gaza-147427/
12Interpellation Naef vom 15.06.2017 und Antwort des Bundesrates vom 16.08.17: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20173501


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_Mosambik

Credit Suisse im Mosambik-Skandal

Mit einer russischen Bank hat die CS zwei Milliarden Kredit gesprochen – ohne geforderte Sorgfaltspflicht.

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Eine Meinung zu

  • am 12.12.2019 um 09:45 Uhr
    Permalink

    Das Fehlverhalten der Finma ist offensichtlich und nur noch peinlich.
    Sie unterstützen und decken ein System der ungerechten finanziellen Macht-Ausübung.

    Nach dem Bankrott dieses Finanz-Systems werden dann alle sagen, sie hätten das unmöglich kommen sehen.

    Überleben werden wir nur gewaltlos.

    https://www.facebook.com/friedenskraft/

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