Die Entschuldigungen wirken etwas hohl
Ein monatelanger Konflikt zwischen Japans Gesundheitsministerium und Novartis hat in den letzten Tagen einen Höhepunkt erreicht. Es geht um das Blutdruck-senkende «Blockbuster»-Medikament Diovan, mit dem Novartis nach Angaben von Bloomberg letztes Jahr einen weltweiten Umsatz von 4,4 Milliarden Dollar erzielte, davon über eine Milliarde allein in Japan.
Ende letzter Woche drückte Novartis-Geschäftsleitungsmitglied und Leiter der Division Pharmaceuticals, David Epstein, öffentlich sein «tiefes Bedauern» aus für die vermutliche Manipulation von Studiendaten über den Umsatzrenner Diovan. Der Konzern akzeptiere mögliche Sanktionen und wolle diesen Streit «zu einem guten Ende bringen», erklärte Epstein nach einem Bericht der Agentur Reuters.
Ebenso entschuldigten sich Professor Kazuhiro Hashimoto von der «Jikei University School of Medicine» und andere Vertreter der Universität. Die Universität, an der Diovan-Studien durchgeführt wurden, hatte viel Geld von Novartis entgegen genommen. Beteiligte Forscher hatten diese Abhängigkeit bei der Veröffentlichung der Studien nicht deklariert.
Nach Angabe von Bloomberg hat Novartis den beiden Universitäten «Jikei» und «Kyoto Prefectural», an denen zwei von fünf Diovan-Studien durchgeführt wurden, im Laufe der Jahre insgesamt 75 Millionen Dollar bezahlt.
Vor kurzen gab Novartis noch keine falschen Studiendaten zu
Vor zwei Monaten hatte Novartis-Sprecher Eric Althoff den Vorfall gegenüber der Handelszeitung noch bagatellisiert. Der Interessenkonflikt sei zwar «unangebrachterweise» nicht offengelegt worden. Doch seien keine Daten «absichtlich manipuliert oder gefälscht» worden.
Doch Anfang September zogen zwei medizinische Fachzeitschriften, welche die Novartis-Studien zu Diovan® (Wirkstoff Valsartan) veröffentlicht hatten, nämlich das «Lancet» und das «European Heart Journal», diese Studien offiziell zurück. Professor Kazuhiro Hashimoto von der Jikei University (Bild) habe «Lancet» mitgeteilt, eine interne Untersuchung sei zum Schluss gekommen, dass «die Daten (der Studie) bezüglich Blutdruck nicht zuverlässig» seien.
Auch Studie bezüglich Schlaganfall zurückgezogen
Jetzt wirft die japanische Gesundheitsbehörde Novartis auch noch vor, Diovan in Japan nicht nur zum Senken des Blutdrucks beworben zu haben, sondern auch gegen Schlaganfälle. Das habe gegen geltendes Recht verstossen, was mit Bussen und Gefängnisstrafen geahndet werden könne. Eine vom Ministerium eingesetzte Untersuchungskommission erklärt in einem Bericht, die Konkurrenz unter den zahlreichen Blutdrucksenkern sei gross, weshalb sich Novartis mit der zusätzlichen Anpreisung gegen Schlaganfälle einen Marktvorteil habe ergattern wollen.
In andern Ländern bewarb Novartis Diovan ebenfalls gegen Schlaganfall und gab als Beweis die jetzt zurückgezogene Studie an, die das «European Heart Journal» publiziert hatte. Diese jetzt ebenfalls zurückgezogene Studie ergab, dass Diovan Schlaganfälle und Angina angeblich um 45 Prozent senkt. Doch dieser Vorteil soll nach heutigen Erkenntnissen des japanischen Gesundheitsministeriums vor allem durch eine niedrige Zahl von Patienten zustande gekommen sein, die an der Studie teilgenommen hatten. Laut Bloomberg erklärten japanische Behörden zudem, dass Daten in dieser Studie manipuliert worden seien. Novartis verbreitete wiederholt, von Manipulationen nichts gewusst zu haben. Yoshiyasu Ninomiya, CEO von Novartis Japan, sagte am Montag, der Konzern werde bei den weiteren Abklärungen behilflich sein.
Die Milliarden sind eingefahren, das Patent auf Diovan läuft dieses Jahr in Japan aus.
—
Die grossen Schweizer Zeitungen haben bisher mit Ausnahme von Cash-online und der Handelszeitung nur mit kleinen Agentur-Meldungen über den Diovan-Fall in Japan informiert.
—
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
…die japanische Form, sich mit Verbeugung im 65-Grad-Winkel zu entschuldigen, überzeugt auch nicht mehr so doll. Empfindliche Bussen sind viel wirksamer, siehe Schweizer Banken.
Praxisnahe Versorgungsforschung mit zentraler Qualitätskontrolle, finanziell unabhängig von der Pharmaindustrie und den Krankenversicherungen würden solche ‹Schummeleien› sehr schnell im Interesse der versicherten und Patienten aufdecken!
Zusätzliche Frage an Herrn Gasche: Unter welcher Führung von Novartis wurden diese ‹Schummeleien› geduldet?! Hat man Angst vor juristischen Klagen dieser Geschäftsführung, wenn man im Interesse der Konsumenten diese Frage öffentlich in den Raum stellt?
@Keusch. Die Novartis-Führung sagt, sie habe von Daten-Manipulationen nichts gewusst, also auch nichts geduldet. Sie müssten schon das Gegenteil beweisen, bevor Sie Namen nennen. Sicher konnten viele bei Novartis feststellen, dass Interessenkonflikte nicht transparent gemacht wurden. Wer alles bewusst darüber geschwiegen hat, zeigen vielleicht die Untersuchungen in Japan. Aber dieses «Delikt» gilt auch in der Schweiz als Kavaliersdelikt.
@Gasche. Danke für Ihre Einschätzung dieser ‹interessanten› Ausgangslage als m.E. ‹fragwürdiges› Kavaliersdelikt.
…aber keine Angst, Novartis! Es wird in der Schweiz zu keinerlei Nachfragen oder gar Diskussionen führen. Wir kennen unsere Pappenheimer….
Novartis ist eine der Hauptsächlichen Macht und Geldquellen der Hochfinanz-Elite welche über die Lobbyisten unsere Demokratie geschickt unterwandert haben. Die Elite der Oligarchen regiert unser Land, und manch einer macht mit, weil für ihn auch noch ein paar Brotkrumen vom Tisch fallen. Das Credo, make Money, make more Money.. es ist die Religion der Oligarchen. Niemand will es glauben, solange die Nahrungsmittel und die Flachbildschirme, sowie die letzte noch legale Droge Alkohol billig sind, geht keiner auf die Strasse. Gebt dem Volk Brot und Spiele, so läuft es leider. Eine Novartis übernimmt keine Verantwortung, es geht nur um Geld. Man erinnere sich an Tamiflu und andere Ereignisse, auch an solche von Nestle. Zuerst machen sie dich krank, und nachher müssen wir ihre Medikamente kaufen, um am Leben zu bleiben.