Die «Antwortmaschinen» sind da. Ist Google bald passé?
Schon gehört von Phind, You, Arc Search oder auch Perplexity? Wenn nicht, dann wird es Zeit, sich damit zu befassen. Denn es handelt sich um rasant aufkommende Alternativen zur jüngst gehypten ChatGPT-Suchplattform, die künftig unter Verwendung der Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) im Idealfall vielleicht sogar Google den Rang ablaufen könnten.
Und das wäre eine ziemliche Revolution. Immerhin dominiert der Tech-Riese aus dem Silicon Valley den Suchmaschinenmarkt bisher mit Anteilen von bis zu 93 Prozent unangefochten. Google war in den vergangenen Jahren aufgrund der umfangreichen Indizierung von Webinhalten, seiner intelligenten Algorithmen zur Auswertung und der geschickten Verknüpfung von Online-Suchanfragen mit Werbebotschaften nicht nur überaus beliebt – das Unternehmen konnte seine Umsätze und Gewinne auch stark steigern.
«Suchmaschinen» verwandeln sich in «Antwortmaschinen»
Doch nun verändert sich das Umfeld. Die neu aufkommenden Anbieter nutzen die sich rasant weiterentwickelnden Methoden der künstlichen Intelligenz, um «Suchmaschinen» in «Antwortmaschinen» zu verwandeln: Im Gegensatz zur herkömmlichen Technologie liefern sie bei einer Suche nicht nur hoffentlich zielführende Links auf die gewünschten Informationen, sondern sie nutzen digitale Sprachmodelle, um wohlformulierte Antworten zu generieren und – vor allem – um diese auch mit Quellen zu unterlegen.
Das ist derzeit einer der wesentlichen Unterschiede zu Google. Der heutige Suchmaschinengigant hatte vor etwa 25 Jahren ähnlich angefangen wie die Newcomer heute, indem er den Nutzen des Internets dadurch revolutionierte, dass der von ihm entwickelte, intelligente Suchalgorithmus das mühsame Stöbern in den verstaubten Schubladen archaischer Verzeichnisstrukturen überflüssig machte. Geschickt bedient und richtig interpretiert, liefert er heute noch ziemlich sinnvolle Hinweise darauf, wo die gewünschten Informationen zu finden sein mögen.
Auf diese Weise ist Google in der westlichen Hemisphäre rasch zur beliebtesten Suchmaschine geworden. Der heutige Grosskonzern wächst in normalen Zeiten deutlich und überaus profitabel, weil er die Daten seiner zahlreichen Nutzer analysiert und ihnen Werbung so zielgenau zuspielt, dass diese bei der Industrie sehr gefragt ist und zum Teil sehr hohe Preise dafür bezahlt werden. Das mag erklären, wieso die Google-Aktien so begehrt sind.
Allerdings ist keineswegs sicher, dass das so bleibt. Denn wie die allgemeine Erfahrung zeigt, gab und gibt es «die nächste grosse technologische Idee» da draussen sehr wahrscheinlich schon immer – und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie die Firmenwelt und die Bedürfnisse der Konsumenten in Form innovativer Produkte und Dienstleistungen durcheinanderwirbelte.
Werden die heute üblichen Suchmaschinen überflüssig?
Stand «die künstliche Intelligenz» schon eine Weile im Verdacht, zu einer Art von technologischer Revolution zu führen, so scheint sich dies nun in Ansätzen zu bestätigen. Die Ergebnisse der aufkommenden KI-Dienste fühlen sich besser an als das, was Google bisher bot – und auch an Zukunftsfantasien mangelt es nicht.
Glaubt man visionären Geistern, so werden clevere Algorithmen künftig beim Surfen im Netz erkennen, welche Informationen der Konsument gerade benötigt, suchen diese heraus und stellen sie ad hoc bestens aufbereitet zur Verfügung. «Antwortmaschinen» dieser Art könnten die heute üblichen Suchmaschinen überflüssig machen, sofern diese sich nicht weiterentwickeln und verbessern, heisst es weiter.
Kein Wunder, beschäftigt sich auch Google schon eine Weile intensiv mit der Weiterentwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz. Der Milliarden-Konzern hat sowohl die finanziellen Mittel als auch das nötige Wissen, um bei der «Revolution» in diesem Bereich auch künftig eine wesentliche Rolle zu spielen. Er will nicht verdrängt werden, so wie er selbst das vor Jahren mit Webregistern à la Yahoo oder Altavista gemacht hat, und erforscht hinter den Kulissen schon seit Jahren Methoden des maschinellen Lernens oder des «Deep Learning».
Sie können künftig bei der Analyse laufender Daten, bei Übersetzungen, bei der Bilderkennung, bei der allgemeinen Kommunikation, bei der Prognose von Ereignissen oder bei der intelligenten Zuordnung von Werbung zu Suchanfragen eine Rolle spielen. Mit Gemini stellte der Internet- und Technologieriese jüngst einen unmittelbaren Konkurrenten zu ChatGPT und anderen KI-Assistenten vor. Gemini soll künftig in viele Google-Angebote integriert werden.
So gesehen scheint es höchst unwahrscheinlich zu sein, dass aufkommende Anbieter wie Perplexity Google als dominierende Suchmaschine vollständig ersetzen werden, zumindest in naher Zukunft. Schliesslich verfügen sie im direkten Vergleich mit dem Platzhirsch nur über begrenzte Ressourcen und dürften es schwer haben, sich gegen die «monopolistische» Marktposition und den Bekanntheitsgrad Googles durchzusetzen.
Der Gründer von Perplexity will Googles Achillesferse ausgemacht haben …
Tatsächlich verbessern die Kalifornier aus Mountain View ihre Angebote nicht nur ständig – auch im Rahmen der Weiterentwicklung der Methoden der künstlichen Intelligenz –, sondern viele Nutzer bevorzugen bisher linkbasierte Suchergebnisse, weil sie mit anderen Diensten wie etwa mit Google-Maps verknüpft werden können. Aber die neu aufkommende Konkurrenz belebt das Geschäft, fördert die technologische Innovation und kratzt möglicherweise etwas an Googles Dominanz.
Aravind Srinivas, der Gründer von Perplexity, dagegen ist zuversichtlicher, weil er die Achillesferse von Google ausgemacht haben will: das Dilemma der Innovatoren. Es besagt, dass selbst grosse, bekannte Unternehmen wie Google untergehen können, weil sie ihre eigenen Standards und Marken gefährden, sobald sie mit aggressiven Innovatoren wetteifern müssen. Sollten sie es jedoch nicht tun, liefen sie Gefahr, der nächsten Innovationswelle zum Opfer zu fallen.
Genau das gebe Aufsteigern eine Chance, indem sie sich zunächst auf eine Marktnische mit anfänglich unterdurchschnittlichen Produkten konzentrierten. Aber aufgrund beharrlicher, unermüdlicher Verbesserungen der eigenen Angebote gelinge ihnen schliesslich der Durchbruch. Auf diese Weise lasse sich erklären, wie die Digitalfotografie dem bis dahin dominierenden Foto-Riesen Kodak den Garaus machte und warum das iPhone von Apple nicht nur die Mobiltelefonie, sondern auch das Geschäft mit den Laptops revolutionierte.
Immerhin hat Perplexity den Vorteil, mit dem Sammeln von Antworten auf Basis einer Vielzahl von grossen Sprachmodellen die analytischen Stärken der einzelnen Varianten und ihrer Preisstrukturen nutzen zu können, um die Qualität der Ergebnisse zu verbessern und um die Kosten zu senken. Ein Durchbruch wäre sogar denkbar, falls sich Srinivas mit seinem Milliarden-Startup mit dem Entwickler der nächsten «Superapp» zusammentun würde. Schon eine Weile ist davon die Rede, dass intelligente Brillen oder smarte Audiogeräte das Pendant zum Touchscreen sein könnten, der die Smartphones weltweit für alle zum unverzichtbaren Alltagsgegenstand machte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.