«Die Angst vor einem globalen Krieg ist gut für das Geschäft»
Seit der letzten grössten Rüstungsmesse Europas in London im September 2021 hätten «der Einmarsch Russlands in der Ukraine und die dramatisch gestiegenen Spannungen in Bezug auf Taiwan und Nordkorea den Waffenherstellern weltweit einen Adrenalinstoss versetzt», berichete die Nachrichtenagentur Reuters über die am 12. September zu Ende gegangene Messe «Defence and Security Equipment International» (DSEI). Reuters zitierte die Führungskraft eines Waffenkonzerns: «Krieg ist gut für das Geschäft».
Unter dem Titel «Die Welt wird weniger sicher – die Waffenbauer profitieren davon» berichtete die ZEIT über die DSEI: «Wegen Russlands Angriffskrieg und Chinas Aufrüstung sind Panzer, Raketen und Drohnen gefragt wie nie zuvor. Das zeigt Europas grösste Rüstungsmesse in London.»
James Cartlidge, der in Londons Regierung für die Beschaffung von Waffen zuständig ist, sagte in seiner Eröffnungsrede: «Wir alle streben nach mehr Sicherheit in einer volatilen Welt. Ein grosser Teil der Schuld für diese anhaltende Unsicherheit liegt in der illegalen und sinnlosen Invasion Russlands in der Ukraine.» Er lobte die Ukrainer, wie rasch sie neue Drohnen und unbemannte Systeme einsetzen, «um den Feind anzugreifen und zu zerstören». Und er wirbt um Partner rund um die Welt, die zusammen mit Grossbritannien aufzurüsten, etwa beim Kampfflugzeug der Zukunft.
Grosser Markt für unbemannte Waffen
Unbemannte Drohnen habe die Ukraine über dem Meer in einem Umfang eingesetzt, mit dem nur wenige westliche Seestreitkräfte derzeit mithalten könnten, meldete Reuters. Bei unbewaffneten Bodenfahrzeugen, die insbesondere für den Nachschub eingesetzt werden, sei die Technologie vermutlich noch ein oder zwei Jahre davon entfernt, wirklich einsatzbereit zu sein.
«Deutschland wird höchstwahrscheinlich vor den Kampffahrzeugen autonome logistische Konvoifähigkeiten einsetzen», sagte Alain Tremblay, Vizepräsident für Geschäftsentwicklung und Innovation beim Rüstungskonzern Rheinmetall.
Grossbritannien könnte das erste NATO-Land sein, das unbemannte Bodenfahrzeuge in seine Landstreitkräfte integriert. Das U.S. Marine Corps sei auch schon daran.
Zu den unbemannten Waffen zählen auch Lenkwaffen mit «Loitering Munition». Diese «herumlungernde Munition» kann sich über einen längeren Zeitraum unbemerkt im Luftraum aufhalten und als Kamikazemunition mit Kamera eigenständig über Zielgebiete kreisen, um dann der Lage angepasst vom Boden gesteuert anzugreifen.
Unbemannte Waffen sind besonders gefragt
Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts stiegen die europäischen Verteidigungsausgaben allein im Jahr 2022 um 13 Prozent, was die Gesamtausgaben weltweit auf ein Allzeithoch von 2,2 Billionen Dollar bringt.
«Wir haben extrem viel zu tun», erklärte Michael Elmore, Vertriebsleiter bei MTL Advanced, einem britischen Unternehmen, das sich auf die Verarbeitung und Herstellung von Panzerstahl spezialisiert hat.
Schon wenige Tage nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 lieferte das Unternehmen Grundpanzerungen für die ukrainischen Kampftruppen. Seither ist die Nachfrage gestiegen, vor allem nach Komponenten für gepanzerte Fahrzeuge.
Das estnische Unternehmen MILREM, ein Marktführer für leichte unbemannte Bodenfahrzeuge, erklärte, dass einige seiner Geräte bereits in der Ukraine für Aufgaben wie die Räumung von Durchfahrten, die Überwachung und die Evakuierung von Verletzten erprobt worden seien.
Erfahrungen auf dem Gefechtsfeld hätten bereits gezeigt, wie bedeutend Nachteinsätze und die Abwehr elektronischer Störsender seien, so CEO Kuldar Vaarsi. «Die Ukraine ist eine sehr interessante Kombination aus Technologien des Ersten und Zweiten Weltkriegs und hochmoderner Technologie», sagte Vaarsi gegenüber Reuters.
Das Beratungsunternehmen McKinsey berichtete, dass Russland wegen eigener Verwendung seine Rüstungsexporte im ersten Jahr nach der Invasion in der Ukraine um 21 Prozent reduzierte. Das machte den Weg frei für westliche Waffenverkäufe in Entwicklungsländer.
Rekordgewinne und Lobbyismus der Rüstungskonzerne
Im Kriegsjahr 2022 erzielten die meisten Rüstungskonzerne rekordhohe Gewinne. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall meldete für 2022 mit 754 Millionen Euro den höchsten operativen Gewinn der Konzerngeschichte. Für 2023 erwartet Rheinmetall einen noch höheren Gewinn. Denn «der Konzern rechnet angesichts der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende mit einem Auftragsboom», schrieb die WirtschaftsWoche.
«Der Ukraine-Krieg rückt den Verteidigungssektor ins Interesse der Anleger», titelte das Finanzportal Finment. Einige Rüstungsaktien wie die US-Werte Northrop Grumman, General Dynamics und Raytheon sowie die Aktien der deutschen Unternehmen Rheinmetall und Hensoldt hätten sogar neue Allzeithochs erreicht.
Rüstungskonzerne sind an übertriebenen Feindbildern und an Konflikten finanziell interessiert. Sie unterstützen Think-Tanks, die Feindbilder an die Wand malen, Ängste verbreiten oder die militärische Kapaziät von Gegnern übertreiben. Publikationen von finanzstarken Think-Tanks sind eine wichtige Quelle für finanzschwache Nachrichtenagenturen und grosse Medien.
Praktisch alle Think-Tanks, welche Medien am meisten zitieren, beziehen Geld des militärisch-industriellen Komplexes (siehe Infosperber vom 9.7.2023).
Am 9. Juni 2023 schlug ein US-Think-Tank sogar vor, der Ukraine taktische Atomwaffen zu liefern, um damit Russland von einem Atomeinsatz abzuschrecken. Absender war das American Enterprise Institute AEI, das ebenfalls von der Rüstungsindustrie Geld erhält.
Rangliste der 15 grössten Waffenhersteller im Jahr 2020. Unterdessen sind die Umsätze stark gestiegen
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Leider haben viele Menschen seit den Römern nichts dazu gelernt. Die Römer folgten dem Motto, «Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor» (si vis pacem, para bellum), Tatsächlich konnten sie in den ca. 750 Jahren von der Gründung der Stadt Rom bis zu Augustus, nur dreimal die Tore des Janustempels schließen. Was immer dann geschah, wenn Rom einmal – ausnahmsweise – in keinen Krieg verwickelt war. Tatsächlich wird die Welt nicht durch mehr Waffen sicherer. Noch immer ging jedem Krieg eine Phase der Hochrüstung voraus. Sicherer wird die Welt durch Abrüstung und den Ausgleich von Interessen. Die EU mit den römischen Verträgen, wonach Kohle, Stahl und Agrarprodukte zu gleichen Bedingungen allen Staaten der EU zur Verfügung stehen, machen heute Kriege zwischen z.B. zwischen Frankreich und Deutschland unvorstellbar. Auch Luxemburg ist eher wegen dieser Verträge sicher als wegen der Stärke seiner Armee.
Beim Lesen des bemerkenswerten Artikels über den globalen Waffenrausch befällt einen das beklemmende Gefühl, religiösen Handlungen beizuwohnen. Das Wort Waffenmesse scheint nicht zufällig gewählt. Die praktizierenden Gläubigen aller Herren Länder folgen einer den Kriegsrausch und den Siegesglauben antreibenden Liturgie des Schreckens. Scheinbar ist man vom entmenschlichten Krieg nicht mehr allzu weit entfernt. Der feuchte Traum aller Kriegstreiber und – an dieser Stelle ein bewusst gesetztes Gender-Signal – Kriegstreiberinnen zwischen Washington, Paris, Brüssel, Berlin, Kiew, Moskau, Riad und Peking ist vermutlich der sich selbst auslösende Krieg, der die Frage nach dem Schuldigen erübrigen soll. Blöd nur, dass die Opfer stets weitgehend unschuldige Menschen bleiben. Wo die Vernunft abhanden kommt, greifen Glaube und Wahn um sich.
Zu diesem Thema gibt es einen sehr passenden Satire-Artikel vom Postillon (April 2017). Wobei sich schon die Frage stellt, wie viel Satire das wirklich ist.
https://www.der-postillon.com/2017/04/aufruestung.html