pic_doerig_rgb_300

Ex-CS-Verwaltungsratspräsident Hans-Ulrich Doerig © PD CS

«Das ist eine Meinung – ich habe eine andere»

Urs Zurlinden /  Ex-CS-Verwaltungsratspräsident Hans-Ulrich Doerig hält nichts vom Nationalbank-Order, das Eigenkapital der Bank weiter zu erhöhen.

Herr Doerig, sprechen Sie inzwischen fliessend Mandarin?
Hans-Ulrich Doerig: Ich habe nie auch nur versucht, Mandarin zu lernen.

Aber Sie waren schon sehr oft in China?
Es dürften über 60 Mal gewesen sein.

China hat sich vom Armenhaus Asiens zur wirtschaftlichen Supermacht gemausert. Wie?
Schon Napoleon hat gesagt: Wenn China erwacht, wird die Welt erzittern. Und es ist so! Fairerweise muss man sagen, dass die chinesische Regierung ein unheimlich schwieriges Problem zu lösen hatte und hat: Nämlich die Ernährung von 1,3 Milliarden Menschen, die zu einem wesentlichen Teil in der Ausbildung zurück geblieben sind. Den Anschluss zu finden an die Weltwirtschaft war ein immens grosses Experiment, das die Regierung äusserst erfolgreich angepackt hat. Dazu kommt: Das chinesische Wesen kann sehr gut auf monetäre Aspekte im Leben getrimmt werden. Der Chinese ist arbeitsam, solange er Erfolge sieht. Deshalb wird auch anerkannt, wenn einer reich wird – und das ist ein Antrieb für Hunderte von Millionen Menschen.

Was kann denn die Schweiz vom Reich der Mitte lernen?
Etwas können wir sicher lernen: Die meisten Chinesen sind sehr wissenshungrig und arbeitsam. Wir müssen aufpassen, diese Eigenschaften zu erhalten.

Die chinesische Wirtschaft wächst jährlich um 8 bis 10 Prozent – und die Menschenrechte bleiben auf der Strecke?
Tatsächlich passen gewisse menschenrechtliche Aspekte nicht in unser basisdemokratisches Verständnis. Allerdings gilt anzumerken: Wenn man 1,3 Milliarden Menschen führen und ernähren muss, sind die Menschenrechte vielleicht nicht gleich wichtig wie in der kleinen Schweiz. Aber Fortschritte sind zu erwarten.

Ein kommunistisches Regime überholt den kapitalistischen Westen. Also hat der Kapitalismus ausgedient?
Nein, aber der Kapitalismus braucht gewisse Reformen. Das sehen wir ja aktuell bei der Bankengesetzgebung.

Sie schreiben in Ihrem neuen Buch von einer tektonischen Verschiebung der Weltwirtschaft. Das tönt dramatisch?
Es ist auch dramatisch! Und eine meiner Absichten war mit dem Buch, darzustellen was in Asien versus in Europa geschieht. Es ist eben nicht nur China, sondern auch Indien und Indonesien haben sich in den letzten zehn Jahren komplett verändert. Dessen müssen wir uns bewusst sein: Wenn wir uns nicht nach der Zukunftsfähigkeit der Schweiz ausrichten, dann werden wir ein gewaltiges Problem haben angesichts der zunehmenden Wissenskonkurrenz und Akzeptanz des Unternehmensgeistes. Wir dürfen Asien nicht unterschätzen! Ein Beispiel: Noch vor wenigen Jahren belächelten wir die koreanischen Autos wie Hyundai. China verfügt über die weltweit grössten Währungsreserven.

Länder wie Griechenland und Spanien könnten sich doch von Peking sanieren lassen?
Vielleicht nicht gleich total sanieren – so grosszügig werden auch die Chinesen nicht sein. Aber das geschieht ja zum Teil schon: Zwischen Portugal und China beispielsweise bestehen Finanzierungsprogramme. Dazu kommen indirekte staatliche Beihilfen in Form von Beteiligungen an Telekommunikations- und Infrastrukturunternehmen.

Soll die Nationalbank den starken Franken gegenüber dem schwächelnden Euro weiter stützen?
Die Nationalbank hat bisher ihre Arbeit diesbezüglich gut gemacht. Das Timing letzten September war ok, der Schweizer Franken wurde mit Erfolg verteidigt.

Einflussreiche Leute wie Ihr Berufskollege Oswald Grübel und SVP-Stratege Christoph Blocher empfehlen die Freigabe des Wechselkurses. Sie auch?
Ich habe das Vertrauen, dass die SNB ihre Arbeit diesbezüglich gut machen wird.

Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler vermisst eine Exitstrategie der Nationalbank. Tickt da eine Zeitbombe?
Die Nationalbank hat, da bin ich überzeugt, sicher Alternativstrategien bereit.

Für Bigler ist die SNB ein eigenkapitalloses Ungetüm. Ist sie das?
Beim heutigen Ausmass nicht.

Was halten Sie von der jüngsten Milliarden-Hilfe für die spanischen Banken?
Die spanischen Banken sind ein spezielles, ein internes Problem: Sie haben bei der Finanzierung von Liegenschaften seit Jahren übertrieben. Im Interesse von Spanien und von Europa ist eine Bankenrettung sicher richtig. Hoffentlich wird es so geschehen, dass es für den Steuerzahler nicht allzu blutig wird.

Das Geld fliesst in die Banken – und dann gleich in die marode spanische Staatskasse: ein Teufelskreis?
Das ist übertrieben. Ich gehe davon aus, dass maximal 100 Milliarden benutzt werden, um das fehlende Eigenkapital aufzustocken, damit die Banken wieder vernünftige Kredite sprechen können.

Angesichts der anhaltenden Griechenland-Krise haben die Grossbanken UBS und CS interne Stresstests durchgeführt. Mit welchem Ergebnis?
Wir sind, und das gilt für beide Grossbanken, im Vergleich zu anderen Banken gut positioniert. Wir sind nach der Finanzkrise 2008 auch in dieser Euro- und EU-Krise insofern gut positioniert, dass direkte Verluste wirklich begrenzt sind.

Die Nationalbank ist da völlig anderer Meinung und fordert die Grossbanken auf, ihr Eigenkapital rasch zu erhöhen.
Das ist eine Meinung – ich habe eine andere.

Falls Griechenland den Euro fallen lässt, verliert der Europäische Aktienmarkt um 15 bis 20 Prozent. Teilen Sie solch düstere Prognosen?
Diese 15 bis 20 Prozent sind möglich allenfalls aber schon diskontiert. Jedoch ist das ja genau der Punkt, wo der erwähnte Cash bereit liegt. Und das ist dann sicher der Zeitpunkt für mehr Risikokapital. Die Geschichte zeigt immer wieder: Es ist eine Frage der Zeit, bis Aktien wieder populär sein werden. Die Welt lebt nicht von Krisen alleine.

Wie haben Sie denn Ihr Geld angelegt?
Ähnlich wie die Unternehmen: in Cash, kurzfristige Bonds, einige Aktien inkl. CS Aktien und Wohneigentum. Ich werde CS CoCos zukaufen.

Was raten Sie dem Kleinsparer?
Man muss vorsichtig bleiben. Einem Kleinsparer würde ich nie empfehlen, Einzelaktien zu kaufen. Vielleicht ist man gut beraten, wenn man eine Zeit lang die Geduld für Cash aufbringt.

Gekürzte Fassung eines Interviews, das am 17. Juni in der Südostschweiz erschienen ist.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

3065502515_fcf0d5f0f2

Die Euro- und Währungskrise

Noch mehr Geldspritzen und Schulden bringen die Wirtschaft nicht mehr zum Wachsen. Sie führen zum Kollaps.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.