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Angeben mit einem Porsche am Salon 2011: Auch im 2012 dominieren Spritfresser © Porsche AG

Abgase und Lärm: «Die Politik muss regulieren»

Urs Zurlinden /  Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft in Deutschland, zweifelt, dass Hersteller selber Richtung «grün» gehen.

Red. Am Autosalon, der am 8. März in Genf beginnt, dominieren immer noch starke Benzinfresser. Die «grüne Welle» ist abgeflacht. Urs Zurlinden hat den langjährigen Marktforschungsleiter der Porsche AG und heutigen Professor für Automobilwirtschaft und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Dusiburg-Essen interviewt.
INTERVIEW
Herr Dudenhöffer, teure und sportliche Autos bleiben gefragt?
Richtig. Bei teuren und sportlichen Autos schwingen immer Emotionen mit. Da muss man sich nicht wundern, dass die Ferraris und die hochwertigen Cabriolets im teuren Genf eine gute Plattform haben. Zudem bleiben die Kunden gerne an den leistungsstärkeren Fahrzeugen hängen. Aber die Zukunft liegt eher in den kleineren Fahrzeugen als bei einem Ferrari mit 740 PS, wie er nun neu gezeigt wird.
Auf dem amerikanischen Markt gilt hingegen immer noch: «Big is beautiful». Die Benzinfresser mit ihren grossen V-6 und V-8 Motoren bleiben in?
Ja, die Spritfresser bleiben in Amerika in – noch. Allerdings entscheidet der Benzinpreis mit: Steigen die Preise, nimmt man sich kurzfristig etwas vor, das man dann schnell wieder vergisst – und bleibt dennoch bei den grossen Fahrzeugen. In Amerika wird sich das nun ändern, weil die staatliche Regulierung ein Umdenken fordert: Gemäss einer Vorgabe der US-Regierung dürfen PKWs ab Modelljahr 2025 nur noch maximal 4,3 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen. Das ist wie in Europa: Ohne die CO2-Grenzen würden wir heute noch mit mehr Spritverbrauch herum fahren. Nicht der Autofahrer entscheidet sich für das klimafreundlichere Fahrzeug, sondern der Politiker muss ihm mit den entsprechenden Regulierungen helfen, sich in die richtige Richtung zu bewegen.
Vor einem Jahr prognostizierten Sie: «Das Auto wird grün und intelligent.» Wo bleibt die grüne Welle?
Das ist ein Teil unseres Problems: Die grüne Welle flacht momentan ab.
Wie kommt’s?
Es hat etwas länger gedauert, bis diese Fahrzeuge auf den Markt kamen. Und vieles, was die Politiker versprochen haben, um diese Fahrzeuge attraktiv zu machen, ist nicht eingetreten. Man könnte sich nach wie vor Innenstädte vorstellen, die nur noch von CO2-freien Fahrzeugen benutzt werden dürfen. Alle diese Anstösse haben bisher gefehlt. Doch das grüne Auto wird seinen Weg machen.
Welchen Marktanteil prognostizieren Sie für saubere Autos?
Saubere Autos können natürlich auch Erdgasfahrzeuge oder solche mit kleinen Benzinmotoren sein. Bei den reinen Hybrid- und Elektrofahrzeugen werden bis 2025 rund ein Viertel der weltweit verkauften Fahrzeuge ein solches Antriebssystem haben.
Wird der Lärm zum Verkaufsargument?
Absolut! Wer einmal ein Elektroauto gefahren ist, ist begeistert.
Wann kommen die leisen Pneus?
Bei den Pneus müssen jeweils mehrere Kriterien erfüllt sein: Sie wollen die gute Haftung – und zwar bei Sonne, Schnee und Regennässe, sie wollen den geringen Rollwiderstand für weniger Benzinverbrauch und sie wollen mit leisen Reifen unterwegs sein. Die Reifenindustrie macht viel, um in diesem mehrdimensionalen Gebilde zu optimieren. Aber den Reifen, der alles gleichzeitig kann, wird es wohl nie geben.
Die EU will den Autolärm von heute 74 auf 68 Dezibel senken. Geht das?
Das geht absolut problemlos. Wir sind immer wieder überrascht, wie gut unsere Ingenieure mit neuen Standards umgehen können. Vorraussetzung ist: Wir müssen nur etwas Zeit geben, um diese Standards in die Fahrzeuge rein zu bringen.
Ein Modell von Porsche kann per Knopfdruck besonders laut aus dem Auspuff röhren. So machen sich Autofahrer nach wir vor höchst unbeliebt?
So etwas wäre vom Gesetzgeber her schlicht zu verbieten.
Auch die Autoraser diskriminieren eine ganze Branche. Wie reagieren die Hersteller?
Die Hersteller können das individuelle Verhalten nicht beeinflussen. Aber es ist sicher nicht besonders schlau, wenn Hersteller einen Kleinwagen mit 250 PS auf den Markt bringen. So wie Audi, das einen A1 quatro zur Rennmaschine macht. Das sind Sachen aus von gestern und vorgestern. Die Autobauer könnten mehr gewinnen, wenn sie mit weniger PS intelligenter unterwegs wären.
Der schwache Euro wirkt sich nun doch auf den Schweizer Markt aus: Die Preise purzeln – die Nachfrage steigt.
Im stark abgeschotteten Markt der Schweiz sind die höchsten Preise Europas. In ganz Europa wurden die Preise durch den Euro und durch den freien Export und Import von Fahrzeugen stark angeglichen. Die Schweiz braucht mehr Marktöffnung, sodass die Schweizer ihre Fahrzeuge problemloser im Ausland kaufen können. Dann lässt sich mehr Preisdruck entfalten.
Wie gross sind denn die Margen im Autohandel?
Ein Autohändler muss Kosten im Rahmen von acht bis neun Prozent des Verkaufspreises abdecken können. Hat er eine geringere Marge, dann schreibt er rote Zahlen. In Deutschland liegen die Umsatzrenditen bei zwei Prozent. Wenn ein Händler also ein Auto für 100000 Euro verkauft, bleiben ihm 2000 Euro übrig – in so ein Geschäft wird kein Bänker reingehen…
Vor allem die Internet-Vermittler drücken die Preise. Was ist falsch daran?
Die Internet-Vermittler sind ein wichtiges Regulativ, um über zukünftige Vertriebssysteme nachzudenken. Die Autobauer verkaufen ihre Fahrzeuge immer noch wie vor 100 Jahren: Sie haben dieses teure Autohaus, wo der Verkäufer drin sitzt und wo die Fahrzeuge zum Anfassen herum stehen. Dabei leben wir heute in einer Zeit, wo die Menschen Weltreisen für 40000 Euro buchen über einen Klick im Internet. Unsere Autos werden immer noch so verkauft wie zu Beginn unserer Mobilität. Die Autobauer sollten sich einmal überlegen, welche Kundenkreise interessiert wären, mit weniger Vertriebskosten und dann halt auch mit weniger Service auszukommen.
Hat das Online Shopping von Autos eine Zukunft?
Ich denke ja. Es gibt Menschen, welche die ausführliche Beratung wollen, für andere ist hingegen der Preis das wichtigste Kriterium.
Würden Sie ein Auto per Mausklick kaufen?
Ja sicher! Alle Autos, die ich bisher gekauft habe, habe ich per Telefon oder e-mail gekauft. Ich habe auch noch nie eine Probefahrt gemacht, sondern alle Autos aus dem Katalog ausgesucht.

Dieses (hier gekürzte) Interview erschien am 4.3.2012 in der Südostschweiz


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Ferdinand Dudenhöffer wurde am 29. Juni 1951 in Karlsruhe geboren. Von 1972 bis 1977 studierte er an der Universität Mannheim Volkswirtschaftslehre und promovierte 1983. Von 1985 bis 1987 arbeitete er bei der Adam Opel AG und leitete dann bis 1990 die Marktforschung bei der Porsche AG. Von 1996 bis 2008 war er Professor an der FH Gelsenkirchen, 2008 übernahm er an der Universität Dusiburg-Essen den neuen Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft. Ferdinand Dudenhöffer ist verheiratet und lebt in Bochum.

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