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Luftbild einer Fischfarm (Videoscreenshot) © Animal Equality UK

Zuchtlachs heisst in Schottland nur noch «Lachs»

Daniela Gschweng /  Weil die Wildbestände so gut wie leergefischt sind, wird Zuchtlachs aus Schottland als «Schottischer Lachs» geschützt. Seriously?

Woher stammt der Fisch, den ich kaufe? Das können Konsument:innen in der Regel auf der Packung nachlesen oder beim Händler erfragen. Sie wissen dann, ob ihr Fisch aus einer Fischzucht stammt oder wild gefischt wurde. Bei schottischem Lachs können sie das in Zukunft nur noch schwer unterscheiden.

Die Angabe «Scottish farmed Salmon» muss nicht mehr prominent auf der Verpackungsfront stehen. Stattdessen wird daraus ganz einfach «Scottish Salmon». Das hat das britische Ministerium für Umwelt und Ernährung (Defra) Ende April entschieden. Im Kleingedruckten auf der Rückseite muss die Angabe weiter gemacht werden.

Weil es kaum noch wilden Lachs gibt, wird einfach alles «Lachs»

Der Verband Salmon Scotland begrüsste die Annahme seines Antrags. «Wenn Konsumenten von schottischem Lachs sprechen, meinen sie Atlantischen Lachs aus schottischer Zucht – und diese Änderung macht das deutlich», zitierten mehrere Medien, unter anderem der «Guardian».

Mit anderen Worten: Weil es ohnehin kaum noch Wildlachs gebe, sei es unnötig, zwischen Fischen aus Aquakulturen und Wildfang zu unterscheiden. Dass sie Zuchtlachs kaufen, sei den Kunden im Supermarkt seit langem bekannt.

Die Neuregelung der Defra ersetzt eine EU-Regulierung zu geschützten geografischen Herkunftsangaben. Solche Kennzeichnungsregeln schützen beispielsweise auch schottischen Whisky.

Mehrere Organisationen legen Rechtsmittel ein

Ganz so einfach wollen das die betroffenen Konsument:innen nicht akzeptieren. Die Gleichmacherei von Wild- und Zuchtfischen wird von mehreren Seiten kritisiert. Zwei Organisationen haben offiziell Berufung gegen die Genehmigung des Antrags eingelegt.  

Die Label-Änderung sei eine Täuschung der Konsument:innen und nichts weiter als Greenwashing sagt «WildFish». Zuchtlachs sei Lachs, der in schottischen Zuchten aufgezogen werde, aber kein «schottischer Lachs». Die Lachszucht in Schottland sei hochproblematisch und nicht nachhaltig, begründet «Animal Equality UK» ausserdem. Die Regelung verstosse gegen EU-Recht, machen beide Organisationen geltend.

Der atlantische Lachs (Salmo salar) wird von der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (ICUN) seit Ende 2023 als bedrohte Art auf der Roten Liste geführt. Seit 2006 sind die Bestände weltweit um 23 Prozent eingebrochen, in Grossbritannien um 30 bis 50 Prozent.

Schottischer Lachs andererseits ist das grösste Lebensmittelexportgut des Vereinigten Königreichs. Der internationale Absatz belief sich im vergangenen Jahr auf fast 700 Millionen Franken.

Wilder Lachs verschwindet auch wegen der Lachszucht

Die Zucht von Lachsen in offenen Netzen trägt zum Verschwinden der Wildfische bei. Die Haltungsbedingungen werden seit Jahren kritisiert. Lachse werden auf engem Raum gehalten und sind oft von Parasiten oder Krankheiten befallen. Medikamente und Pestizide, die die Betreiber dagegen einsetzen, verschmutzen das Wasser (Infosperber berichtete schon 2020). Fischkot und andere Abfallprodukte verändern auch die Umgebungsbedingungen.

Gefüttert werden die Raubfische mit Fischmehl aus kleineren Fischen. Diese werden an anderen Orten gefischt und fehlen dort in der Nahrungskette. Das schadet den Fischbeständen vor Ort und bringt die lokale Bevölkerung in Not (Infosperber berichtete).

Die Ausfallquoten in den meisten Lachszuchten sind extrem hoch. 2023 starb in Grossbritannien eine Rekordzahl an Zuchtlachsen. Bilder von mit Lachsläusen befallenen Zuchtfischen mit zerfressenen Köpfen gingen um die Welt. Im Januar forderten mehrere Organisationen, schottischen Lachsfarmen das Bio-Label zu entziehen.

200 Köche und Restaurants sowie 60 Wohltätigkeits- und Nichtregierungsorganisationen unterstützen die WildFish-Kampagne «Vom Tisch» («Off the Table»), die Köche und Restaurants auffordert, Zuchtlachs von ihren Speisekarten zu streichen.

Problematisch: wenn kranke Lachse aus der Zucht entkommen

Es kommt nicht selten vor, dass Zuchtlachse aus ihren Netzen entkommen. Die Fische können dann Krankheiten übertragen und schwächen den lokalen Genpool. In Norwegen bietet ein Betreiber abenteuerlustigen Anglern und Anglerinnen derzeit rund 60 Franken für jeden eingefangenen Zuchtfisch.

Anfang Mai seien dort 14’000 Lachse aus einer Fischfarm entkommen, meldete der Betreiber. Inzwischen korrigierte er die Zahl der entkommenen Fische auf 8000. Essen möchte man die Tiere womöglich sowieso nicht. Sie leiden unter einer bakteriellen Infektion der Nieren namens BKD.

Falls Sie weder die bedrohten Wildbestände noch die fragwürdigen Zuchtlachse essen möchten, können sie unter anderen Fischarten auswählen. Die Auswahl ist allerdings nicht allzu gross und schrumpft weiter. Die deutsche Verbraucherzentrale empfahl 2023 noch zwölf Fischarten auf ihrer «Guter-Fisch-Liste».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Die Autorin dieses Beitrags betätigt sich ehrenamtlich im Vorstand des Vereins fair-fish international. Fair-fish setzt sich für den Tierschutz in Fang, Aquaristik und Aquakultur unter fairen und nachhaltigen Kriterien ein.

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