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So uneinheitlich wie die Preise für Strom sind auch die Kosten der Stromproduktion © bj/IS

Wie hoch welcher Strompreis wirklich ist

Hanspeter Guggenbühl /  Kostet Strom 2,8 oder 30 Rappen/kWh? Beides stimmt. Wichtig ist, zu wissen, um welchen Strom es sich handelt. Dazu ein Überblick.

Schweizer Atom- und Wasserkraftwerke rentieren nicht mehr, weil der Verkaufspreis von Strom auf 2,8 Rappen pro Kilowattstunde (kWh) gefallen sei. Diesen Eindruck vermittelten die kürzlich publizierten Geschäftsresultate des Stromkonzerns Alpiq. Denn die offiziellen Produktionskosten des AKW Gösgen betragen 4,5 Rappen, jene der Alpiq-Wasserkraftwerke im Schnitt 6,5 Rappen/kWh (siehe auch «Wie die Alpiq den Strommarkt kreativ austrickst» auf Infosperber).
Spektrum von 2,8 bis 30 Rappen
Frau Meier, wohnhaft in einem sparsamen Haushalt im Kanton Bern, reibt sich die Augen: Für die 1600 kWh Strom, die sie letztes Jahr verbrauchte, bezahlte sie der Berner BKW 480 Franken. Macht 30 Rappen pro kWh, mehr als zehnmal so viel, wie in der Zeitung steht. Dann schaut Frau Meier ihre Rechnung nochmals an und stellt fest: Die «Energie», also der Strom allein, kostete «nur» 11,4 Rappen/kWh; die übrigen Kosten betrafen Netzgebühren und Abgaben. Trotzdem: Die 11,4 Rappen sind immer noch doppelt so hoch wie die erwähnten Produktionskosten von Atom- und Wasserkraftwerken.
Was stimmt jetzt? Alle genannten Zahlen sind richtig. Doch Strom ist nicht gleich Strom. In der Stromversorgung – vom Kraftwerk über die Strombörsen bis zur Steckdose der Haushalte – gibt es so grosse Preisunterschiede wie zwischen rohen Äpfeln in der Mosterei und Apfelkuchen an der Zürcher Bahnhofstrasse. Das Gleiche gilt für die Produktionskosten. Nachstehend der Versuch, etwas Klarheit in die Vielfalt der Strompreise und Stromkosten zu bringen.
Vom Börsenpreis zum Monopoltarif
● MARKTPREISE 2,8 Euro-Cent oder 3,1 Rappen/kWh betrug am 11.3.2016 der Spotmarktpreis an der europäischen Strombörse; dies für eine kWh Bandstrom in Deutschland. Bei diesem Preis werden sogar schwarze Kohlenkraftwerke rot. Für die Schweiz lag der Börsenpreis (Swissix) hingegen bei 3,7 Rappen für Bandstrom (Lieferung rund um die Uhr) und 4,0 Rappen/kWh für Strom tagsüber. Den Grossteil ihrer heutigen Produktion haben die Schweizer Stromfirmen aber schon 2013 bis 2015 auf Termin verkauft, sei es über die Strombörse oder direkt an marktzutrittsberechtigte Grossverbraucher und Verteilwerke. Die alten Terminpreise waren höher als die heutigen Spotmarktpreise für die Schweiz. Die Differenz zwischen tatsächlich erzielten Marktpreisen und Produktionskosten ist damit kleiner, als es die eingangs erwähnten Alpiq-Zahlen zeigen. Aber es stimmt: Die Vollkosten der meisten Schweizer Kraftwerke sind höher als die aktuellen Marktpreise.
● MONOPOLTARIFE BERN Bei den 11,4 Rappen, welche die BKW der sparsamen Frau Meier für den Strom (exklusive Netzgebühren etc.) verrechnete, handelt es sich um den Monopoltarif 2015; dies für einen Mix aus Band- und Spitzenstrom für Haushalte mit einem jährlichen Stromverbrauch bis 1600 kWh. Hätte Frau Meier 4500 kWh Strom verschwendet, hätte die BKW sie mit einem etwas tieferen Monopoltarif belohnt. Wäre Meier eine stromintensive Firma, die pro Jahr mehr als 100’000 kWh verbraucht, hätte sie Zutritt zum Markt und müsste nur noch 4 bis 7 Rappen/kWh zahlen. Grund für die Differenz:
Den in ihrem Monopol gefangenen Kunden darf die BKW die Produktionskosten ihrer eigenen Kraftwerke verrechnen (für die sparsame Frau Meier wählte sie offensichtlich ein besonders teures Kraftwerk).
● MONOPOLTARIFE OSTSCHWEIZ Zöge die Bernerin 2016 in die Ostschweiz, zum Beispiel nach Illnau im Kanton Zürich, so sänke ihr Monopoltarif auf 6,5 Rappen/kWh (immer ohne Netzkosten). Denn die Gestehungskosten, die Stromverteiler ihren Kunden im Monopol verrechnen dürfen, sind beim Zürcher Kantonswerk (EKZ) tiefer als bei der BKW. Grund: Das Zürcher EKZ bezieht den Strom inzwischen zu Marktpreisen; dies vorwiegend von der Axpo. Unter anderem darum schreibt die Axpo, die wie die Alpiq selber keine Monopolkunden mehr hat, heute ebenfalls rote Zahlen, nicht aber das Verteilwerk EKZ.
Im Schweizer Durchschnitt lag der Monopoltarif für Strom (exklusive Netztarif und Abgaben) im Jahr 2015 bei rund 8 Rappen pro kWh, im Jahr 2016 leicht tiefer. Dieser mittlere Monopoltarif Tarif ist höher als die Produktionskosten der meisten Schweizer Kraftwerke. Das heisst: Die Stromversorgung von im Monopol gefangenen Kleinverbrauchern ist immer noch rentabel.

Produktionskosten, fix und variabel
So uneinheitlich wie die Preise sind auch die Kosten der Stromproduktion: Bei Schweizer Wasserkraftwerken schwanken sie im Extremfall zwischen weniger als 4 und mehr 15 Rappen/kWh, je nach Werk und Kalenderjahr. Im Durchschnitt betragen die Produktionskosten aller Schweizer Wasserkraftwerke schätzungsweise 6 Rappen/kWh. Die Kosten der Atomkraftwerke bewegen sich, je nach Werk und Jahr, zwischen 4,5 und 7,0 Rappen/kWh. Dabei handelt es sich immer um die Vollkosten Dabei ist aber zu differenzieren zwischen fixen und variablen Teilen:
Bei Atom- und Wasserkraftwerken fallen die fixen Kosten (Amortisation der Investitionen, Einzahlungen in Entsorgungsfonds etc.) stärker ins Gewicht als die Betriebskosten (Wasserzinsen, Preis für Kernbrennstoffe, Personal, etc.). In der Regel sind die variablen Kosten auch heute immer noch tiefer als die tiefsten Marktpreise. Darum lassen die Betreiber ihre Atom- und Wasserkraftwerke weiter laufen, obwohl die meisten ihre Vollkosten nicht decken können. Abstellen lohnt sich erst, wenn grosse Investitionen anstehen wie etwa beim Berner KKW Mühleberg.
Differenzen gibt es auch bei der Qualität des Stroms: Am wertvollsten (und teuersten) ist Strom aus Pumpspeicher- und Speicherkraftwerken, die das in Stauseen gespeicherte Wasser dann verstromen, wenn Nachfrage und Preise hoch sind. Darum ist es Unsinn, die Gestehungskosten von Wasserkraftwerken mit den Börsenpreisen für Bandstrom in Deutschland zu vergleichen, wie verschiedene Medien das in den letzten Tagen taten. Atomkraftwerke hingegen erzeugen unflexibel Bandstrom rund um die Uhr. Auch Wind- und Solarstrom, deren Erzeugung vom Wetter abhängt und unvorhersehbar schwankt, ist weniger wert als Spitzenstrom aus Stauseen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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