Wenn IP-Suisse drauf steht, ist es noch lange nicht drin
Bei den Grossverteilern ist das IP-Suisse-Gütesiegel – ein Marienkäfer – auf vielen Lebensmitteln zu finden, etwa auf Brot, Milch, Rahm, Käse, Zucker oder Butter.
10’000 Schweizer Bauern produzieren unter diesem Label. Es ist weniger streng als das Bio-Label. Die Organisation IP-Suisse vermarktet die integriert produzierten Lebensmittel als «gesunde Qualitätsprodukte mit einem hohen ökologischen Mehrwert». Konkret heisst das: Im Brotweizen sind zum Beispiel chemische Mittel gegen Pilze und Insekten verboten. Die Milch stammt von Kühen, die kein Soja-Futter erhalten und im Sommer an mindestens 26 Tagen draussen sind.
Viele Konsumenten sind bereit, für solche Produkte mehr zu bezahlen. Sie dürfen davon ausgehen, dass sie für den höheren Preis auch gesündere Milch oder gesünderes Brot erhalten. Doch das ist nicht immer der Fall.
Denn etliche Produkte mit dem IP-Marienkäfer haben zusätzlich ein kleines Sternchen aufgedruckt – und mit diesem unscheinbaren Zusatz ist das Label nichts wert. Denn das Sternchen bedeutet, dass beim Abpacken nicht unterschieden wird zwischen integrierter und konventioneller Produktion. Es ist sogar möglich, dass in einer IP-Milch-Packung ausschliesslich Milch von Kühen ohne Auslauf oder in einem IP-Brot nur mit Insektengift behandelter Weizen drin ist. Das machte der «K-Tipp» (Bezahlschranke) letzten Frühling publik.
Mengenausgleich heisst: Alles kann drin sein
IP-Suisse erklärt den Konsumenten auf der Rückseite der Produkte im Kleingedruckten: «In IP-Suisse-Qualität mit Mengenausgleich». Was ein Mengenausgleich ist, steht dort nicht. Deshalb erfahren die Konsumenten auch nicht, dass das Produkt gar nicht IP-Suisse-Qualität hat, sondern gemischt ist mit konventionellen Produkten – im schlechtesten Fall sogar überhaupt nichts aus IP-Produktion enthält.
Ob das nicht eine Irreführung der Konsumenten sei, wollte Infosperber von IP-Suisse wissen. Marcel Schenk sagt, dies sei keine Irreführung. Es seien ja alle Produkte gekennzeichnet, lautet seine Begründung. «Glauben Sie, dass die Konsumenten wissen und begreifen, was ‹Mengenausgleich› bedeutet?», fragte Infosperber weiter. Marcel Schenk behauptet: «Das Prinzip des Mengenausgleichs ist bekannt.»
So funktioniert der Mengenausgleich
Die Organisation IP-Suisse räumt sich die Ausnahme mit dem Mengenausgleich ein, weil sie damit IP-Suisse-Erzeugnisse fördern will. Im Reglement heisst es: Werde auf den Mengenausgleich hingewiesen, müsse das IP-Erzeugnis «nicht effektiv im Erzeugnis drin sein, jedoch muss die notwendige Menge vom Unternehmen in der definierten Periode eingekauft werden». Weiter heisst es: Diese Variante könne nur angewendet werden, wenn «die zeitliche und physische Trennung der IP-Erzeugnisse nicht möglich ist».
Produkte mit dem IP-Mengenausgleich-Label gibt es vor allem bei Migros und bei Coop. Sie verkaufen unter anderem Rahm, Raclettekäse, Butter, Quark und Zucker zum höheren IP-Suisse-Preis, obwohl es gar keine echten IP-Suisse-Produkte sind.
Im Reglement von IP-Suisse heisst es, dass der Mengenausgleich nur in Ausnahmefällen erlaubt sei, nämlich dann, wenn es nicht möglich sei, die Produkte zu trennen. Coop und Migros bieten aber nicht die gleichen Produkte mit Mengenausgleich an. So kann die Migros offenbar ihre IP-Milch nicht getrennt verarbeiten. Doch Coop ist sehr wohl imstande, reine IP-Milch anzubieten.
Infosperber wollte deshalb von der Migros eine Erklärung dafür. Darauf antwortete die Pressestelle: «Mit dem Mengenausgleich können wir die Mehrkosten für die Warenbeschaffung und -verarbeitung in einem für die Kundinnen und Kunden vernünftigen Rahmen halten.» Oder mit anderen Worten: Der Migros ist es zu teuer, die IP-Milch von der konventionellen zu trennen. Deshalb zahlen die Konsumenten zwar mehr für den Marienkäfer auf der Packung, erhalten aber nicht gesündere Milch.
Auch das neue Logo ist unverständlich
Mittlerweile ist IP-Suisse offenbar bewusst geworden, dass das bisherige Logo mit dem Sternchen nicht genügt. Denn ab Januar wird ein neues Label aufgedruckt, bei welchem nun der Begriff «Mengenausgleich» wenigstens direkt im Logo integriert ist. Allerdings macht das den Sachverhalt nicht verständlicher.
Dass IP-Suisse-Produkte «besonders umweltfreundlich, nachhaltig und weitgehend ohne Pestizide hergestellt» werden, wie IP-Suisse vollmundig erklärt, dürfte sowieso beschönigend sein. Gerade kürzlich ergab eine Stichprobe von «Saldo» (Bezahlschranke), dass sich in 6 von 15 Kartoffel-Proben das Pilzgift Propamocarb nachweisen liess. In den IP-Suisse-Richtlinien ist das Mittel nicht verboten. Prompt hatten 3 der 6 Proben den IP-Suisse-Marienkäfer aufgedruckt. Nur eine IP-Probe war giftfrei.
Warum es Zuckerprodukte nur mit Mengenausgleich gibt
Die Zuckerproduktion dauert von Ende September bis Ende Dezember. Während dieser Zeit laufen die beiden Fabriken in Aarberg BE und in Frauenfeld TG an sieben Tagen pro Woche und 24 Stunden pro Tag. Sie werden von Zuckerrübenbauern aus der ganzen Schweiz beliefert. «Müsste die Produktion unterbrochen werden, um abwechselnd konventionellen und IP-Zucker zu produzieren, würde dies sehr grosse Mehrkosten für die Zuckerindustrie verursachen», sagt Marcel Schenk von IP-Suisse. Derzeit gebe es auch gar nicht genug IP-Suisse-Zuckerrüben, um unvermischten IP-Zucker herzustellen. Es gelte aber trotzdem die Regel, dass nicht mehr IP-Zucker verkauft werden dürfe, als IP-Rüben gekauft wurden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
IP-Suisse ist vor allem eines NICHT: Bio!
Wenn ich Esswaren einkaufe schaue ich nie auf solche Logos. Das ist doch alles nur Schein. Ist wie TV-Sendungen, die rechts oben vermerken «nachhaltig produziert».
Agrar- Rohstoffhändler operieren weltweit. Deren Gewinne sind : Cargill, 141 % = 6680 Millionen, COFCO 364 %, = 1498 Millionen, Bunge 1421 % = 2078 Millionen, LDC 146 % = 697 Millionen, ADM 63 % = 2709 Millionen. Cargill, Glencore, LDC und ADM haben ihren Sitz in der Schweiz. Nestlé hat ihren Sitz in der Schweiz. Sie verdient mit Verkauf von Trinkwasser jährlich Millionen.
Es ist richtig dass IP Label kritisiert werden. Angesichts obiger Rohstoffhändlerinfo’s ist das aber nur der berühmte Tropfen auf den heissen Stein. Leider sieht die Mehrheit des Schweizer Volkes dies noch nicht, oder will es nicht sehen.
Würden die Rohstoffe separat verarbeitet wäre das ganze teurer als Bio und ökologisch eine Katastrophe da alles separat transportiert werden müsste. Das macht keinen Sinn. Wer solche Produkte kauft, unterstützt eine natürliche Produktion ohne Pflanzenschutzmittel und zudem wird die Biodiversität mit vielen kleinen Anreizen gefördert. Dahinter stehen Organisationen wie Pro Natura, Vogelschutz, WWF usw.. Ich finde es gut wenn Landwirte auf diese Produktion setzen und die Grossverteiler auch diese Produkte verkaufen können. Jeder macht es freiwillig. Deshalb finde ich es traurig wenn man das Ganze nur einseitig anschaut und behauptet es sei gar nicht das drinnen was drauf steht. Viel schlimmer finde ich es wenn z.B. Import Weizen verarbeitet wird und danach dies nicht gekennzeichnet werden muss wenn 80% Schweizer Ware drinnen ist. Die 20% werden fast immer ausgereizt.
Die klassischen Grossverteiler richten mit der irreführenden Kennzeichnung weiteren Reputationsschaden an. Das Vertrauen der Konsumenten ist das wichtigste Gut, die Discounter haben das Thema wohl besser im Griff…