Flugmode

Die Fast-Fashion-Industrie lässt tonnenweise Kleider in der Welt herumfliegen. © opak

Unnötige Luftfracht: Auch Unterwäsche kommt mit dem Flieger

David Hachfeld / Public Eye /  Flugmode ist nicht nur bei Zara und Shein verbreitet. Auch andere Unternehmen lassen tonnenweise Kleider in der Welt herumfliegen.

Der Inditex-Konzern mit seiner Hauptmarke Zara fliegt gewaltige Mengen Kleider in der Welt herum. Das zeigen Recherchen von Public Eye zu Flugmode (Infosperber berichtete). Doch der spanische Fast-Fashion-Gigant ist damit nicht allein: Auch bei Calzedonia und Lululemon, bei Roger Federers Sponsor Uniqlo und anderen Modeunternehmen gibt es Hinweise auf tausende Tonnen unnötiger Flugfracht.

Nur wenige Textilunternehmen berichten bislang freiwillig darüber, wie sie ihre Produkte transportieren. Und öffentliche Statistiken, insbesondere von den grössten Importmärkten in Europa und Nordamerika oder Hauptproduktionsländern wie China, sind zu wenig detailliert. Die Folgerecherche von Public Eye zur Flugmode ergibt deshalb kein repräsentatives oder gar vollständiges Lagebild. Aber sie liefert deutliche Hinweise zur Bedeutung der Luftfracht für einzelne Marken. Sofern nicht anders vermerkt, beziehen sich die Angaben auf die letzten zwölf Monate, für die jeweils Daten vorliegen.

Hinweise auf Flugfracht bei anderen Modeunternehmen

Wie sehr Inditex und Shein auf Flugfracht setzen, hat Public Eye in der Pionierrecherche beleuchtet. Daneben ergibt sich aus den von Public Eye analysierten Zolldaten ein recht gemischtes Bild:

  • Bei einigen grossen direkten Konkurrenten im Fast-Fashion-Segment weisen die Daten auf vergleichsweise geringe Anteile an Flugmode hin: Aus Bangladesch etwa scheinen diese bei H&M oder Primark aktuell bei unter 2 Prozent und bei Bestseller (Jack & Jones, Vero Moda) bei unter 3 Prozent zu liegen. Zum Vergleich: Bei Inditex waren es im vergangenen Jahr mehr als 20 Prozent.
  • Hinweise für höheres Aufkommen an Flugmode fand Public Eye hingegen beim Modekonzern Next: Bei Importen aus Bangladesch liegt der Fluganteil bei rund 10 Prozent, aus Indien bei rund 20 Prozent. Auch der drittgrösste Modekonzern der Welt Fast Retailing (Uniqlo) lässt Mode fliegen. Von seinen Importen aus Vietnam dürften fast 20 Prozent mit dem Flieger kommen.
  • Unter den grossen Sportmode-Konzernen sticht aus den Handelsdaten der Konzern Lululemon hervor, der jeweils rund 30 Prozent seiner in Vietnam und in Sri Lanka hergestellten Produkte fliegen lässt. Zum Vergleich: Bei den Konkurrenten Nike und Adidas beobachtet Public Eye bei den Exporten aus Vietnam nur Fluganteile von unter 5 Prozent. Und Puma teilte Public Eye mit, dass ihre Flugquote bei Ware aus Vietnam aktuell bei lediglich 0,5 Prozent liegt.

Auch Unterwäsche kommt mit dem Flieger: Von den für Victoria’s Secret in Vietnam gefertigten Produkten etwa ein Viertel, aus Sri Lanka gar ein Drittel. Auf der Insel lässt auch der Unterwäsche-Gigant Calzedonia fertigen. Der Fluganteil bei den damit verbundenen Transporten liegt im Bereich von 5 bis 10 Prozent.

Transparenz? – Meistens Fehlanzeige

Flugmode ist also nicht nur bei Inditex und Shein, sondern auch in weiteren Teilen der Bekleidungsindustrie verbreitet. Doch bei einigen grossen direkten Konkurrenten tauchen nur geringe Fluganteile auf, das ist ein Lichtblick. Wie gross die Spannweite in der Branche ist, zeigt sich auch bei der Art und Weise, wie Unternehmen zu Flugmode kommunizieren.

Next und Victoria’s Secret tun es Inditex und Shein gleich und kommunizieren höchstens allgemein zu ihren Transport-Emissionen. Ähnlich sieht es bei Fast Retailing aus: Das Unternehmen, für dessen Hauptmarke Uniqlo Roger Federer als Markenbotschafter fungiert, antwortete zwar auf die Anfrage von Public Eye, teilte jedoch keinerlei Details mit. Stattdessen verweist die Firma auf ihre allgemeinen Klimaziele und die Mitgliedschaft in einer Initiative zur Senkung von Transportemissionen. Erfolge hat dieses Engagement bislang jedoch nicht vorzuweisen, im Gegenteil: Seit 2019 sind die Transportemissionen um 55 Prozent gestiegen.

Andere Firmen gehen das Thema offensiver an: Bestseller erklärt, ihre Luftfracht sei seit vier Jahren rückgängig, aktuell betrage der Anteil an den Gesamttransporten 1,04 Prozent. Entsprechend haben die transportbezogenen Emissionen seit 2018 um 55 Prozent abgenommen. Auch im Nachhaltigkeitsbericht von H&M findet sich ein Hinweis auf eine deutliche Reduktion der Luftfrachtemissionen (-51%) im letzten Geschäftsjahr. Primark erklärte auf Anfrage, Bestellungen generell mit langen Vorlaufzeiten zu platzieren und dabei ausreichend Zeit für Seetransporte vorzusehen. Luftfracht würde daher nur selten verwendet. Zahlen dazu teilte das Unternehmen allerdings nicht mit.

Nike schreibt von einem leichten Anstieg der Luftfracht 2022, allerdings sei das Volumen weiterhin gering und unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Lululemon identifiziert Flugfracht immerhin als Hauptursache des sehr hohen Transportanteils (25%) an seinen Gesamtemissionen und kündigt eine Task Force an, um Transporte vom Flugzeug aufs Schiff zu verlagern. Doch ohne konkrete Zahlen lassen sich solche Ankündigungen kaum einordnen.

Präzisere Angaben zum aktuellen Flugfracht-Anteil an den Transporten machen nur wenige: Calzedonia beziffert diesen auf gewaltige 20 Prozent, entsprechend hoch fallen die berichteten Emissionen aus. Deutlich kleiner ist der Anteil hingegen bei Adidas: 2022 lag er bei 2 Prozent.  

Die grösste Transparenz fand Public Eye bei Puma: Das Unternehmen berichtet eine Reduktion seiner Flugmode von 3 Prozent vor der Pandemie auf aktuell 1 Prozent, beziffert detailliert die Emissionen pro Verkehrsweg und teilte als einziges Unternehmen die Gesamtmenge seiner Luftfracht mit. Ausserdem nennt Puma ein konkretes Reduktionsziel: Bis 2025 soll der Luftfrachtanteil auf 0,5 Prozent halbiert werden.

Die grossen Unterschiede zwischen den Unternehmen machen deutlich, wie überflüssig Flugmode auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist. Public Eye fordert deshalb alle Firmen zum Ausstieg aus der Luftfracht und zu einer transparenten Information über ihre Transportmittel und deren Emissionen auf.

Dieser Beitrag ist am 18. Dezember 2023 auf Public Eye erschienen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Fachexperte für die internationale Textil- und Modebranche bei der NGO Public Eye.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

3719017725_8c14405266

Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

Dsenflugzeug

Flugverkehr

Freiheit für die einen, Klimakiller und Lärmbelästiger für andere. Auf jeden Fall ist er hoch subventioniert.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.