Schweizer Fleischlobby unterliegt vor Gericht
Die meisten Konsumentinnen und Konsumenten wissen, dass der saftige Weihnachtsbraten nicht von Schweinen oder Kälbern stammt, die zwischen Strohballen auf grünen Wiesen herumtollten, bevor sie auf dem Teller landeten – nicht einmal dann, wenn er aus Biofleisch besteht. Und man darf die Öffentlichkeit darüber aufklären. Ein TV-Spot mit realistischen Bildern aus der Massentierhaltung war legal, befand das Obergericht des Kantons Thurgau im April diesen Jahres.
Das Urteil ist unterdessen rechtskräftig geworden und geht zurück auf einen Streit zwischen dem «Verein gegen Tierfabriken» (VgT) und dem Schweizer Fleischfachverband (SFF). Entzündet hatte er sich an einem Videospot, welcher der VgT zu Weihnachten 2014 im Schweizer Fernsehen SRF gesendet hatte.
Alles andere ist Beleidigung
Das 15-sekündige Video besteht aus fünf Fotos, die blutige Szenen aus der Tierschlachtung und die beengten Verhältnisse in den Ställen zeigen. Das Video ist unterlegt mit dem gesprochenen Text «Auch für Ihren Festtagsbraten müssen Tiere leiden. Essen Sie vegan. Ihrer Gesundheit und den Tieren zuliebe. Frohe Weihnachten. www.vgt.ch»:
Der Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) befürchtete, der Spot könnte das Silvester- und Neujahrsgeschäft beeinträchtigen. Er reagierte am 28. Dezember 2014 mit einer Pressemitteilung, in dem er das kurze Video als «böswillig irreführend», «böswillig rufschädigend» und «unlauter» sowie als «politisch motiviert» bezeichnete. Die fleischverarbeitende Industrie werde im Spot direkt angegriffen, die Bilder seien überzeichnet und bewusst grausam dargestellt, monierte der Verband.
Der VgT entgegnete, das Video zeige moderate und durchschnittliche Szenen aus Tierhaltung und -schlachtung, wie sie täglich vorkämen und auch in den vom Verein publizierten «VgT Nachrichten» immer wieder dargestellt würden. Der VgT wehrte sich gegen den Vorwurf, «böswillig irreführend» und «unlauter» informiert zu haben und klagte gegen den Fleisch-Fachverband wegen Persönlichkeitsverletzung.
Die Realität ist weder irreführend noch unlauter
Die Bilder spiegelten die Realität in der Schweizer Tierhaltung wieder, urteilte das Obergericht des Kantons Thurgau und gab dem VgT Recht. Dass Leiden in der Tierhaltung und -schlachtung vorkomme, stehe ausser Frage. Der Zuschauer wisse, dass die im TV-Spot gezeigten Fotos «für sich allein nicht als repräsentativ für die Schweizer Tierhaltung betrachtet werden könnten». Doch von «(böswillig) irreführend» oder «unlauter» keine Spur. Der SFF muss dem VgT eine Anwalts-Entschädigung von 16‘600 Franken und die Gerichtskosten von 5‘000 Fr bezahlen.
Ungleiche Spiesse bei der Werbung
Die gesamte Eskalation erstaunt. Mit Bildern von Schweinen, die in engen Betonabteilen zusammengepfercht vor sich hinvegetieren, will sich zwar an Weihnachten wohl kaum jemand beschäftigen. Vergleicht man aber Anzahl, Länge und Vehemenz der durchschnittlichen Werbung der Fleischlobby mit dem 15-sekündigen Werbespot des VgT, geht dieser fast unter. Die Werbung der Fleisch-Branche wird sogar noch subventioniert. Infosperber hat darüber berichtet: «Bürgerliche mästen die fetten Fleischbarone».
Der VgT, der den TV-Spot aus eigener Tasche bezahlte, bemüht sich seit Jahren aufzuzeigen, wie es Masttieren selbst in regelkonformen Betrieben geht. So leidet zum Beispiel ein Grossteil aller Mastschweine unter Gelenkschmerzen, die durch harte Betonböden und zu schnelles Wachstum entstehen. Selbst Tiere, die ins Freie dürfen, tun dies in Betonumfriedungen, um nur zwei Fakten zu nennen.
Ein Schwein mit schwerer Gelenkentzündung. (Quelle: VgT, aus einem Stall in der Schweiz).
Dazu kommt, dass kaum ein Jahr vergeht, in dem nicht neue Missstände in der Tierhaltung aufgedeckt werden. Die jüngste Veröffentlichung stammt von der «Süddeutschen Zeitung» und dokumentiert, dass ein Viertel aller Schweine in bayerischen Schlachthöfen vor der Schlachtung nicht richtig betäubt werden.
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts des VgT und anderer Quellen erstellt. Grosse Medien in der Schweiz hatten zwar den Protest der Fleischbranche gegen den VgT-Spot weiter verbreitet, über das rechtskräftige Urteil jedoch nicht informiert.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Die Autorin ernährt sich vegan.
Es schmerzt mich, dass ich via meine Steuergelder die Fleischlobby unterstützen muss. Gescheiter ist es der Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus zu helfen. Warum? 1. Das Elend der Tiere (Tolstoi: «So lange es Schlachthäuser gibt, wird es Kriege geben. )2. Der Hunger auf unserer Welt (Getreide selbst essen und nicht erst verfüttern). 3. Gesundheit aller (Krankenkassenprämien). Martin A. Liechti, Maur
der Aussage des Vorgängers kann ich nur beipflichten. Allerdings wächst in mir eher die Wut darüber dass Steuergelder für die Werbung einer Fleischbranche eingesetzt werden, statt für Transparenz und zeitnahen Verbesserungen in der Branche selbst. Kein Zweifel gibt es sehr viele achtsame Betreiber. Dennoch empfinde ich es persönlich als eine tägliche Zumutung, zu wissen, dass ich mit «meinem solidarisch verordneten Pflichtanteil» zum Leid der Tiere beizutragen habe. Dieser Vorgang sollte vor Gericht stehen.