«Öko-Test» findet Hormongift BPA in Tomatenkonserven
Das deutsche Verbrauchermagazin «Öko-Test» hat geschälte Tomaten getestet – mit bedenklichem Ergebnis. Von allen 20 getesteten Konserven enthielten 18 das Hormongift Bisphenol A (BPA) in viel zu hohen Mengen. Das galt auch für die Bio-Produkte im Test. BPA-frei waren nur die beiden Konserven in Gläsern.
Nur eine von 20 Tomatenkonserven im Test sei empfehlenswert, schloss «Öko-Test». Da half es nur wenig, dass die Testerinnen und Tester diesmal kaum Schimmelpilzgifte und Pestizide fanden. Punktabzug gab es auch für mangelnde Transparenz in der Lieferkette.
BPA-Grenzwert drastisch gesenkt
Das haarsträubende Ergebnis liegt in erster Linie daran, dass die europäische Chemikalienagentur EFSA die unbedenkliche Tagesdosis (tolerable daily Intake, TDI) im April 2023 drastisch gesenkt hat.
Die Änderung stützt sich vor allem auf eine Studie, die die Effekte von Bisphenol A auf das Immunsystem von Mäusen untersuchte. Die Wirkung von Bisphenol A auf das Immunsystem war bis dahin nur wenig berücksichtigt worden. BPA kann demnach entzündliche Erkrankung sowie Autoimmunerkrankungen fördern.
28-mal mehr Bisphenol A als erlaubt – schon bei einer Dose pro Woche
Die unbedenkliche Tagesdosis TDI liegt seit April bei 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht und 20’000-mal niedriger als zuvor. Ein 60 Kilogramm schwerer Erwachsener nimmt mit einer der getesteten Konserven damit 28-mal mehr Bisphenol A auf, als die TDI erlaubt. Und das schon, wenn er nur eine Dose Tomaten pro Woche isst und kein Bisphenol A aus anderen Quellen zu sich nimmt, rechnet «Öko-Test» vor. Bei einer anderen Tomatenkonserve sei es immerhin noch viermal so viel.
Bisphenol A oder BPA ist seit langer Zeit als hormonaktiv bekannt. Das ist nicht verwunderlich, die Chemikalie wurde einst als Östrogen-Ersatz erfunden. Dosenbeschichtungen, die Epoxidharze enthalten, geben die Chemikalie an den Doseninhalt ab. Die Anbieter der getesteten Tomaten versicherten gegenüber «Öko-Test» zwar, dass ihre Dosen keine Lacke mit BPA enthalten. «Öko-Test» hält es aber für unwahrscheinlich, dass das gefundene Bisphenol A aus den Tomaten selbst stammt.
Kleines Umweltchemie-Lexikon: Bisphenol A (BPA), Bisphenol S, Bisphenol F
Bisphenol A (BPA) ist ein endokriner Disruptor. Das heisst, die Chemikalie kann im Körper agieren wie ein natürliches Hormon. Erfunden wurde BPA in den 1930er-Jahren als Ersatz für natürliches Östrogen. Heute wird es in Kunststoffen verwendet. In höheren Dosen kann BPA die Fortpflanzung und die fötale Entwicklung stören, die Spermienqualität reduzieren und Krebs verursachen. BPA ist als reproduktionstoxisch (fortpflanzungsgiftig) eingestuft und steht im Verdacht, Brustkrebs, Übergewicht und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zu befördern.
Bisphenol A steckt in vielen Kunststoffen, Flammschutzmitteln, Baustoffen und Epoxidharzen. In der EU wurde BPA in Babyflaschen schon 2011 verboten. In der Schweiz gab es mehrere freiwillige Beschränkungen. Seit 2017 ist Bisphenol A in Babyflaschen und seit 2020 auch in Thermopapier wie Kassenzetteln und Parktickets nicht mehr erlaubt. In anderen Bereichen ist die Nutzung eingeschränkt.
Ersetzt wurde Bisphenol A teilweise durch Bisphenol S oder Bisphenol F, von denen sich mittlerweile herausgestellt hat, dass sie ebenfalls schädlich sind.
BPA kann durch Wärme aus Kunststoffen freigesetzt werden und durch die Haut in den Körper gelangen. Besonders vorsichtig mit Bisphenol A sollten Kinder, Schwangere und Übergewichtige sein.
Tomaten sind nicht einmal so schlimm
Tomaten sind dabei noch harmlos. Am meisten Bisphenol A geht in Konserven wie Fleisch, Wurst, Eintöpfe und Fertiggerichte über. Der Spitzenreiter ist Kokosmilch in Dosen. Das geht aus Daten des CUVA Stuttgart (Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt) hervor, das regelmässig Lebensmittel untersucht.
Dosengemüse enthält demnach im Mittel 1 Mikrogramm BPA pro Kilogramm, Kokosmilch 82-mal mehr. Der Mittelwert über alle Konserven lag 2021 bei 2,5 Mikrogramm pro Kilogramm Inhalt. Eine Testreihe des BUND fand 2017 noch höhere Konzentrationen in Dosen-Thunfisch und Kokosmilch.
Tipps, um BPA in Lebensmitteln zu reduzieren
Es gibt Möglichkeiten, der giftigen Chemikalie aus dem Weg zu gehen. Sinnvoll ist es natürlich, Konservendosen grundsätzlich zu vermeiden. «Öko-Test» gibt weitere Tipps, wie sich Bisphenol A im Alltag reduzieren lässt:
- Keine Dosen und am besten gar keine Konserven: Bevorzugen Sie frische Lebensmittel. Wenn Sie Konserven kaufen, dann in Gläsern. Das gilt besonders für Kokosmilch, Fleisch, Wurst, Eintöpfe und Fertiggerichte
- Kein Polycarbonat: Dieser Kunststoff kann Bisphenol A abgeben. Meiden Sie Trinkflaschen, Wasserkocher und Plastikboxen, die Polycarbonat enthalten.
- Nicht erhitzen: Wärme beschleunigt den Übergang von BPA in Lebensmittel. Erhitzen Sie deshalb keine Speisen in Konservendosen oder Plastikbehältern in der Mikrowelle. Das gilt speziell, wenn die Behältnisse schon älter sind. Verwenden Sie Keramik oder Glas. Positiver Nebeneffekt: Mit diesen Massnahmen vermeiden Sie auch Phthalate, eine andere Umweltchemikalie, die in Plastik vorkommt.
- Alte Behälter ersetzen: Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit, dass BPA frei wird, weil die Behälter porös werden, zum Beispiel Polycarbonat-Flaschen von Wassersprudlern.
- Lassen Sie Leitungswasser laufen, bevor Sie es trinken. Falls Ihre Wasserleitungen mit Epoxidharz saniert wurden, enthält das Wasser dann weniger Bisphenol.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
«Nur eine von 20 Tomatenkonserven im Test sei empfehlenswert, schloss «Öko-Test».»
Und das wäre?
Es ist nicht das Problem der Konserven, sondern das des Systems. Wir werden aus Profitgier an allen Fronten vergiftet – mit Lebensmitteln, Abgasen, Feinstaub, Chemikalien, Mikroplastik (auch ideologisch)… – eine vollständige Liste würde die Seite sprengen. So lange die Wirtschaft die Politik schmiert und deren Lobbyisten den Politikern unter deren Bundestagsschreibtischen einen blasen, wird sich nichts ändern. Die Politiker werden, wenn nicht gleich, dann nach ihrer Amtszeit, mit lukrativen Posten «belohnt», müssen nicht selber denken und lassen sich die Gesetze, Höchtsgrenzen etc. von der Wirtschaft diktieren. Der Wirtschaftsprüfer Uwe Dolata sprach von Deutschland als einer «Bananenrepublik». Das war bei «Pelzig unterhält sich», also vor geraumer Zeit. Seitdem hat sich die Situation nicht etwa gebessert. So lange die Parteien keine fähigen und verantwortungsbewussten Köpfe mit Rückgrat ins Rennen schicken, sondern mäßig begabte Nichtabsolventen, ändert sich nichts.
Nebst den Produzenten, darf man die Konsumenten nicht aus der Verantwortung nehmen. Leider gibt es noch eine Mehrheit denen „billig“ über alles geht. Seien wir uns bewusst dass wir eine grosse Macht beim bewussten Einkauf besitzen.
@Nik Brunner
Sie schreiben:
«Seien wir uns bewusst dass wir eine grosse Macht beim bewussten Einkauf besitzen.»
«Die große Macht» endet beim kleinen Geldbeutel.
Doch unabhängig davon, geht «bewusstes Produzieren» vor bewusstem Einkauf.
@Jürgen Schiebert
Danke, auf den Punkt gebracht.
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