Neuster Online-Händler-Trick: Price Customisation
Händler im Netz können eine neue Software einsetzen, die punktgenau Kunden eruiert, die beim Einkauf nicht in erster Linie auf den Preis achten, also kann man von ihnen auch etwas mehr verlangen. Das geschieht durch die sogenannte «Price Customisation» – dem Kundenprofil angepasste, personalisierte Preise.
Cookies, kleine im Webbrowser hinterlegte Programme, erkennen dabei, auf welchen Kaufseiten sich Kunden tummeln, sie erlauben Rückschlüsse auf Einkommensklasse, Geschlecht und Alter, wie der britische «Economist» schreibt. Die Software identifiziert den potenziellen Käufer auf der Homepage, macht Annahmen darüber, was und wie schnell er einkauft und zeigt den Preis an. Wer sich zügig zum Produkt und weiter zur Kasse klickt, scheint bereit zu sein, den angebotenen Preis zu bezahlen, nimmt man an – warum also noch einen Discount einräumen?
Mac-User zahlen mehr als PC-Anwender
Eine der wenigen grossen Online-Anbieter in den USA, die zugeben, dass sie solche Techniken einsetzen, ist der Reiseanbieter Orbitz. Seine Software entdeckt, ob der Benutzer mit einem Mac-Computer oder einem Windows PC im Netz unterwegs ist. Weil Orbitz weiss, dass Mac-Benutzer tendenziell Hotels buchen, die teurer sind und im 4- und 5-Sterne-Segment liegen, ist es genau das, was die Webseite ihnen dann im konkreten Fall vorschlägt, wie die Firma gegenüber dem «Wall Street Journal» bestätigte.
Die deutsche Webseite golem.de schreibt dazu: «Wir haben das kurz getestet und können das bei einer Reiseanfrage nach Berlin bestätigen. Während auf dem ersten Platz auf beiden Betriebssystemen jeweils ein Angebot für 35 US-Dollar je Nacht steht, wird beim zweiten Platz bereits ein deutlicher Preisunterschied sichtbar. Hinter derselben IP-Adresse bekommt der Mac-Nutzer auf dem zweiten Platz ein Hotel für 127 US-Dollar angeboten. Der Windows-Nutzer hingegen bekommt ein Hotel für 66 US-Dollar zu sehen. Dieses 66-Dollar-Hotel sieht der Mac-Nutzer erst auf dem dritten Platz.»
Höhere Gewinnmargen erwartet
Der Reiseanbieter Orbitz unterstreicht gegenüber dem britischen «Economist», dass gleichwertige Hotelzimmer aber nicht zu unterschiedlichen Preise angeboten würden. Bei anderen Anbietern wird aber genau das vermutet, indem sie jenen Kunden den vollen Preis offerieren, die bereit sind, das Angebot in dieser Höhe anzunehmen. Dem Rest der Kundschaft wird dann ein Preisabschlag für die genau gleiche Ware gewährt.
Die Software soll sich vor allem in Fällen auszahlen, wo die Preisbildung undurchsichtig ist wie bei Versicherungen, Flugtickets, Handy-Angeboten und Hotelzimmern. Die Hersteller der Software wie [24]7 aus dem indischen Bangalore und RichRelevance aus San Francisco versprechen höhere Gewinnmargen, wenn die Preissensibilität der Kundschaft gezielt ausgelotet wird. Andere Online-Händler, die diese Software anwenden (u.a United Airlines) sind offenbar weniger erpicht, darüber zu reden.
Andrew Fano, Berater bei der Consultingfirma Accenture in Chicago, geht laut «Economist» davon aus, dass mindestens sechs der grössten US-Onlinehändler die Software verwenden, aber für Käufer ist das schwierig festzustellen. Kunden würden vermutlich reklamieren, wenn sie erfahren würden, dass für das gleiche Produkt unterschiedliche Preise bezahlt werden. Das erfuhr Internet-Gigant Amazon im Jahr 2000. Amazon verkaufte DVDs zu unterschiedlichen Preisen, um herausfinden, welche Webbrowser von Kunden benützt werden, die sich am wenigsten um den Preis kümmerten. Nach einem öffentlichen Protest entschädigte Amazon geprellte Kunden.
Wie man die Software unterwandern kann
Die Verbreitung der Price-Customisation-Software wird wohl bald schon neue Apps hervorbringen, mit denen Datenspuren im Netz verwischt werden können. Bis es soweit ist, macht «Economist» folgende Vorschläge:
• Wenn möglich auf einem PC im Internet und nicht auf einem Mac surfen.
• Die Suche nach einem bestimmten Produkt auf einer Preisvergleichsseite starten.
• Auf der Produkteseite vorgeben, man interessiere sich für die preiswerteste Ware.
• Nach der Auswahl nicht sofort zur Kasse klicken, noch etwas Zeit vertrödeln.
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Infosperber-User Rolf Frank schickte uns zusätzlich folgenden Tipp:
Mac-Nutzer können auf sehr einfache Weise diesen «Händler Trick» austricksen: Sie können ein «User Agent»-Add-on beim Firefox-http://goo.gl/5CcD5 oder Chrome-Browser http://goo.gl/hrSmL installieren. Mit einem solchen User-Agent-Add-on kann man dann per Knopfdruck einen Windows-Rechner mit Internet-Explorer vortäuschen oder Opera etc. vortäuschen 🙂
Gehört eigentlich bei einem Browser zur Grundausrüstung wie ein Werbeblocker oder Google-Datensammler-Blocker.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Und? Unterschiedliche Preise für unterschiedliche Kunden sind im Geschäftskundenbereich an der Tagesordnung. Soll ein Preis nur dann «gerecht» sein, wenn alle gleich viel bezahlen? Und was ist, wenn Kunden wegen ihrer unbedarften Nutzung hoffnungslos veralteter Technik – was zu einem Mehraufwand führt – einen Aufschlag bezahlen müssen (Internet Explorer «Strafsteuer» bei einem australischen Onlineshop: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/internet-explorer-7-nutzer-zahlen-in-australien-drauf-a-839008.html)?