Jetzt brauchts auch noch Aktionen
Trauben aus Namibia, Heidelbeeren aus Chile, Limetten aus Kolumbien – solche Angebote der Schweizer Detailhändler kritisierte Infosperber vor kurzem. Die Detailhändler konterten. Coop richte sich «nach den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden». Aldi richte sein Sortiment «stets auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden aus». Lidl wolle «Kundenbedürfnissen nachkommen». Und die Migros fragte keck: «Warum sollen wir diese Produkte nicht im Sortiment führen?»
Doch kein Kundenbedürfnis
So weit her scheint es mit dem Bedürfnis nach Lebensmitteln vom anderen Ende der Welt dann aber doch nicht zu sein. Jedenfalls sehen sich die Detailhändler veranlasst, genau diese Produkte zum Aktionspreis zu verschleudern:
- Bei der Migros gibt es diese Woche 150 Gramm Passionsfrüchte aus Kolumbien als «Spar-Hit» für 1 Franken.
- Pouletschnitzel aus brasilianischem Fleisch mit 30 Prozent Rabatt.
- Coop gewährt 20 Prozent Rabatt auf Lammracks aus Australien und Neuseeland.
- Als «Wochen-Knaller» gibt es Bohnen aus Senegal mit 30 Prozent Rabatt.
- Die Heidelbeeren, die Coop mit einem Rabatt von 33 Prozent verkauft, stammen aus Peru und Chile.
- Beim Rindshuftsteak Angus aus Uruguay – ebenfalls ein «Wochen-Knaller»– beträgt der Abschlag gegenüber dem Normalpreis sogar 35 Prozent.
- Lidl verkitscht Rosenkohl aus Holland zum halben Preis.
- Auberginen – ebenfalls aus Holland – mit 35 Prozent Rabatt.
- Heidelbeeren aus Peru mit 39 Prozent Rabatt.
- Black-Angus-Rindshuft aus Uruguay ebenfalls zum Aktionspreis.
- Aldi bietet seinen Kunden einen «Superdeal»: Spargeln aus Peru mit 30 Prozent Rabatt.
- Und Mangos – ebenfalls aus Peru – 30 Prozent billiger.
- Auch Denner macht beim Verscherbeln von weitgereisten Lebensmitteln mit: Zum Aktionspreis gibt es Cocobohnen aus Marokko.
Geradezu grotesk wirkt das Angebot auch angesichts der Tatsache, dass Coop «die nachhaltigste Detailhändlerin der Welt» sein will, dass die Migros den gleichen Titel für sich reklamiert, dass Aldi angeblich «die heimische Landwirtschaft» fördert und dass für Lidl nach eigenen Angaben «Nachhaltigkeit eine Grundhaltung» ist.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Ich habe vor Jahren ein Papier zu «hypothetischem» Käseexport aus Burundi nach der Schweiz geschrieben. Die Schlussfolgerung war, dass solcher «Afrika-Emmentaler» nur ökonomisch exportiert werden könne, wenn die lokalen Kosten auf «Null» gedrückt würden. Nur so könne der Warenwert die Transportkosten finanzieren. Offenbar gilt diese «Pseudonachhaltigkeit» im internationalen Handel immer noch.
Wenigstens können die Transporteure ihre exzessive Transportkapazität etwas amortisieren. Für die lokalen Produzenten, aber auch für die Staatskasse des Exportlandes bzw für den Devisenerfolg bleibt leider kaum etwas. Das ist wohl das Resultat des staatlich geförderten Neoliberalismus. Irgendwer in der Lieferkette wird wohl seinen Profit aus diesem volkswirtschaftlichen Unsinn ziehen können.
Die Händler machen es sich sehr einfach und schieben die Verantwortung den Kunden:innen zu, weil diese ein Bedürfnis nach stark umweltbelastenden Produkten haben.
Das noch schlimmer ist, als Exotisches, sind Früchte, die bei uns im Sommer wachsen und die jetzt auch im Winter erhältlich sind: Zuckermelonen, Erdbeeren, Blaubeeren etc. Ich kenne keinen Menschen, der im Winter nach Nektarinen aus Südafrika verlangt.
Migros selber schreibt: «Wir reduzieren die klimarelevanten Emissionen in unserer Wertschöpfungskette auf das umweltverträgliche Level…»
Aber leider sind da diese niederen Kundenbedürfnisse, die diesem Umweltziel voll entgegenwirken – Sorry Genration M – aber euere Eltern haben es vergeigt!
Leider ist dieser Trend alles andere als neu. Auch die Beförderung von Waren zur Verarbeitung usw. ist problematisch.
Vor zwei Jahren kaufte ich Schweizer Brennholz, das verspätet geliefert wurde. Nach wiederholten Nachfragen wurde mir eröffnet, dass es logistische Probleme mit Deutschland gäbe. Das als nachhaltig beworbene Schweizer Holz wurde zum Spalten und Schneiden nach Deutschland geschickt und kehrte dann in die Schweiz zurück.
Aber schon vor mehr als 40 Jahren reiste eine gesalzene Butter aus Deutschland mehr als tausend Kilometer, um portioniert und verpackt zu werden und in die Regale der Herkunftsregion zurückzukehren.
In einem Dorf in Antioquia (Kolumbien), wo die Schwiegerfamilie lebt, kann man dagegen im kleinen Supermarkt Äpfel aus Südtirol, Prosecco aus Italien, französischen Käse, Rohschinken, und Weine aus Spanien kaufen, um nur einige Beispiele zu nennen. Und das alles zu absurd niedrigen Preisen.
Es scheint, dass diese Absurdität bilateral ist