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Im Online-Shop von H&M kann man bei den meisten Produkten die Herstellungsfabrik nachsehen. © H&M

H&M sorgt für mehr Transparenz beim Kleiderkauf

Christa Dettwiler /  Per App können Konsumentinnen anhand des Preisschildes feststellen, woher Kleider und Rohstoffe stammen.

Geschätzte drei Milliarden Bekleidungsartikel gehen jährlich in H&M-Läden weltweit über den Ladentisch. Das macht das Unternehmen zu einem der drei grössten Modeunternehmen. Hergestellt werden die Artikel in 40 verschiedenen Ländern, allein in Bangladesch arbeiten 275 Fabriken mit einer halben Million Angestellten für H&M.

Nachdem vor allem Hersteller von Billigkleidern wegen der Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern massiv in die Kritik geraten sind, hat H&M gehandelt und verkündet, jede und jeder könne nun die Herkunft ihrer Ware zurückverfolgen – sofern ein Interesse bestehe.

Im Online-Angebot von H&M kann man auf «Produktherkunft» klicken und erfährt, dass der hübsche Pullover in Bangladesch hergestellt wurde, in der Fabrik Jinnat Apparels & Fashion mit 13’000 Angestellten in Gazipur, einem Quartier nahe Dhaka, in dem sich Fabrik an Fabrik drängt.
Die Denim-Jacke dagegen stammt aus der Zhejiang Tongli Clothing Co. in der Xicheng-Industriezone von Bongyang in China, einer Textilfabrik, die zwischen 1500 und 2000 Menschen beschäftigt.

Dieses neue Rückverfolgungssystem gibt Konsumentinnen nicht nur Auskunft darüber, wo das Kleidungsstück hergestellt wurde, es liefert auch Details über das verarbeitete Material. Dieselben Informationen können auch Kunden im Laden abrufen, indem sie mit einer speziellen H&M-App das Preisschild scannen.

Pascal Brun, Nachhaltigkeitschef bei H&M, sagte gegenüber der «New York Times», diese Transparenz-Bemühungen zeigten, dass H&M bezüglich Arbeitsbedingungen oder Umwelt nichts zu verbergen habe. Und David Savman, Chef der Produktion, doppelte nach: «Transparenz ist der Schlüssel zu Veränderungen in einer der undurchsichtigsten Industrien.»

Spätestens nach dem verheerenden Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes, in dem mehrere Kleiderfabriken untergebracht waren, geriet die Produktion von Billigkleidern in Verruf. Mehr als 1100 Menschen kamen 2013 nordwestlich der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch ums Leben. Etliche Modeketten sagten, sie hätten keine Ahnung gehabt, unter welchen Bedingungen ihre Produkte hergestellt wurden. Der öffentliche Druck hat dazu geführt, dass heute etwas kritischer hingesehen wird.

So haben Kleiderhändler und Gewerkschaften in Bangladesch eine bindende Vereinbarung über Gebäude- und Feuersicherheit abgeschlossen, die mehr als 200 Einzelhändler unterschrieben haben, darunter H&M und Inditex, die spanische Gruppe, zu der auch Zara gehört. Das hat etwa dazu geführt, dass viele der gefährlichsten Fabriken von westlichen Unternehmen fallengelassen wurden. Allerdings nicht von allen. So berichtete das «Wall Street Journal» im letzten Oktober darüber, dass Amazon nach wie vor Kleider aus Fabriken in Bangladesch verkaufe, deren Produktionsstätten andere Händler auf die schwarze Liste gesetzt hatten.
Wenig Informationen über die Löhne
Die Bemühungen von H&M um mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht sind bei einigen Menschenrechtsgruppen auf ein positives Echo gestossen. Andere dagegen meinen, sie gingen nicht weit genug. So hätten Konsumenten keinen Zugang zu Informationen über die Lohnstruktur bei Fabriken, etwa über lokale Mindestlöhne oder Verpflichtungen, faire Löhne zu bezahlen.

Grundsätzlich bleiben die Probleme rund um Billigmode bestehen. Die meisten grossen Marken besitzen keine eigenen Fabriken, sondern arbeiten mit unabhängigen Unternehmen oder mit Heimarbeiterinnen zusammen – mit entsprechend tiefen Löhnen und wenig Rücksicht auf Arbeitsbedingungen und Umwelt. Inspektionen werden meist an Dritte ausgelagert, die alles andere als unfehlbar sind. Viele von ihnen sind existenziell von den überwachten Unternehmen abhängig.

  • So berichtete die britische Zeitung «Guardian» im Oktober über die Bedingungen in einer Fabrik in Bangladesch, die für den Sportbekleidungsvertreiber Lululemon arbeitet. Arbeiterinnen sagten aus, sie seien angegriffen und misshandelt worden.
  • Im Dezember brach im indischen Delhi in einer Fabrik Feuer aus, die Schultaschen herstellt. 43 Menschen starben, darunter auch auf dem Boden schlafende Kinder.
  • Letztes Jahr veröffentlichte «Transparentem», eine NGO, welche die Bedingungen in Kleiderfabriken untersucht, einen Report über mehrere malaysische Unternehmen, die für Marken wie Primark, Asics, Nike und Under Armour liefern. Sie stellten missbräuchliche Arbeitsbedingungen und Zwangsarbeit fest.
  • Migrantinnen aus Bangladesch und Nepal berichteten über hohe Rekrutierungsprämien, die sie für ihre Jobs bezahlen mussten. Um sicherzustellen, dass diese Prämien zurückgezahlt werden, wurden ihre Pässe eingezogen und sie mussten auf engstem Raum unter schlimmsten Bedingungen hausen.

Wie stark Konsumentinnen und Konsumenten auf die zusätzlichen Informationen reagieren, sei schwierig einzuschätzen, heisst es bei H&M. So könne zu viel Information Käufer auch abschrecken. David Savman sagte: «Wenn wir zwei T-Shirts anbieten – eines aus Baumwolle und eines aus rezyklierter Baumwolle, das 30 Prozent mehr kostet, entscheidet sich die Mehrheit für das billigere. Wir liefern umfangreiche Informationen. Aber wie sehr interessiert das die Konsumenten? Nicht sehr – noch nicht.»

Bald etwas mehr Transparenz auch bei einem Kaffeehändler

Vom Strauch bis zur Tasse hat Kaffee einen langen Weg und viele Stationen hinter sich. Künftig können Kaffeetrinker den langen Weg ihres gewählten Produkts mit der App «Thank My Farmer» bis zum Ursprungsort zurückverfolgen. Der Genfer Kaffeehändler Sucafina steht hinter der Entwicklung dieser App, an der verschiedene Akteure entlang der Lieferkette beteiligt sind. Die Informationen stammen aus der Blockchain (IBM Food Trust) und verbinden Kaffeetrinkerinnen mit Bauern, Händlerinnen, Röstern und Kaffeefirmen.
Allerdings bietet die App keine Angaben über Nachhaltigkeit des Anbaus oder Verdienst der Kaffeebauern. Sie eröffnet Nutzerinnen jedoch die Möglichkeit, Kaffeebauern und Nachhaltigkeitsprojekte in den Anbaugegenden zu unterstützen. Die App soll noch in diesem Quartal auf den Markt kommen.

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Siehe weitere Berichte über dieses wichtige Thema:
18.2.2019
Frauen schuften für uns zum Lohn von 15 Rappen pro Stunde

DOSSIER
«Fair trade» und «Bio»

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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Bio_Label

«Fair Trade» und «Bio»

Viele zahlen für fairen Handel und für echte Bio-Produkte gerne mehr. Das öffnet Türen für Missbrauch.

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