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FDP-Nationalrätin Petra Gössi liess ihre Antwort vom Gewerbeverband formulieren © cc

Gewerbelobby will Konsumentenschutz schwächen

upg /  Der Gewerbeverband kritisiert Subventionen für Konsumentenorganisationen. Seine Mitglieder kassieren aber x-mal mehr Bundesgelder.

Die Konsumentenorganisationen in den drei Sprachregionen erhalten vom Bund zusammen 900’000 Franken Subventionen pro Jahr. Im Vergleich zu den staatlichen Zuschüssen für Konsumentenorganisationen in Deutschland, Frankreich und Österreich ist dies ein Klacks.
Trotzdem forderte der Schweizerische Gewerbeverband kürzlich, die Subventionen für die Konsumenten-Vertretung ganz zu streichen. Begründung: Organisationen wie die Stiftung für Konsumentenschutz SKS würden, statt «objektiv und fachgerecht» informieren, Politik betreiben. Die SKS lobbiere für Entsorgungs- und Recyclinggebühren, für eine umfassende Herkunftsdeklaration der Rohstoffe auf Lebensmitteln und betreibe «linke Propaganda». Was dem Gewerbe besonders sauer aufstiess: Die SKS prangerte an, dass die Wirtschaft die Währungsgewinne nicht weiter gebe, und forderte die Konsumentinnen sowie Konsumenten auf, Produkte, die jenseits der Grenze nur die Hälfte kosten, dort zu kaufen.
Der Gewerbeverband kündigte an, FDP-Nationalrätin Petra Gössi werde in der Herbstsession einen Vorstoss einreichen, damit Konsumentenorganisationen nur noch Subventionen erhalten, wenn sie «keine Politik» betreiben.
Nationalrätin Gössi lässt ihre Antworten vom Gewerbeverband schreiben
Infosperber stellte der Schwyzer Parlamentarierin, die Mitglied der Gewerbekammer des Gewerbeverbands ist, einige Fragen. Die Antworten bekam Infosperber vom Leiter Kommunikaton des Gewerbeverbandes, Bernhard Salzmann, zugestellt. Infosperber könne die Antworten «Frau Gössi zuordnen» und ebenso dem Direktor des Gewerbeverbandes Hans-Ulrich Bigler, an den Infosperber die gleichen Fragen gerichtet hatte.
Merke: Manche Parlamentsmitglieder vertreten nicht unabhängig die Interessen des Volkes, sondern die ihrer Lobbys, denen sie ihr Mandat in der Regel zu verdanken haben.
Identische Antworten von Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbandes (Bild), und FDP-Nationalrätin Petra Gössi

Frage von Infosperber: Es ist die volkswirtschaftliche Aufgabe von Konsumentenorganisationen, ein Gegengewicht gegenüber Wirtschaftsverbänden einzunehmen. Müssen Konsumenenorganisationen nicht staatlich unterstützt werden, damit sie überhaupt eine Chance haben, ihre volkswirtschaftliche Aufgabe zu erfüllen?
Antwort Salzmann/Gössi/Bigler (zuerst ausweichend, dann auf Nachfrage): Nein.
Frage: Setzen Sie sich dafür ein, dass auch die Subventionen für die Käseunion, die milchverarbeitenden Betriebe, die Fleischverwerter, Energieverbände, Schweiz Tourismus oder für KMUs gestrichen werden, sofern diese politisch tätig sind?
Antwort: Sofern sich die Genannten an die Gesetze halten, ist nichts zu beanstanden.

Subventionen im Vergleich

Ein Vergleich zeigt, worum es geht:
Die SKS erhält dieses Jahr 257’000 CHF Bundessubventionen, alle Konsumentenorganisationen zusammen etwa 900’000 CHF.
Die Käseunion bezieht 460 Mio. Davon braucht die Käseunion 50 Mio für Werbung, um den Käsekonsum zu steigern. Mit fast 400 Mio Subventionen werden Käseüberschüsse verwertet.
Milchverarbeitende Betriebe erhalten 300 Mio CHF Bundesgelder. Von weiteren Steuermillionen profitieren Eierhändler, Eierproduzenten, Verwerter von Schafwolle.
Die Programme Energie Schweiz erhalten 8,8 Mio CHF, u.a. für Verbände und Energiefachstellen.
Schweiz Tourismus kassiert 56 Mio Bundessubventionen. 5 Mio erhalten Organisationen und Betriebe, die im Bereich Tourismus tätig sind.
Gewerbliche Bürgschaftsgenossenschaften, darunter KMUs und die Zentralstelle für das gewerbliche Bürgschaftswesen der Schweiz GBZ, profitieren von 6,1 Mio CHF.
Zur Erinnerung: Alle Konsumentenorganisationen der Schweiz zusammen erhalten 900’000 CHF.

Parlament erliess Knebelgesetz
Zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten gehören finanzstarke Konsumentenorganisationen, die gegenüber mächtigen Wirtschaftsverbänden ihre Stimme in der Öffentlichkeit und im Parlament geltend machen können.
Doch das bürgerlich dominierte Parlament hat mit tatkräftiger Unterstützung des Gewerbeverbandes sowie ihrer Sprecherinnen und Sprecher in National- und Ständerat ein Konsumentenschutzgesetz KIG verabschiedet, das den Namen nicht verdient. Noch schlimmer: Den von den Konsumentinnen und Konsumenten erkämpften Verfassungsauftrag hat das Parlament für ein Gnadenbrot und eine Bevormundung der eh schon schwachen Konsumenten-Lobby missbraucht. In einer Verordnung hat FDP-Bundesrat Schneider-Ammann die Gängelung der Konsumentenorganisationen auf die Spitze getrieben (siehe «Schneider-Ammanns Regelungswut gegen Sara Stalder» vom 18.6.2014).
Ungenügend ist das KIG, weil der Bund Konsumentenorganisationen finanziell nicht unterstützen muss, sondern lediglich «kann», und nur für Aktivitäten, welche die Mehrheit der Wirtschaftsvertreter im Parlament im Gesetz abschliessend festgeschrieben haben (Artikel 5):
a) für «objektive und fachgerechte Information»;
b) für «vergleichende Tests über wesentliche und eindeutig fassbare Eigenschaften von Waren und über den wesentlichen Inhalt von Dienstleistungen»;
c) für das Aushandeln der oben erwähnten Vereinbarungen mit der Wirtschaft über die Warendeklaration.
Damit hat das Parlament, namentlich auch die Vertreter des Gewerbes und der restlichen Wirtschaft, der Bundesverwaltung das Recht eingeräumt zu kontrollieren und vorzuschreiben, was denn unter «objektiv» und «fachgerecht» zu verstehen ist, welche Eigenschaften von Waren denn «wesentlich» sind und die Konsumentenorganisationen gnädigst prüfen dürfen. Eine bessere Steilvorlage zur Bürokratisierung und Gängelei kann man sich kaum vorstellen.
Gewerbeverband beruft sich auf dieses Gesetz
Jetzt stützt sich der Gewerbeverband auf dieses Gesetz, um die Subventionen für Konsumentenorganisationen abzuschaffen, weil diese nicht «objektiv» informieren würden und «Politik betreiben».
Frage von Infosperber an Petra Gössi und Hans-Ulrich Bigler: Setzen Sie sich dafür ein, dass das Gesetz so geändert wird, dass Konsumentenorganisationen für ihre heutige Tätigkeit Subventionen erhalten können?
Antwort Bernhard Salzmann, Kommunikationschef des Gewerbeverbands: Keine Antwort. Das heisst Nein.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor war bis 2000-2012 Mitglied des Stiftungsrats der SKS.

Zum Infosperber-Dossier:

Tasche_Hintergrund

Konsumentenschutz

Einseitige Vertragsklauseln. Täuschungen. Umweltschädlich. Hungerlöhne. Erschwerte Klagemöglichkeiten.

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4 Meinungen

  • am 16.09.2014 um 14:44 Uhr
    Permalink

    Ein guter Konsumentenschutz ist auch im Sinne der KMU, denn er schützt auch ehrliche Unternehmer vor unlauterer Konkurrenz.
    In den letzten Jahren habe ich immer mehr den Eindruck erhalten, die Gewerbelobby unterstütze vor allem grosse Firmen und nicht uns Kleinunternehmer.

  • am 17.09.2014 um 11:19 Uhr
    Permalink

    Diese Haltung kommt vom Steueroptimierungs-Verfechter nicht unerwartet. Zum Glück wird Steueroptimierer langsam zum Schimpfwort. Dass «Du bist neidisch» zur Belobigung wird, geht vermutlich etwas länger. «Du bist neidisch» bedeutet nämlich «Du hast genügend Gerechtigkeitsempfinden». Die Leute, die «Du bist neidisch» als Beschimpfung verstehen, sind sehr ungerecht.

  • am 20.09.2014 um 10:14 Uhr
    Permalink

    auch da geht es um Konsumentenschutz. Wo steht die Schweiz?
    Zitat aus foodwach:
    es fühlte sich an wie ein Schlag in den Nacken: In der vergangenen Woche ereilte uns die Nachricht, dass die Europäische Kommission die Bürgerinitiative gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP mit Kanada und den USA nicht zulässt. Ein echter Hammer! In ganz Europa gibt es Bürgerproteste gegen die Abkommen, rund 250 Organisationen stehen mittlerweile hinter der Bürgerinitiative – aber wir Bürger sollen offenbar nicht mitreden, wenn es um Bürgerrechte oder Konzerninteressen geht. Zita Ende
    Wer befasst sich damit? Will man auch deswegen die Konsumentenorganisationen schwächen?

  • am 23.09.2014 um 10:54 Uhr
    Permalink

    Die SKS verwendet die Subventionen durchaus nach Gesetz. Biglers Kritik ist wahrheitswidrig. Wenn die SKS politisch Stellung bezieht dann finanziert sie das mit Gönnerbeiträgen und nicht mit Subventionen. Politische Stellungnahmen der SKS sind unverzichtbar um der unsäglich einseitigen Propaganda des Gewerbeverbandes ein Gegengewicht zu geben.

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