Gewässerschutz: Bauern, Bäcker und das Nitrat (Teil 3)
Stickstoff ist fast überall. Das Element ist der Hauptbestandeil von Luft. Viele Probleme macht es derzeit in Form von Nitrat im Wasser. Dorthin gelangt dieses, weil Pflanzen damit gedüngt werden und der nicht benötigte Teil ausgewaschen wird. Warum Pflanzen Dünger brauchen, erfahren Sie in Teil 1 und Teil 2. Die Folge: Die Nitratwerte in Grund- und Oberflächenwasser sind stellenweise viel zu hoch. Das muss sich ändern. Nur wie?
Eine Lösung wäre es, weniger zu düngen und stattdessen Qualitätsweizen zu importieren. Was nichts anderes ist als Problemverschiebung, ausserdem gefährdet es die Versorgungssicherheit. Import ist also eher keine Lösung.
Trockenere Sommer und Sturzregen steigern die Nitratbelastung
Wieviel Stickstoff eine Pflanze aufnimmt, hängt wie schon in Teil 1 gesagt von mehreren Faktoren ab. Einer davon ist das Wetter, das man bekanntlich beklagen, aber nicht ändern kann. Nach den Prognosen werden sich trockene Sommer und heftige Regenfälle in Zukunft eher häufen. Die Oberflächengewässer werden dann weniger Wasser führen, was den Nitratanteil noch erhöht. Und ein kurzer, heftiger Regen wäscht mehr Substanzen aus der Erde als ein langanhaltendes Nieseln.
Die Art des Bodens, auf dem ein Bauer wirtschaftet, ist meist auch gegeben. Glück hat er dann, wenn er bereits einen humus- und nährstoffreichen Boden hat. Dann muss er weniger düngen und der Stickstoff bleibt lange dort, wo er sein soll. Ist der Boden sandig, hat er Pech.
Fruchtfolge, Gründüngung und die grosse Trägheit
Generell ist es gut, den Boden weniger zu bearbeiten. Bei jedem Eingriff steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Nitrat ausgewaschen wird. Eine Empfehlung, um das zu verhindern, ist, ihn nach der Ernte sofort wieder zu bebauen, zum Beispiel mit Klee. Der Stickstoff bleibt dann in der Pflanze und wird nicht ausgewaschen. Wenn sie untergepflügt wird, gibt sie ihn beim Verrotten an die nächste Kultur weiter. Gründüngung ist auch ein gutes Mittel gegen Bodenerosion, aber keine neue Idee.
Genausowenig wie die Fruchtfolge – das heisst, verschiedenartige Pflanzen werden nacheinander auf demselben Acker angebaut. Ideal ist die Mischung von Blattfrüchten wie Raps, Rüben und Kartoffeln mit Halmfrüchten, also Getreide.
Da enden aber auch schon die allgemeinen Empfehlungen. Düngen ist eine Wissenschaft, beziehungsweise: Es ist keine. Wann bei welcher Kultur womit gedüngt wird, ist ein Produkt aus Wissen, Erfahrung, Fingerspitzengefühl und einer Portion Glück. Anpassungen sind kompliziert, eventuell teuer und arbeitsaufwendig. Ein Grund, warum Änderungen in der Landwirtschaft bisher träge verlaufen sind, trotz umfangreicher Subventionen.
Der digitale Bauer lässt vom Sensor dosieren
Wasserschutzprogramme fordern, dass sich Landwirte auf Berechnungsmethoden beziehen und Buch führen, wie viel sie wann düngen. Das kann bis zu komplexen digitalen Modellen gehen, die steuern, wie viel Gülle auf ein Feld ausgebracht wird. Ziel ist, den Nitrateintrag in die Gewässer zu vermindern. Neben Berechnungsmodellen gibt es einige technische Innovationen, die die Dosierung verbessern oder die Stickstoffabgabe an den Boden verlangsamen sollen.
Wer weniger düngt, wird belohnt, allerdings vom Staat und nicht vom Markt. Futtermittel wie Futterweizen müssen weiter günstig sein, sonst wird das Fleisch zu teuer. Vernachlässigt wird auch, dass beim Gemüse- und Weinanbau, der sehr viel Düngemittel verschlingt, viel Nitrat ins Wasser gelangt.
Gülle und Mist sind dabei übrigens kaum besser als Mineraldünger. Auch sie enthalten Stickstoff, der sich als Nitrat im Wasser wiederfindet. Biolandbau verringert den Nitrateintrag dennoch um 36 bis 42 Prozent, das zeigt eine Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) von 2007.
Welche Getreidesorte ein Bauer wählt, beeinflusst die Stickstoffbindung ebenfalls. Selbst Fachleute scheinen sich aber nicht darüber einig zu sein, wie sehr. So kommt eine Untersuchung des «Forums Ackerbau» zu dem Schluss, dass die Sorte grösseren Einfluss auf den Proteingehalt des Weizens hat als die Düngung. Die «Saaten-Union», ein Zusammenschluss von Saatgutanbietern, deren Ziel es immerhin ist, Saatgut zu verkaufen, kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Fast unnötig zu sagen: Nicht jede Sorte passt zu jedem Boden und gedeiht unter unterschiedlichen Bedingungen gleich gut.
Mischkultur – alles durcheinander
Eine andere alte «neue» Nitratspar-Methode ist die Mischkultur. Der Landwirt säht dabei mehrere verschiedene Kulturen auf einem Feld, Hafer mit Bohnen und Weizen mit Erbsen zum Beispiel.
Hülsenfrüchte haben den Vorteil, dass sie Stickstoff aus der Luft gewinnen können. So nehmen sie dem Getreide keine Nährstoffe weg und befördern Stickstoff in den Boden.
Nach der Ernte werden die verschiedenen Sorten dann getrennt. Bisher sind Mischkulturen eine Ausnahmeerscheinung, obwohl sie gefördert werden und noch einige andere Vorteile haben.
Wenn Bäcker und Bauer zusammen das Wasser schützen
Einen anderen Weg ging eine Initiative in Bayern. 33 Bauern, sieben Mühlen und 36 Bäcker produzieren zusammen «Wasserschutzbrot». Die Landwirte verzichten dabei auf die letzte von drei Düngestickstoffgaben, damit weniger Nitrat ins Wasser gelangt. Teilweise erhalten sie dafür eine Ausgleichszahlung von den lokalen Wasserversorgern.
Die teilnehmenden Bäckereien müssen mindestens die Hälfte ihres Weizenmehls aus «Wasserschutzweizen» beziehen und dürfen ihr Brot als «Wasserschutzbrot» bezeichnen, wenn es wenigstens 60 Prozent Wasserschutzmehl enthält. Probleme mit der Brotqualität gibt es nach Berichten der Lokalmedien nicht.
Und das liebe Fleisch
Einer der heikelsten Punkte in der Nitrat-Diskussion ist die Nutztierhaltung. Geflügel- und Viehzuchtfarmen produzieren in der Regel mehr Gülle und Mist, als ein Bauer selbst verbrauchen kann. In Gebieten mit viel Nutztierhaltung sind die Nitratwerte am höchsten. Das Überangebot an Gülle gibt wenig Anlass, beim Düngen sparsam vorzugehen.
Manche Tierhalter versuchen, Gülle und Mist über Güllebörsen an andere Betriebe zu verkaufen, was mehr oder weniger gut funktioniert. Regulierungsvorschläge wie die Einschränkung der Tiere pro Fläche und Betrieb werden verständlicherweise nicht mit Applaus quittiert. Sollte der Fleischkonsum abnehmen, könnte die Güllemenge ebenfalls sinken. Aber ob das ausreicht?
Sonst wird irgendwann das Trinkwasser teuer
Stickstoff am falschen Ort sorgt also für eine einigermassen verfahrene Situation. Sicher ist nur, dass die Kosten am Ende an den Konsumenten weitergegeben werden, wenn die Nitratbelastung des Grund- und Oberflächenwassers weiter steigt. Das deutsche Umweltbundesamt warnte bereits vor drei Jahren vor steigenden Kosten.
Dabei ist zu bedenken, dass Veränderungen beim Düngeverhalten jahrelang brauchen, bis sie im Grundwasser ankommen. Den Versorgern bleibt dann nur, auf sauberere Quellen auszuweichen oder Nitrat aus dem Trinkwasser zu entfernen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Danke für diesen interessanten Beitrag. Er zeigt schön auf, wie komplex das Thema ist. Viele NGO’s vereinfachen die Problematik in der Landwirtschft gerne und haben kaum eine Ahnung, wie kompliziert die Zusammenhänge sind.
Danke, sehr interessant. Nur wie bringt man Wissen zur Allgemeinheit?
Schöne neue Welt. Damit es die Industrie leichter hat werden wir alle langsam vergiftet.
Früher wurden Brunnenvergifter hart bestraft. Heute tragen die Geschädigten die Folgekosten – auch die Veganer, die sich Bio ernähren.
Schönfärberei und Verharmlosung in diesem Ausmass sind wir uns vom Bauernverbandspräsidenten gewohnt, nicht aber vom Infosperber, den schätzte ich bisher für seine Nüchternheit. «Trockenere Sommer und Sturzregen» für die Boden- Gewässer- und Trinkwasserbelastung heranzuziehen, ist eine Schublade zu tief. Warum denn die Kunstdüngerimporte und –einsätze, wenn Mist und Gülle – was die Böden schon nicht schlucken können – bezüglich Stickstoff „kaum besser“ ist? Geht es darum, wie bei Ritter, den Leser müde zu reden, stets zu etwas anderem, als zum unbequemen Thema? Alles hängt mit allem zusammen … Es ist kompliziert … „Mischkultur“… „Gründüngung“… „Wasserschutzbrot“. Zum Schluss noch die Kostenkeule schwingen (und die bereits bezahlten 15 Milliarden Subventionen nicht erwähnen) und dann noch der Hinweis, dass weniger Kunstdünger sich im Trinkwasser ohnehin nur langsam auswirken würde … Mir reicht’s. Ich warte auf die Agrarinitiativen.