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In Sonnencremes verbergen sich problematische Weichmacher. Wer ihnen entgehen will, muss das Kleingedruckte lesen. © RTL

Gefährlicher Weichmacher in Kindersonnencremes

Daniela Gschweng /  Sonnenschutz kann ein hormonstörendes Phthalat enthalten. Das fand «Öko-Test» bei der Prüfung von 25 Kindersonnencremes heraus.

Das deutsche Konsumentenmagazin «Öko-Test» hat in Sonnencremes für Kinder einen verbotenen Weichmacher gefunden. Von 25 geprüften Sonnencremes fand sich in sieben die Chemikalie Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP).  

DnHexP steht auf der EU-Kandidatenliste der «besonders besorgniserregenden Stoffe». In der EU und der Schweiz ist die Chemikalie grösstenteils verboten. Sie greift in das Hormonsystem ein und ist als fortpflanzungsschädigend eingestuft.

In Sonnencremes gelangt DnHexP als Verunreinigung des UV-Filters DHHB (Diethylamino hydroxybenzoyl hexyl benzoate). Aber nicht alle Produkte mit DHHB enthalten DnHexP. Wer sichergehen will, vermeidet DHHB. Grund zu Panik bestünde aber auch bei anderen Sonnencremes nicht, sagt «Öko-Test».

Die Suche nach der Chemikalie im Heuhaufen

Die Funde von «Öko-Test» sind der vorläufige Endpunkt einer Suche, die Ende Januar begann. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hatte im Zuge der 6. Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit im Urin von Probanden Hinweise auf MnHexP (Mono-n-hexyl-Phthalat) entdeckt. MnHexP kann im Körper als Abbauprodukt aus verschiedenen Stoffen entstehen. Einer davon ist DnHexP.

Woher der Weichmacher-Metabolit in 37 Prozent der Proben stammte, war zunächst unklar. Die von «Öko-Test» befragte Toxikologin Marika Kolossa äusserte bereits Anfang Februar den Verdacht, dass er aus Sonnencreme stammen könnte. Auch eine RTL-Reporterin fing früh an, in diese Richtung zu recherchieren.

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In 21 von 57 Sonnenschutzmitteln mit und ohne DHHB fand das CUVA das verbotene Phthalat DnHexP.

Der Verdacht bestätigte sich, als das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CUVA) eine Untersuchung von 57 Sonnencremes veröffentlichte. Darunter solche, die den UV-Filter DHHB enthielten, und solche, bei denen das nicht der Fall war. Das CUVA fand in 21 von 57 Sonnencremes DnHexP, 17 Produkte enthielten die Chemikalie nur in Spuren, 4 waren stark belastet. Produkt- oder Herstellernamen veröffentlichte das Amt nicht.

Kinder besonders empfindlich

Besonders problematisch ist dieses Ergebnis bei Kindern. Zum einen, weil man Kinder gut eincremen sollte, da sie auf UV-Licht besonders empfindlich reagieren. Hohe Strahlungsbelastung im Kindesalter erhöht die Wahrscheinlichkeit, später im Leben an Hautkrebs zu erkranken. Hormonstörende Substanzen sind für Babys und Kleinkinder jedoch besonders problematisch.

Acht RTL-Mitarbeiter:innen cremten sich eine Woche lang mit zwei Kindersonnencremes ein, in denen «Öko-Test» DnHexP gefunden hatte – dem im Test am meisten belasteten Produkt «Bevola Kids Sonnencreme 50+» (Kaufland) und «Ladival Für Kinder Sonnenschutz Milch 50+» (Apotheke), einem wenig belasteten Produkt. Sie vollzogen damit nach, wie schnell die verbotene Substanz in den Körper gelangt.

Weichmacher geht sehr schnell in den Körper über

Sechs von acht Probanden hatten nach dieser kurzen Zeit deutlich mehr Mono-hexyl-Phthalat im Urin als vorher. Eine Journalistin sogar besonders viel. Vermutlich, weil sie noch andere Produkte verwendete, die DHHB enthielten, etwa Haarspray und Lippenstift.

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Diese Sonnenschutzmittel sind laut RTL nicht mit DnHexP belastet.

Gut hätten im Test beispielsweise Produkte der deutschen Drogerieketten Rossmann und dm abgeschlossen, resümiert Kata Tölle, die stellvertretende Chefredaktorin von «Öko-Test», gegenüber RTL. In zwei Produkten für Kinder fand «Öko-Test» Spuren des ebenfalls verbotenen und fortpflanzungsgefährdenden Weichmachers DEHP.

Der Ersatz ist nicht viel besser als das Ausgangsprodukt

Das CUVA Karlsruhe hat eine Erklärung dafür, warum die Substanz plötzlich im Urin von vielen Menschen auftauchte. Die Verwendung von DHHB als Lichtschutzfilter sei seit 2022 stark angestiegen, weil DHHB als Ersatz für den bedenklichen UV-Filter Octocrylen verwendet wird. Aus Octocrylen kann die möglicherweise krebserregende Substanz Benzophenon entstehen. Octocrylen schadet ausserdem Korallenriffen und ist deshalb in einigen Gebieten verboten.

Damit wiederholt sich ein Muster, das man bereits von anderen Produkten kennt: Eine bedenkliche Chemikalie wird durch eine andere ersetzt, deren problematische Eigenschaften erst später offensichtlich werden.

DnHexP lasse sich als Verunreinigung in DHHP nicht vermeiden, argumentierten einige Hersteller. Dagegen spricht, dass nicht alle Sonnenschutzmittel belastet sind, die diesen UV-Filter enthalten. Ein Hersteller erklärte, dass die Verunreinigung aus der Verpackung stamme.

BfR äussert sich zunehmend vorsichtig

Es bestehe kein Anlass zur Besorgnis, äusserte sich das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im März. Die niedrige Konzentration des Weichmachers in den Cremes sei sicher. In einer späteren Antwort auf eine RTL-Anfrage klang es schon vorsichtiger: Das BfR riet dazu, die Aufnahme des giftigen Stoffs so weit wie möglich zu reduzieren.

Ergebnisse aus Tierversuchen mit Ratten auf Kinder zu übertragen, sei handwerklich korrekt, sagt ein von RTL befragter Experte. Weil Hormonstörer für Kinder besonders problematisch sind, ist der Toxikologe Jörg Oehlmann jedoch skeptisch. Cocktail-Effekte mit anderen Umweltchemikalien berücksichtige das BfR ebenfalls nicht. Er selbst würde versuchen, die Substanz so weit wie möglich zu vermeiden, sagt er. Immerhin – MnHexP baut sich laut RTL im Körper nach einigen Tagen ab.

Öko-Test: «Weiterschmieren!»

Der erste Verdacht im Februar sei Grund genug für zahlreiche besorgte Eltern gewesen, sich bei «Öko-Test» zu melden, schreibt das Magazin in seiner neuesten Ausgabe. Grund zur Panik bestehe jedoch nicht. Und erst recht kein Anlass, auf Sonnenschutz zu verzichten.

Der Test listet acht empfehlenswerte Produkte auf. Wer sichergehen und auf Produkte mit DHHB verzichten will, muss das Kleingedruckte auf der Packung lesen: DHHB ist als DIETHYLAMINO HYDROXYBENZOYL HEXYL BENZOATE in der Zutatenliste von Kosmetika aufgeführt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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