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Grille, Mehlwurm und Wanderheuschrecke dürfen neu in der EU ins Essen gemischt werden. Schon seit 2017 sind sie in der Schweiz zugelassen. © ZHAW

EU lässt Insektenmehl im Kuchenteig zu

Daniela Gschweng /  Seit Ende Januar sind Insekten in EU-Lebensmitteln erlaubt. Das sorgt für lebhafte Diskussionen, ist aber nicht neu.

Seit 24. und 26. Januar sind per EU-Verordnung zwei neue Insektenarten für den EU-Markt zugelassen. Bestandteile von Grillen und Getreideschimmelkäfern dürfen jetzt in Lebensmittel gemischt werden.

Die Meldung sorgte für überraschend viele Reaktionen. Bestandteile kontrolliert gezüchteter Insekten sind schon seit vielen Jahren in Lebensmitteln enthalten. Die Zulassung weiterer Insektenprodukte ist auch kein Plan der EU. Zulassungsanträge kommen gewöhnlich von den Herstellern, die in den letzten Jahren mehrere gestellt haben. Acht Anträge für Insektenprodukte sind laut der zuständigen EU-Behörde derzeit noch offen.

Wirrer Tweet heizte die Debatte an

In den sozialen Medien sorgte die EU-Verordnung für hitzige Debatten. Einen grossen Anteil daran hatte dieser Tweet des stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger:

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Ein Tweet des bayerischen Politikers Hubert Aiwanger löste absehbar heftige Diskussionen aus.

Aiwangers Tweet löste absehbar viele Reaktionen aus, weil er einiges durcheinanderbrachte. Nicht nur, dass es um Zuchtinsekten geht und nicht um Ungeziefer im Essen. Veganer:innen essen weiterhin keine Tiere und damit auch keine Insekten.

«Insektenmehl in der Schoggi – igitt!», denkt sich der ein- oder andere nun. Die Fakten:

Welche Insekten sind in der EU seit 2023 neu zugelassen?

  • Buffalowurm – so heissen die Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus) – in getrockneter, pulverisierter, gefrorener oder pastenartiger Form
  • Hausgrille oder Heimchen (Acheta domesticus) entfettet in Pulverform

Welche Insekten sind schon länger zugelassen?

  • Hausgrille gefroren, getrocknet, pulverförmig in bestimmten Lebensmitteln (seit Februar 2022)
  • Wanderheuschrecke (Locusta migratoria, seit November 2021)
  • Mehlwurm (Tenebrio molito, seit Juni 2021)
  • Farbstoffe der Scharlachschildlaus (Karmin)
  • Sekret der Lackschildlaus (Schellack)

Was ist in der Schweiz erlaubt?

Die Schweiz ging bei der Zulassung von essbaren Insekten sehr progressiv vor. Mehlwurm, Hausgrillen und Wanderheuschrecke aus Zuchten sind schon seit 2017 als Lebensmittel zugelassen. Grundsätzlich gelten auch alle Regeln, die in der EU gelten, sofern sie der Schweizer Gesetzgebung nicht widersprechen.

Welche Lebensmittel können Insektenbestandteile enthalten?

Insektenbestandteile in Lebensmitteln gibt es in der EU, wie gesagt, schon länger. Schellack, ein Sekret der Lackschildlaus beispielsweise. Das aus Holzverarbeitung bekannte Material bildet einen glänzenden Überzug, der M&Ms, Schoko-Bons und Schokolinsen überzieht. Der rote Farbstoff der Scharlachschildlaus ist ebenfalls beliebt. Er wird Lebensmitteln wie Süssspeisen und Kosmetika zugesetzt, listet unter anderen das Nachhaltigkeitsportal «Utopia» auf.

In Zukunft dürfen Insektenmehl und -paste in der EU zum Beispiel in Brot und Brötchen, Biskuits und Backmischungen, Müsli, Pizza, Nudeln, Sossen, in Schokolade oder als Zusatz in anderen Lebensmitteln enthalten sein.

Wie häufig sind Insekten im Essen?

Insgesamt ist der Anteil der Lebensmittel mit Insektenbestandteilen aber klein. Es handle sich um einen «ganz, ganz kleinen Nischenmarkt», sagt der Lebensmittelchemiker Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg zu «Utopia».

Die Genehmigung dafür ist an die Hersteller geknüpft. Nur ein einziger Hersteller habe beispielsweise bisher die für fünf Jahre exklusive Genehmigung, Hausgrillen-Pulver zu verarbeiten, gibt die Europäische Kommission bekannt.

Was sind die Vorteile von Insekten-Food?

Insekten stehen in Teilen der Welt regulär auf dem Speiseplan – es gibt sogar Beispiele aus Europa wie den (verbotenen) sardischen Maden-Käse Casu Marzu, dessen Herstellungsprozess beim Durchlesen eher Hühnerhaut verursacht.

Es müssen ja nicht gleich Maden im Käse sein – aber Insekten sind erstaunlich gesund. Sie enthalten teilweise sogar mehr Protein als Fleisch, dazu Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren und sind reich an Mineralstoffen und Spurenelementen (FAO). Kontrolliert gezüchtete Insekten – und nur um diese geht es hier – sind klimaschonend und umweltfreundlich. Insektenzucht benötigt wenig Fläche, verursacht wenig Treibhausgase, verbraucht weniger Wasser als Nutztiere und verursacht weniger Abfälle.

Für wen können Insektenbestandteile im Essen gefährlich sein?

Für Allergiker besteht beim Verzehr von Insektenbestandteilen ein Risiko, wenn sie auf Hausstaubmilben, Krusten- und Krebstiere allergisch sind. Produkte mit Getreideschimmelkäfern (Buffalowürmern) dürfen von Personen unter 18 Jahren nicht verzehrt werden – ein Warnhinweis ist Pflicht.

Wie können Konsument:innen herausfinden, ob ein Lebensmittel Insekten enthält?

Insektenmehl und -farbe werden nicht mit einem Label wie einem Käfer auf der Verpackung markiert. Stattdessen müssen Kundinnen und Kunden im Kleingedruckten suchen. Bezeichnet sind Insekten und ihre Bestandteile

  • mit einer Angabe wie «entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)». Laut EU-Vorschrift müsssen der lateinische und deutsche Name angegeben sein. Das bestätigte auch der deutsche Lebensmittelverband auf Nachfrage von «Correctiv».
  • mit einer Warnung für Allergiker wie «kann Insektenbestandteile enthalten»
  • als «roter Karmin», «Karmin», «echtes Karmin» oder E 120 – das ist der Farbstoff der Scharlachschildlaus, der zum Beispiel in Joghurt stecken kann
  • als «CI 75470», «Carmine» oder «Cochenille» in Kosmetika, auch das ist Schildlausfarbstoff
  • als «Schellack» oder E 904 in Lebensmitteln und Kosmetika
  • Obst, das als «gewachst» markiert ist, kann ebenfalls Schellack enthalten

Wie können Sie ausschliessen, Insektenbestandeile zu verzehren?

Was als «vegan» bezeichnet ist, darf keine Insekten enthalten. Wenn Sie ganz sicher gehen wollen, greifen Sie am besten zu Produkten, die mit dem V-Label ausgezeichnet sind. Das Vegan-Label garantiert und kontrolliert, dass keine tierischen Bestandteile, also auch keine Insekten enthalten sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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4 Meinungen

  • am 8.02.2023 um 12:31 Uhr
    Permalink

    In spätestens fünf Jahren sind wir dann bei ‹Soylent Green›. Man muss ja die immer mehr Menschen mit immer weniger Ressourcen irgendwie noch genug am Leben erhalten, damit sie weiterhin produktiv für das Kapital nutzbar sind…

  • am 8.02.2023 um 22:18 Uhr
    Permalink

    Danke für diese gut recherchierten Informationen. Bei emotionalen Themen ist es immer schwierig mit anderen Menschen eine vernünftige Diskussion zu führen. In der alternativen Szene werden Insekten verteufelt, da gibt es Webseiten welche Giftstoffe im Chitin aufzählen, ohne zu berücksichtigen dass immer die Dosis das Gift macht. Das Geschäft mit der Angst blüht. Auf Nahrungsergänzungen steht «Garantiert Insektenfrei» und was gestern noch 29.90 gekostet hat, kostet jetzt 34.90. Ich war 1983 in Luzon, dort Essen Menschen Insekten als Proteinquelle. Knusprige Grillen. Schmecken wie Erdnüsse. Nur die Angst vor dem Ungewohnten steht dem Geniesser im Wege. Starke Gefühle können so mächtig sein, das manch eine Person sogar zur Gewalt neigt. In der Schule wollten mich einige Erpressen mit der Zwangsverabreichung von Lebertran. (Ich war körperlich der Schwächste) Aber ich liebe Lebertran. Ich brauchte nach einem Löffel Lebertran meine feigen Peiniger nur an zu hauchen, und sie rannten davon.

  • am 8.02.2023 um 22:25 Uhr
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    Aber wozu sollen Insekten ab jetzt ins Brot, in die Nudeln oder in die Pizza gemischt werden? Damit ihr Proteingehalt steigt? Und muss ich in der Bäckerei und im Restaurant ab jetzt immer fragen, ob Insektenmehl verwendet wurde? Und wieso wird das nicht öffentlich diskutiert, wie es für eine Demokratie angebracht wäre?

  • am 10.02.2023 um 09:17 Uhr
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    Ich esse in Asien gerne mal frische Insekten als Snack zum Bier. Frittierte Mehlwürmer zum Beispiel, aber aber das es nun als billiges Industrieprodukt überall mit reingemischt werden darf ist eine Frechheit!

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