Der Schnittlauch aus Äthiopien kommt mit dem Flugzeug
«Die Verbundenheit zur Schweiz und ihren Produzenten gehört seit jeher zur Grundhaltung von Volg.» Das schreibt die Firma, die aus dem Verband ostschweizerischer landwirtschaftlicher Genossenschaften hervorging und inzwischen 600 Läden betreibt, auf ihrer Website. Mittlerweile gehört Volg zur Fenaco-Gruppe, einem Konzern mit über 11’000 Angestellten und einem jährlichen Umsatz von 7 Milliarden Franken. Dazu gehören auch Firmen wie UFA (Samen), Ernst Sutter (Fleisch), Ramseier (Getränke), Provins, Landi oder Agrola.
«Höchster Anteil an Schweizer Produkten»
Volg betont also: «Viele Produkte stammen von kleinen und mittelgrossen Unternehmen, die für die Region oft wichtige Arbeitgeber sind. Mit dieser Verbundenheit zum Produktionsstandort Schweiz trägt Volg zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Schweiz bei.» In der Januar-Nummer der Kundenzeitschrift «Öise Lade» kommt das Wort «Schweiz»72 Mal vor. Und Volg schreibt: «Wir sind der Detaillist mit dem höchsten Anteil an Schweizer Produkten.»
Zwiespältiges Bild
Ob das tatsächlich so ist, lässt sich nicht überprüfen. Mehrere Infosperber-Stichproben zeigen ein zwiespältiges Bild. Volg hat in der Tat sehr viele Schweizer Produkte im Sortiment. Und Produkte, wie sie bei der Konkurrenz gang und gäbe sind, gibt es bei Volg nicht: Heidelbeeren aus Peru etwa, Bohnen aus dem Senegal oder Fleisch aus Australien, Neuseeland und Uruguay.
Natürlich ein «Kundenbedürfnis»
Aber auch Volg hat durchaus irritierende Produkte im Sortiment: Trauben aus Südafrika, Mangos aus Brasilien, Avocados aus Chile, Cherrytomaten aus Ägypten oder Schnittlauch aus Äthiopien. Besonders stossend: Volg lässt den Schnittlauch aus Äthiopien einfliegen. Unterwegs muss er gekühlt sein.
Volg sagt dazu: «Aus dem Ausland importieren wir nur, wenn ein bestimmter Artikel bei uns nicht erhältlich ist.» Und weiter: «Zusätzlich orientieren wir uns – wie jeder andere Detailhändler auch – an den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden. Die von Ihnen erwähnten Früchte und Gemüse nicht anzubieten, wäre nicht im Sinne eines kundenorientierten Handelns. Die ausländischen Produkte ergänzen dabei das Angebot und verdrängen keineswegs Schweizer Produkte.»
Mit den «Kundenbedürfnissen» ist es allerdings so eine Sache. Die Detailhändler sagen zwar, Produkte vom anderen Ende der Welt entsprächen einem «Kundenbedürfnis». Doch Infosperber zeigte kürzlich auf, dass die Ware oft wie Blei in den Regalen liegt und zum Aktionspreis verscherbelt werden muss.
Und gerade in der heutigen Ausgabe berichtet die Konsumentenzeitschrift K-Tipp darüber, dass Schnittlauch aus der Schweiz auch im Winter erhältlich wäre — es ist alles nur eine Frage des Willens und des Preises.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die Länder im Süden möchten auch nicht nur von «Entwicklungshilfe» und anderen «handouts» leben. «String beans», bzw. Frühjahrsbohnen aus Ägypten, oder Frühjahrskartoffeln im Dezember aus Rwanda haben durchaus auch eine ökonomische Rechtfertigung.
Warum sollten nur CH-Uhren um die ganze Welt herum verkauft werden dürfen.
Etwas mehr «auf Augenhöhe» argumentieren könnte auch in Europa Sinn machen.
Es wird manchmal vergessen, dass Transportkosten über die Meere in etwa den Transportkosten über ein paar hundert Kilometer auf dem Kontinent entsprechen. Die oft präsentierte ökologische Rechnung auf der Basis geographischer Distanzen ist schlichtweg absurd.
Wenn Ananas aus Afrika die Überkapazität in Swiss-Flugzeugen nutzen, sind die Grenzkosten sehr klein, der ökologische «Schaden» in der Nähe von null.
Nicht alles, was schön tönt, muss auch wahr sein.
Mag ja sein, dass das ökonomisch Sinn macht. Aber Ägypten und Äthiopien sind Dürre- und Hungerländer; die mit Müh› und Not die eigene Bevölkerung ernähren und unter extremer Armut leiden. Den Schnittlauch von dort kann sich vermutlich kein Einheimischer leisten; mit den äthiop. Rosen wird es ähnlich sein. Man sieht doch in Italien und Spanien, dass der Gemüse- und Obstexport, der einmal bitterarmen Regionen Wohlstand brachte, längst in extreme Ausbeutung und Raubbau ausgeartet ist. Das Grundwasser ist futsch, rechtlose, unversicherte Migranten machen die Drecksarbeit, die Landschaft ist verschandelt, alle sind abhängig von diesen Monokulturen. In 20, 30 Jahren wird es wohl in Ägypten und Äthopien genauso sein; das hat doch keine Zukunft. Es gibt einzelne Projekte aus der Enwicklungshilfe und von Bioproduzenten, die auf Löhne, Umwelt, Wasser etc. achten, aber das ist leider nur ein winziger Teil.
Bin ebenso der Meinung von Josef Hunkeler. Warum soll ein Bauer in Äthiopien oder eine Landwirtin in Kenia nicht ihre Produkte auch in der Schweiz absetzen dürfen? Die ökologische Bilanz ist meistens nicht schlechter, als wenn (wie bei uns) im Treibhaus geerntet wird. Die Problematik ist weit komplexer, als uns der Sperber-Journalist weismachen will. So lange die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Nord und Süd derart ungerecht ausgestaltet sind, zahle ich gerne für Heidelbeeren aus Peru oder eine saftige Ananas aus Costa Rica einen Batzen an die Benachteiligten. Selbst mit dem Risiko, dass viel Geld unterwegs abgezapft wird. Davon können mich schulmeisterliche Berichte wie dieser hier nicht abhalten. Etwas mehr „Augenhöhe“ (d.h. echte wirtschaftliche Solidarität) mit den ärmeren Ländern des Planeten würde der reichen, überheblichen Schweiz besser anstehen als die lokal fokussierte Besserwisserei und das peinliche globale Rosinenpicken. Das könnte Infosperber viel besser vermitteln.
Möglicherweise ginge es der Bevölkerung in Äthiopien und in Peru besser, wenn die landwirtschaftlichen Betriebe für die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung produzieren würden. Statt dessen dient das wertvolle Wasser zur Produktion von Luxusprodukten, die wir dann in unseren Regalen vorfinden.
Ganz so einfach ist es leider nicht. Afrika produziert immer noch v.a. Rohmaterialen, bzw. unveredelte Rohstoffe. Der Wertschöpfungsprozess findet v.a. in den Importländern statt (z.B. Kaffeerösterei, Schockoladeherstellung…). Um aber lebensnotwendige Industrieprodukte importieren zu können, müssen diese Länder notwendigerweise Produkte exportieren, welche einen minimalen Mehrwert enthalten. Saisonale Nischenprodukte können hier einen solchen Mehrwert aus Gründen klimatischer Vorteile enthalten. Das ist ein normaler Aspekt internationaler Arbeitsteilung.
Der Kaffee muss «grün», also ohne jeglichen Mehrwert exportiert werden, um möglichst nahe am Konsum geröstet zu werden. Auch Tee im Herstellungsgebiet dosiert abzufüllen macht produktionsmässig wenig Sinn. Nur bei der Schockolade besteht die Möglichkeit das Fertigprodukt vor Ort herzustellen. Welcher Schweizer würde aber Schockolade von Ghana kaufen wollen ?
Bei den Mineralien wird ausser Gold kaum etwas vor Ort konsumfertig…
Mein Schnittlauch wächst bei 8 Grad 0,8 cm pro Tag ( im kalten Zimmer mit Einfachglas).Gestern,Coop Biasca, 10 Gramm Schnittlauch aus Marokko: 1.1 Franken.In den verwilderten Gärten von Osogna stand der Schnittlauch doppelfausthoch.Frisst eine wilde Ziege den Schnittlauch,zerstört sie 110 Franken pro Kilo !