kantamanto

Nichts als Asche: Händler suchen nach brauchbaren Überresten auf dem abgebrannten Kantamanto-Markt in Accra. © Instagram / lago_collective

Brand zerstört grössten Secondhand-Markt Westafrikas

Philippe Stalder /  Tonnen von Altkleidern landeten täglich auf dem Kantamanto Markt in Ghana – auch aus der Schweiz. Nun liegt der Markt in Asche.

Er war die Endstation der globalen Fast-Fashion-Industrie und stand symbolisch für eine Konsumgesellschaft, die längst ausser Kontrolle geraten ist: Der Kantamanto-Markt in der ghanaischen Hauptstadt Accra. Mehrere Tonnen Altkleider aus aller Welt, insbesondere aus dem Westen, trafen täglich auf dem belebten Markt ein.

Mit verheerenden Folgen für die Umwelt. Denn rund die Hälfte der Kleidungsstücke sind bereits unbrauchbar, wenn sie im Hafen von Accra eintreffen, und wandern direkt auf den illegalen Abfallberg in Old Fadama, Accras grösstem Slum. Dort rotten unsere Altkleider vor sich hin und verpesten die nahegelegene Lagune.

Doch nun fiel der historische Markt in der Nacht vom 1. auf den 2. Januar einem verheerenden Feuer zum Opfer. Die Flammen zerstörten die Existenz Tausender Kleidungsrecycling-Händler – und rückten dadurch die Problematik mangelnder Abfallverwertungsmöglichkeiten in der Modebranche wieder ins Rampenlicht.

Fehlerhafte Elektronik oder Brandstiftung?

Das Feuer zerstörte weite Teile des rund zwölf Fussballfelder grossen Marktes und vertrieb Tausende von Händlerinnen und Händlern, wie der Ghana National Fire Service (GNFS) mitteilte. 13 Löschfahrzeuge waren im Einsatz, um die Flammen zu löschen. Vergebens. Dort, wo einst Tausende Menschen gleichzeitig nach Gebrauchtkleidern suchten, stehen jetzt abgebrannte Standruinen. Waren im Wert von Millionen der lokalen Cedi-Währung wurden zerstört, so die GNFS.

«Das ist verheerend», sagt Alex King Nartey, ein GNFS-Sprecher. «Wir haben keine schweren Opfer zu beklagen, aber der wirtschaftliche Verlust ist enorm.»

Hunderte von Händler:innen, von denen viele auf den Wiederverkauf gebrauchter Kleidung spezialisiert sind, stehen nun vor einer ungewissen Zukunft. Für Händler wie den 45-jährigen Fred Asiedu ist das Feuer eine Katastrophe, die sein Leben verändert.

«Jetzt ist alles weg»

«Alles, was ich besitze, war hier – meine Waren, meine Ersparnisse, meine Zukunft. Jetzt ist alles weg», sagte Asiedu. «Wie soll ich neu anfangen? Die Regierung muss eingreifen. Ohne Hilfe wird das Leben unerträglich sein.»

Adjoa Amu, eine 39-jährige Mutter von drei Kindern, beschrieb den Brand als vernichtenden Schlag. «Ich verkaufe hier seit zwölf Jahren. Dieser Markt ernährt meine Kinder und bezahlt ihre Schulgebühren. Jetzt bleibt mir nichts als Asche», sagte Amu gegenüber AFP und bat ebenfalls um staatliche Unterstützung beim Wiederaufbau.

Vorläufige Untersuchungen deuteten darauf hin, dass fehlerhafte elektrische Anschlüsse den Brand ausgelöst haben könnten, obwohl auch Brandstiftung nicht ausgeschlossen werde, so Nartey gegenüber der französischen Presseagentur.

Nach Angaben der ghanaisch-amerikanischen Or Foundation, die vor Ort Hilfsmassnahmen unterstützt, waren auf dem Kantamanto-Markt mehr als 30’000 Händler tätig. Die Marktleitung hat der gemeinnützigen Organisation mitgeteilt, dass mindestens 8’000 von ihnen direkt von dem Feuer betroffen waren und mindestens 10 der 13 Marktabschnitte «katastrophale Schäden» erlitten haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass auf dem Markt ein Feuer ausbricht. Die meist informell gebauten Holzstände haben den Markt anfällig für Brände gemacht. Bisher konnten sie die Marktbetreiber jedoch löschen, bevor die Flammen sich ausbreiteten.

Einige der Upcycler von Kantamanto haben begonnen, Filmmaterial und Statements in den sozialen Medien zu veröffentlichen.

Die gemeinnützige Organisation Upcycle It Ghana teilte mit, dass ihr Laden von den Flammen verschlungen wurde, und fügte hinzu: «Dieser tragische Vorfall hat jahrelange harte Arbeit zunichte gemacht und viele ihrer wichtigsten Lebensgrundlage beraubt.»

In einer Zeit, in der es in der Modebranche kaum funktionierende Lösungen für die Abfallentsorgung gibt, können die potenziellen Auswirkungen des Verlusts des Kantamanto-Marktes gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Or Foundation schätzt, dass der Markt jede Woche 15 Millionen ausrangierte Kleidungsstücke erhält, ein Grossteil davon aus dem globalen Norden.

Nach Angaben der Stiftung sind die Händler des Marktes dafür verantwortlich, dass jeden Monat 25 Millionen Secondhand-Artikel durch Wiederverkauf, Wiederverwendung, Reparatur und Wiederaufbereitung in Umlauf gebracht werden.

So wurde der Kantamanto-Markt zu einem weltweit anerkannten Symbol für den Handel mit Secondhand-Kleidung. Bilder von seinen Reparatur- und Upcycling-Bemühungen und den unbrauchbaren Textilabfällen, welche die Strände verstopfen und die Gewässer verschmutzen, gingen um die ganze Welt. Nun erinnert sie die Tragödie mehr denn je an die dringende Notwendigkeit, die Funktionsweise des globalen Modesystems zu überdenken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Eine Meinung zu

  • am 15.01.2025 um 13:55 Uhr
    Permalink

    Ja, eine Konsumgesellschaft, die längst ausser Kontrolle geraten ist. Leider trifft dies im besonderen Masse auf jene Bevölkerungsgruppen zu, welche in der städtisch-urbanen Konsumdichte vor sich her konsumieren, ohne echte eigene Wertschöpfung. Sinn- und seelenentleert wird dann aber die Umweltverantwortungsinitiative regional haushoch angenommen, um mit Empörung festzustellen, dass jene naturnahen Hinterwäldler auf dem Lande nicht verstehen wollen, wo der eigene Überkonsum hinführt.

    Dass man beim eigenen Konsum selber anfangen müsste, bei der eigenen Kleidung, der eigenen Raumnutzung, der eigenen physischen und psychischen Hygiene, der eigenen Mobilität, der eigenen Ernährung, der eigenen Medizin, der eigenen Einkommens- und Ausgabenstruktur, etc. kommt da leider selten jemandem in den Sinn. Lieber wartet man in der 22 Grad warmen 100qm-Wohnung auf Gesetze und staatliche Bevormundung als dass man die Freude am eigenen Denken, Fühlen und Handeln entdecken würde.

    Schade.

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