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Arbeiter auf einer Bananenplantage in Kolumbien © Adveniat/Jürgen Escher

Beschwerde in Deutschland gegen Ausbeutung in Südamerika

Daniela Gschweng /  Seit Januar verpflichtet das Lieferkettengesetz die Konzerne, Menschen- und Arbeitsrechte entlang ihrer Lieferkette einzuhalten.

Als «seine» Bananenplantage in Costa Rica den Besitzer wechselte, wurde Cristino Hernández wie alle Arbeiter gekündigt. Die meisten wurden später wieder eingestellt, Cristino Hernández und die anderen zwölf Gewerkschaftsmitglieder nicht. Formal ist das legal.

Dass organisierte Arbeiter so «verlorengehen», passiere häufig, sagt Didier Leitón, Sekretär der Gewerkschaft Sitrap. Er vermutet, dass der Verkauf der Plantage fingiert wurde und «Jardin del Tigre» an einen Strohmann ging, um die dort beschäftigten Gewerkschafter loszuwerden. Diese hätten in den vergangenen Jahren oft protestiert, unter anderem gegen das Besprühen der Plantagen mit Pestiziden aus der Luft, während sie dort arbeiteten.

In Europa gegen Missstände in Südamerika vorgehen

Hernández habe zwar eine Abfindung erstritten. Um mit 59 Jahren Arbeit auf einer anderen Plantage zu finden, sei er jedoch zu alt. Die Chancen, in Costa Rica eine Verbesserung dieser und anderer Missstände zu bewirken, seien gering, sagt Leitón. Zu unternehmerfreundlich sei die Regierung.

Besser stehen die Chancen auf der anderen Seite des Atlantiks. Leitón hat mehrfach Beschwerde beim japanischen Konzern Fyffes eingereicht. Das Unternehmen mit Sitz Genf verkauft die Bananen der Plantage, die nun «Esperanza» heisst, unter anderem an Aldi Süd und Aldi Nord. Mit Hilfe der Nichtregierungsorganisation Oxfam Deutschland hat der Gewerkschafter aus Costa Rica auch die deutschen Discounter-Ketten aufmerksam gemacht.

Ausbeutern drohen Lieferstopp und Zertifikatsverlust

Das klingt umständlich, hatte aber bereits Erfolg. Nach dem Lieferkettengesetz, das seit Anfang 2023 gilt, muss Aldi Beschwerden über Missstände in der Lieferkette nachgehen. Im Juni reiste ein Aldi-Vertreter nach Costa Rica, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Aldi prüfe, ob es Lieferungen der Plantage so lange ausschliessen könne, bis sich die Situation verbessert habe, schreibt die Tageszeitung «Neues Deutschland».

Die ecuadorianische Gewerkschaft Astac hat wegen ähnlicher Probleme wie in Costa Rica eine Beschwerde bei der Zertifizierungsorganisation Rainforest Alliance eingereicht. Diese bezieht sich auf das ecuadorianische Unternehmen Otisgraf. Deren Zertifikat sei im Juni widerrufen worden, berichtet die deutsche «taz». Das deute darauf hin, dass die Verstösse gravierend seien.

Nächstes Ziel: das deutsche Amt

Mit Hilfe von Oxfam will der Gewerkschaftskoordinator Jorge Acosta von Astac als Nächstes in Deutschland gegen Pseudo-Teilzeitverträge, unbezahlte Überstunden und ungleiche Bezahlung für Frauen auf ecuadorianischen Plantagen vorgehen.

«De facto sind für uns die Erfolgschancen über Beschwerden bei den importierenden Supermärkten und in einem zweiten Schritt im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes höher als vor Ort», sagt der Jurist gegenüber der «taz». Eine solche Beschwerde beim Amt bereiten Oxfam und Astac nun vor.

Was ist das deutsche Lieferkettengesetz?

Das deutsche «Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz» regelt die Verantwortlichkeiten deutscher Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Lieferketten. Wenn Unternehmen Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen in ihrer Lieferkette erhalten, müssen sie im eigenen Geschäftsbereich wie auch bei Zulieferern Abhilfe schaffen oder mindestens einen Minimierungsplan vorlegen. Über ihre Anstrengungen müssen sie transparent informieren.

Bisher gilt das Lieferkettengesetz für Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitenden, ab 2024 für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitenden. Für die Einhaltung des Lieferkettengesetzes sorgt das deutsche Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), das Bussgelder und Sanktionen verhängen kann.

Das klingt kompliziert, ist aber nichts anderes als eine Alternative zur gerichtlichen Klage, die das Lieferkettengesetz vorsieht. Das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa) kontrolliert und überwacht dessen Einhaltung. Beschwerdeführer dürfen sich von Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam helfen oder vor Gericht vertreten lassen.

Das Bafa bekommt derzeit viel Aufmerksamkeit

«Soweit wir wissen, ist es die erste Beschwerde im Bereich Lebensmittel», sagt die Entwicklungshilfeorganisation auf Nachfrage. Oxfam plane, diese in den nächsten Monaten einzureichen.

Die Astac-Beschwerde könnte Teil einer grösseren Veränderung werden. Bis Ende Juli zählte das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle laut der «taz» 14 Beschwerden. Juristen wie Logistiker:innen beobachten derzeit sehr genau, wie sich das Lieferkettengesetz auswirkt, auch aus der Schweiz.

Noch sind Gewerkschaften und Anwälte in vielen Ländern nicht mit dem deutschen Gesetz vertraut. Die Missstände bei Zulieferern von Aldi, Lidl, Rewe und Co. aber seien zahlreich, führt Oxfam auf.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Menschenrechte

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Die Detailhändler sprechen ständig von Nachhaltigkeit und Regionalität. Aber sie bewerben Lebensmittel vom anderen Ende der Welt.

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