Kaum zu glauben: Lidl und Aldi als Vorbilder
Anfang diesen Jahres verkündete Aldi: «Ab sofort verzichten wir vollständig auf das Einfliegen von Obst und Gemüse.» «Auch Fleisch und Fisch transportieren wir derzeit nicht per Flugzeug», ergänzt Aldi auf Anfrage von Infosperber. Eingeflogen würden gegenwärtig «lediglich die Fairtrade-Rosen, bei denen alternative Transporte nicht möglich sind, sowie saisonal der frische Basilikum.»
Noch früher dran war Lidl. Der Aldi-Konkurrent ist in der Schweiz seit 2009 tätig. Eingeflogene Früchte und Gemüse hat Lidl in der Schweiz nie verkauft. 2020 hat Lidl «das Flugverbot auch auf Frischfisch und Frischfleisch» ausgeweitet. Wie von Aldi wollte Infosperber auch von Lidl wissen, welche Waren heute noch eingeflogen werden. Doch Lidl war trotz mehrmaliger Aufforderung nicht fähig oder willens, diese Frage zu beantworten: «Welche Produkte fliegt Lidl nach wie vor ein?» Immerhin: Viel kann es nicht sein, wenn Früchte, Gemüse, Fleisch und Fisch nicht eingeflogen werden.
Coop und Migros: Leere Worte
Damit sind Aldi und Lidl wesentlich fortschrittlicher als Migros und Coop. Die beiden grossen Detailhändler lassen nämlich nach wie vor Früchte und Gemüse, Fleisch und Fisch einfliegen – besonders vor und zwischen den Festtagen.
Coop sagt zwar: «Wo möglich reduzieren wir die Flugtransporte.» Und die Migros beteuert: «Ein solcher Transport ist teuer und verursacht viel CO2.» Die Migros behauptet sogar: «Die Migros will ganz auf Flugware verzichten.»
Deshalb stellte Infosperber der Migros natürlich die naheliegendste Frage: «Warum verzichtet die Migros nicht darauf?» Das wäre ja ganz einfach. Doch die Migros beantwortete die Frage nicht wirklich. Sie schrieb nur: «Wir versuchen die Flugware auf ein Minimum zu reduzieren.» Und: «Auch führen wir keine neuen Artikel mehr ein, welche geflogen werden.»
Infosperber wollte auch wissen: «Warum verzichtet Coop nicht vollständig auf Flugtransporte?» Coop antwortete: «Mit unserem Angebot richten wir uns grundsätzlich nach den Bedürfnissen unserer Kund:innen und bieten ihnen die Wahlfreiheit.»
Das heisst: Bei Migros und Coop hält sich die Flugscham in Grenzen – besonders vor den Festtagen. Die Beteuerungen sind nichts als leere Worte.
Flugware in Aktion
Mit den «Kundenbedürfnissen» scheint es auch nicht so weit her zu sein. Sonst müsste die Migros die Flugware vor Weihnachten nicht zum Aktionspreis verscherbeln. Tut sie aber. Und dies, obwohl sie zu Beginn dieses Jahres gegenüber 20Minuten noch verkündet hatte, sie führe fortan keine Aktionen mehr auf Produkte aus Flugtransport durch – «mit ganz wenigen Ausnahmen».
So selten sind die «Ausnahmen» allerdings nicht. Mitte Dezember verkaufte die Migros gleichzeitig Mango aus Peru mit 20 Prozent Rabatt, Rindsentrecôte aus Uruguay mit 31 Prozent und Lammfleisch aus Neuseeland sogar mit 32 Prozent Rabatt.
«By air» fehlt
Die Migros verspricht zwar: «In jedem Fall tragen diese Produkte den Vermerk ‹by air›, um den Flugtransport für den Konsumenten offenzulegen.» Doch es stimmt nicht. Bei den meisten exotischen Früchten und Gemüsen fehlt der Vermerk.
Die Migros sagt, das sei ein Fehler: «Diese Kennzeichnung erscheint sowohl auf analogen als auch auf elektronischen Preisschildern. Diese Funktion muss jedoch von der Filiale aktiviert werden.» Was offenbar in vielen Filialen nicht geschieht.
Mit den Qatar Airways
Interessant sind die «Extra»-Passionsfrüchte aus der Migros. Sie stammen aus Vietnam. In sämtlichen von Infosperber besuchten Filialen steht es nicht auf den Preisschildern – aber sie sind eingeflogen worden. Das zeigt ein Aufkleber auf den Transportkisten. Darauf steht: «Qatar Airways.»
Infosperber wollte deshalb von der Migros wissen, wo die Passionsfrüchte ihre Flugreise angetreten haben, wo sie überall zwischengelandet sind und wo sie ihre Flugreise abgeschlossen haben. Doch die Migros weiss es selber nicht. Sie schreibt: «Wir sind nicht für die Luftverkehrskontrolle verantwortlich.» Die Routen würden von Faktoren abhängen, welche die Migros «nicht kontrollieren» könne.
In Mikroschrift
Die Migros gibt sich gerne vorbildlich. Sie sagt: «Auch wenn wir gesetzlich nicht dazu verpflichtet sind, legt die Migros Wert auf die Kennzeichnung von Produkten, die mit dem Flugzeug transportiert werden.» Wie grossen Wert die Migros auf die Deklaration legt, zeigt sie mit den Lammnierstücken, die sie aus Neuseeland importiert. Im gleichen Kühlregal liegen frische und aufgetaute Stücke, verschiffte und eingeflogene. Der Unterschied ist nur auf der Rückseite ersichtlich. Dort steht beim Fleisch, das tiefgekühlt im Schiff transportiert wurde, ganz klein: «aufgetaut». Und beim eingeflogenen Fleisch noch kleiner: «by air» (siehe Bild unten).
Die Migros sagt zur kleinen Schrift: «Der Platz auf dem Etikett ist knapp und die Anzahl der Informationen, die darauf stehen müssen, ist sehr hoch.» Doch das obige Bild beweist das Gegenteil. Da wäre noch viel freier Platz auf der Etikette.
Transparenter ist auch Coop nicht. Sie druckt zwar auf ihre Produkte den Vermerk «by air» auf. Doch auf manchen Produkten ist die Schrift gar klein geraten. Auf den Mango ist sie gerade mal 0,6 Millimeter hoch. Ohne Lupe lässt sie sich kaum entziffern.
Weiterführende Informationen:
- Infosperber: Auf der Riederalp gibt es Heidelbeeren aus Peru
- Infosperber: Jetzt brauchts auch noch Aktionen
- Infosperber: Der Schnittlauch aus Äthiopien kommt mit dem Flugzeug
- Infosperber: Das Märchen von den Bergprodukten
- Infosperber: Zurzach liegt im Berner Oberland
- Infosperber: Aus der EU – oder auch nicht
- Infosperber: Die Migros treibt Schindluder mit dem eigenen Label
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Aldi und Lidl als Vorbilder? Ist eigentlich ein alter Hut.
Als notorischer Skeptiker würde ich aber sicherheitshalber folgende Recherche vorschlagen: wie sehr halten sich die deutschen Konzerne daheim an solche Vorgaben?
Tun sie es, wäre das dann wirklich vorbildlich. In dem Fall: Hut ab!
Tun die es nicht, wäre das ein Hinweis darauf, dass sie das nur aus Konkurrenzgründen selektiv in der Schweiz so handhaben und es sich leisten können, weil sie von den Mutterkonzernen finanziell unterstützt werden. In diesem Fall sollen sie dich in Grund und Boden schämen.
….da werden einige hundert LKWs mehr auf den Straßen sein….
Was soll da besonders schlecht sein bei Migros und COOP? Um welche kleine Mengen geht es denn da? Liegt doch klar auf der Linie unserer Volksvertreter und Bundesrat: keine finanzielle Einschränkungen für Privatflugzeuge. Und wer jetzt noch motzt soll bitte auf seine nächste Kreuzfahrt verzichten.
Was heisst Vorbild? Ist es denn derart relevant, ob Güter in der Luft oder zur See transportiert werden? Wieviel macht denn der Unterschied? Für mich spielt es keine Rolle mehr, da ich täglich sehe, wieviel Streckenkilometer von mehreren Fahrzeugen von einzelnen Personen gleichzeitig, gleiche, entfernte Baustellen anfahren, weil die Individualität (auch von jungen Menschen!) höher gewichtet wird. Ich bin nicht zu den Entscheidungsträgern zugelassen um solches beeinflussen zu können. Zudem; Die Transporteure wollen alle im Geschäft bleiben und bieten dementsprechend an. Und wenn der Detailhändler teuer einkauft, teuer tranportiert , teuer lagert, etc. wird er teuer verkaufen müssen. Das ist, wenn nicht zum Bankrott verurteilt, so doch mit grossem geschäftlichem Nachteil verbunden.