Yen auf einem 34-Jahre-Tief – die Krise ist hausgemacht
In Japan scheint wirtschaftlich die Sonne aufgegangen zu sein und die Börse boomt. Der Yen dagegen steckt in der Krise: Am Montagmorgen waren an den Devisenmärkten 160 Yen nötig, um einen Dollar kaufen zu können – satte 40 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Die Währung hat nur schon seit Jahresanfang 11 Prozent ihres Wertes verloren. Wer sich daran erinnern möchte, wann sie zuletzt so schwach gewesen war, muss mindestens 34 Jahre zurückgehen.
Intervention – bringt die etwas nach 40 Prozent Wertverlust?
Die japanische Zentralbank versuchte zwar im Tagesverlauf, einen weiteren Kursabsturz zu verhindern, indem sie intervenierte und Yen kaufte. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob das etwas bringt. Schliesslich zeigt die Erfahrung, dass Interventionen am Devisenmarkt nur sinnvoll sind, wenn sie im geeigneten Umfeld stattfinden. Und genau das scheint nicht der Fall zu sein.
Im Gegensatz zur amerikanischen Notenbank, die in den vergangenen Monaten wegen der hohen Inflation den Leitzins kräftig auf mehr als fünf Prozent erhöhte, zögert die Bank of Japan. Sie hat zwar die negativen Zinsen abgeschafft, mit denen sie die Bevölkerung und die Regierung des Landes jahrelang verwöhnt hatte. Nun aber scheint sie nicht mehr weiter ernsthaft gegen die Inflation im eigenen Land vorgehen zu wollen, obwohl diese inzwischen bei für Japan ungewohnt hohen 2,7 Prozent liegt.
Nicht nur dieses Zögern belastet den Yen. Denn die Bank of Japan hat Japans Regierung auch mit massiven Wertpapierkäufen unterstützt, während diese in den vergangenen Jahrzehnten gewaltige Staatsdefizite budgetiert und enorme öffentliche Schulden angehäuft hat. Heute ist das Land so verschuldet wie kaum ein anderes. Die Schuldenquote liegt bei mehr als 250 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Und sie scheint immer weiter zu steigen.
Die Bank of Japan steckt in einem unlösbaren Dilemma
Genau diese Konstellation ist für die Bank of Japan ein beinahe unlösbares Dilemma: Eigentlich müsste sie den Leitzins höherschrauben, um die Inflation zu bekämpfen und um dem schwachen Yen auf die Sprünge zu helfen. Sobald sie das aber täte, müsste der Staat immer mehr Zinsen für die enormen Schulden zahlen, so dass diese nur schon wegen der wachsenden Zinszahlungen noch grösser werden und gleichzeitig auch noch an Wert verlieren würden.
Die Bank of Japan hat zwar immer wieder betont, eine Abwertung des Yen nicht zu tolerieren, falls sie zu schnell und zu weit gehe. Ob das glaubwürdig ist, ist eine andere Frage. Schliesslich ist das Problem einer Intervention, dass der Geist nur schwer wieder hineingeholt werden kann, wenn er erst einmal aus der Flasche gelassen worden ist. Die Notenbank müsste unter Umständen Unsummen aufbringen, um den Kurs des Yen zu stabilisieren.
Ohnehin hat ein schwacher Yen für das Land beachtliche Vorteile. Der Tourismussektor boomt, die Gewinnspannen der Nikkei-Unternehmen steigen und die Wettbewerbsfähigkeit der Exporteure nimmt zu. Zudem besitzen die Japaner enorme Vermögenswerte im Ausland. Wird also der Yen schwächer, so führt das zu beachtlichen Kapitalgewinnen bei ausländischen Anleihen und Aktien. Das lässt sich nur schon an der Beobachtung festmachen, dass der staatliche Pensionsfonds in den vergangenen zwei Jahren mehr Erträge abgeworfen hat als in den vergangenen zwanzig Jahren zusammen.
Chaos ist absehbar, falls Donald Trump wieder Präsident würde
Negative Realzinsen sind auch für die konsolidierte Staatsbilanz attraktiv, weil sie die Verschuldung relativieren. Letztlich begünstigen die Umstände den Abfluss von japanischem Kapital ins Ausland. Sie gelten als Hauptursache für den schwachen Yen und sie haben dazu geführt, dass die breite Leistungsbilanz Japans zu einer der schwächsten der Welt geworden ist. Bisher sind es also im Kern nicht die Spekulanten, die den Yen schwächen, sondern die Japaner selbst.
Das mag lange gut gegangen sein, aber es ist natürlich kein Perpetuum mobile. Es droht ein Ende zu finden, falls Donald Trump in den USA zum nächsten Präsidenten gewählt werden sollte. Denn seine künftigen Berater, insbesondere sein ehemaliger Handelschef Robert Lighthizer, denken angeblich heute schon darüber nach, den Dollar gegenüber anderen Währungen zu schwächen, um das amerikanische Exportgeschäft zu fördern. Das würde weit über die Einführung neuer Zölle oder über neue Subventionen für die amerikanische Industrie hinausgehen. Im Extremfall würden die Japaner also gezwungen, den gewaltigen «Carry Trade», also die Aufnahme extrem billigen Geldes im japanischen Inland und die ertragreichen Investitionen im Ausland, aufzugeben. In diesem Fall wäre wohl das Chaos an den Finanzmärkten vorprogrammiert.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
«Die Bank of Japan steckt in einem unlösbaren Dilemma»
Falls es ein lösbares Dilemma gäbe, wäre es eben kein Dilemma, sondern z. B. ein Problem, eine Schwierigkeit, eine missliche Lage.
Ein Dilemma heisst: «Wie man’s macht, ist’s falsch».