Schon wieder ein neuer Sulzer-Chef
Fred Kindle, Ulf Berg, Ton Büchner, Jürgen Brandt (ad interim), Klaus Stahlmann, Thomas Dittrich (ad interim), Gregoire Poux-Guillaume: Die Reihe der CEO’s des Sulzer-Konzerns seit 2001 wurde dieser Tage um einen weiteren Namen verlängert. Im Durchschnitt gerade mal rund drei Jahre wirkten die Konzernlenker jeweils an der Spitze des Winterthurer Technologiekonzerns, der seit 2007 von Viktor Vekselberg kontrolliert wird.
Restrukturierung ohne Ende
Der Neue, der 45-jährige Franzose Greg Poux-Guillaume, kommt von General Electric bzw. Alstom, wo er Mitglied der Geschäftsleitung war. Der Leistungsausweis von Poux-Guillaume bei Turnarounds und beim Aufbau rentabler Unternehmen auch unter schwierigen Bedingungen sei nachgewiesen, teilte Sulzer mit: «Diese Kompetenzen werden zentral sein, da wir dabei sind, Sulzer strategisch zu transformieren und zu positionieren, damit Sulzer sein gesamtes Potential nutzen kann und gleichzeitig die Rentabilität und die Gewinnmargen des Unternehmens substanziell verbessert werden.» Das sind Worte, die man im Zusammenhang mit Sulzer nicht zum ersten Mal liest, wird das Unternehmen doch seit Jahren restrukturiert. Gearbeitet hat Poux-Guillaume, der bei Sulzer das laufende Kostensenkungsprogramm fortsetzen soll, auch bei McKinsey sowie der Private-Equity-Firma CVC Capital Partners, die in der Schweiz unter anderem als Sunrise-Aktionärin sowie durch einen verlorenen Übernahmekampf beim Bauausstattungskonzern Forbo bekannt wurde.
Auch der im August Knall auf Fall abgetretene Vorgänger von Poux-Guillaume, Klaus Stahlmann, war bei seinem Amtsantritt – logischerweise – gelobt worden. Die «Bilanz», die ihn nach wenigen Monaten im Amt geradezu überschwänglich feierte, bezeichnete Stahlmann als «Idealbesetzung». Bald wurden jedoch erste kritische Stimmen laut, und schliesslich wurde sein Abgang vielerorts begrüsst. Stahlmann rückte von der strikten Trennung der vier Sulzer-Sparten Pumpen, Maschinenservice, Chemietechnik sowie Beschichtungen ab und zentralisierte. Durch den Verkauf der Metco (Oberflächenbeschichtung) wurde die durch viele Devestitionen bereits abgemagerte Sulzer noch schlanker. Und damit, ganz im Sinne Vekselbergs, noch stärker von der Entwicklung auf dem Öl- und Gasmarkt abhängig. Dieser aber lahmt gegenwärtig, weshalb Sulzer einmal mehr leidet. Werden keine neuen Anlagen gebaut, braucht es auch keine Pumpen. Die Übernahme des US-Konkurrenten Dresser-Rand (DRC) scheiterte: Sulzer-Verwaltungsratspräsident Peter Löscher verlor den Bieterkampf gegen seinen früheren Arbeitgeber Siemens – zum Glück, wie sich im Nachhinein herausstellte.
Ein Kommen und Gehen
Der Vekselberg-Vertraute Löscher, dem sein unfreiwilliger Abgang bei Siemens mit 17 Millionen Euro vergoldet wurde, präsidiert ein Gremium, das sich auch nicht gerade durch Konstanz auszeichnet. Während sich bei Sulzer von 1914 bis 2000 sechs Verwaltungsratspräsidenten folgten, davon vier aus der Familie Sulzer, ist seit 2000 mittlerweile der achte Präsident im Amt, wobei deren zwei ad interim wirkten. Manfred Wennemer, der lange beim Automobilzulieferer Continental tätig war, hatte 2013 schon nach wenigen Monaten genug.
Zu Stahlmanns Problemen gehörte auch der Druck der Börse, die liquiden Mittel des Konzerns für eine Akquisition zu verwenden oder an die Aktionäre auszuschütten. Die Mittel – rund 600 Millionen Franken – sind aber noch da, und mit ihnen lasse sich «der eine oder andere Zukauf finanzieren, um das erdöllastige Geschäft des Konzerns breiter aufzustellen», schrieb die NZZ zum Chefwechsel. Nachdem man das einst breit diversifizierte Unternehmen immer schmaler aufgestellt hat! Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei einer zweiten Schweizer Vekselberg-Firma festzustellen: OC Oerlikon (ex-Bührle) gab kürzlich stolz den Verkauf ihres Segments Vacuum (Vakuumpumpen für die Halbleiter-, Messgeräte- und Automobilindustrie) als «13. strategische Transaktion» seit 2010 «zur Fokussierung auf Kernwachstumsmärkte» bekannt. «Die Transaktion stärkt die Finanzposition von Oerlikon und erlaubt verstärkte Investitionen in Innovation, Operational Excellence sowie das organische und anorganische Wachstum seiner Kernwachstumsgeschäfte», wurden als weitere Worthülsen nachgeschoben. Der gute Preis, den Atlas Copco zahlte, dürfte ein wesentliches Verkaufsargument gewesen sein. «Umbau ohne Ende», titelte dazu die NZZ und stellte treffend fest, dass es an der Zeit wäre, dass Verwaltungsrat und Management sagen würden, wohin die Reise gehen soll: «Die ständigen Veränderungen im Portfolio hinterlassen mehr Verwirrung als Klarheit.»
Was will Vekselberg?
Der einzige bedeutendere Zukauf von OC Oerlikon in jüngster Zeit war die Beschichtungsfirma Metco, die man, nach einem eher an eine Farce gemahnenden Bieterwettbewerb, 2014 von der «Schwesterfirma» Sulzer übernahm. Was er mit seinen Schweizer Investments will, weiss letztlich wohl nur der Oligarch Vekselberg selbst, dessen Interessen weiterhin schwergewichtig in Russland liegen, unter anderem beim weltgrössten Aluminiumproduzenten Rusal. Die wahrscheinlichste Richtung zeigt ein Vorhaben seiner Renova-Gruppe an: Sie will das grösste Beschichtungszentrum Russlands realisieren und Schweizer Know-how dorthin transferieren. Auf ihrer Website weist Renova ausdrücklich auf die Zusammenarbeit ihrer russischen Tochter Rotec mit Sulzer und Oerlikon bei Hightech-Projekten in der russischen Ölindustrie, Chemie, Petrochemie, Energieerzeugung und weiteren Schlüsselsektoren hin.
Zu Vekselbergs Schweizer Beteiligungen, die von der Renova gemanagt werden, gehören auch der Stahlkonzern Schmolz + Bickenbach (bis 2006 Swiss Steel) und – via die Lamesa Holding – das Immobilienunternehmen Züblin. Während Vekselbergs Interesse an einem Produzenten von Spezialstahl irgendwie einleuchtet, ist es beim Sanierungsfall Züblin völlig schleierhaft. Dem Unternehmen, gemäss einem Finanzportal «ein Schatten seiner selbst», wurde ein totaler Strategiewechsel verordnet, die Firmenspitze ausgewechselt. Von der Aktienperformance her betrachtet haben seine Schweizer Firmen Vekselberg bisher keine Freude bereitet. Bei Sulzer bleibt abzuwarten, wie lange Vekselberg Poux-Guillaume gewähren lässt. Die Beschäftigten, seit Jahren ein Spielball von Grossinvestor und Börse, könnten auf jeden Fall etwas mehr Ruhe (und Erfolg) brauchen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine