Kommentar
NZZ-Chef stützt UBS-Chefs und verfällt in Fatalismus
Demnächst wird die parlamentarische Untersuchungskommission PUK ihren Schlussbericht vorlegen. Die Spannung steigt. Bei Behörden, Finanzsektor und Medien.
Einer der Punkte, der im Fokus steht: das Eigenkapital der UBS. Die Finanzministerin fordert bis zu 25 Milliarden Zusatzkapital. Das ist schlecht für die Boni-getriebenen Bankensaläre.
Seit Monaten versuchen die UBS-Chefs dagegenzuhalten. Zusammen mit ihren Lobbyvertretern, etwa der einflussreichen Schweizerischen Bankiervereinigung. In den Medien wird kontrovers diskutiert. Auf die Seite der Grossbank hat sich bisher nur die «Bilanz» gestellt, dafür sehr vehement und dezidiert. Das Blatt, das dem Schweizer Finanzplatz wohl am nächsten steht, die «NZZ», ist bisher vorsichtig geblieben. Kann man der freisinnigen Frau Keller-Sutter einfach so in die Parade fahren?
Vor einer Woche bezog «NZZ»-Chefredaktor Eric Gujer nun Stellung in einem grossen Frontkommentar zum Wochenende. Seine Position trägt fatalistische Züge.
Der Schweizer Stromstecker sei sicherer, deshalb übernehme man in der Schweiz nicht die EU-Norm. «Swiss Finish» nenne sich das, schreibt Gujer halb lustig, halb ironisch. Der Swiss Finish führe aber weder zu weniger Kabelbränden noch zu weniger Stromschlägen. Trotzdem solle ein solcher Swiss Finish jetzt auch bei der UBS eingeführt werden. Er «sei nirgends […] so beliebt wie bei Banken, die als systemrelevant gelten».
Was Gujer wohl sagen will: Weil Sicherheit ein wichtiger Bestandteil der schweizerischen DNA sei, erstaune es nicht, dass die UBS nach der Einverleibung der Credit Suisse sicherer gemacht werden soll.
(Nur nebenbei, dieses Bild ist falsch. Der 2014 implementierte Swiss Finish bei UBS und CS führte bei der gescheiterten Credit Suisse nicht zu mehr, sondern zu weniger Sicherheit. Die CS-Töchter in den USA zum Beispiel gingen wegen spezifisch bewilligter Kapitalerleichterungen höhere Risiken im Investmentbanking ein. Die Finma erlaubte dies auf Druck der Politik. CS und UBS waren in den USA dadurch wettbewerbsfähiger.)
Strebertum in Bundesbern
Gujer ist mit der laufenden Debatte zum Thema Eigenkapital nicht einverstanden. Er schreibt, die vom Bundesrat und der Finma vorgeschlagenen Massnahmen würden die Standortfaktoren des Bankenplatzes Schweiz gefährden, und sie schwächten die UBS im internationalen Wettbewerb. Wenn die UBS in Zukunft erheblich mehr Eigenkapital vorhalten müsste als amerikanische und europäische Banken, so behindere das die Marktfähigkeit und die Ertragskraft der Bank.
Das ist nichts anderes als die Linie der UBS-Chefs Colm Kelleher und Sergio Ermotti. Diese weibeln seit Monaten landauf und -ab. Doch Gujer gibt noch einen obendrauf. Bundesbern wolle den «Musterschüler» spielen. Die Konkurrenz freue sich über so viel «Strebertum».
Ja, was will Herr Gujer nun tatsächlich? Im gleichen Zug bezeichnet er die neue UBS als «Monster» und sagt, die Bank sei für die Schweizer Volkswirtschaft ein «Klumpenrisiko».
Gujer bemüht einen alten Heilsbringer: «Will man den Bankenplatz stärken und vielfältiger machen, gibt es einen anderen Hebel als immer mehr Bürokratie: die Marktkräfte.»
Welche Marktkräfte? Kräfte, die frei sind von Regulierungsfesseln? So, dass global systemrelevante Banken scheitern können wie Nichtbankenunternehmen auch? Verlangt Gujer etwa, dass die UBS auf die Staatsgarantie und damit die Absicherung der Steuerzahlenden verzichtet? Oder dass sie auf den Public Liquidity Backstopp verzichtet, ein Kriseninstrument für akut liquiditätsbedürftige Banken, das nächstes Jahr im Parlament vom Notgesetz zum Gesetz gemacht werden soll? Oder schweben Gujer Marktkräfte vor, wie sie unkontrolliert im Bereich der Schattenbanken wirken?
Jedenfalls meint Gujer: «Der Staat überschätzt seine Steuerungsfähigkeit. (…) Selbst härteste Auflagen können die nächste Krise nur bedingt abwenden.»
Das ist leider so, wie wir alle wissen. Soll sich der Staat also zurücklehnen und die Hände in den Schoss legen?
Das Biest namens Kapitalismus
Gujers Kommentar oszilliert merkwürdig. Gujer meint zwar, dass «Vorkehrungen gegen den nächsten Crash» gefunden werden müssen, glaubt aber nicht wirklich daran. Also Rückbesinnung auf das uralte liberale Credo: das Spiel der Marktkräfte als einziger Ausweg. Gujers kapitulierendes Fazit:
«Das Biest namens Kapitalismus lässt sich nur begrenzt zähmen. Da es […] keine vernünftige Alternative gibt, werden wir mit der Unsicherheit leben müssen.»
Eine Alternative zu einer strengeren Regulierung spricht Gujer nicht an: Die Schweiz besinnt sich auf einen Bankenplatz ohne ausländisch dominierte Grossbank. Die Reichen aus aller Welt würden nicht mehr mit einer Staatsgarantie bedient.
Ob das Wohl der Schweizer Volkswirtschaft darunter leiden würde, ist offen. Auch mit dieser Unsicherheit lässt sich leben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Mit verlaubt, Herr Gujer versteht nun sehr wenig vom Bankgeschäft und insbesondere Risiko-Management und die beiden UBS-Herren sind befangen. Letztlich hat die Praxis (z.B. CS, aber auch UBS 2008 und andere) gezeigt, dass genügend Eigenkapital zwingend notwendig Ist. Mit der prozentualen Eigenkapital-Unterlegung der UBS könnte man keinen z.B. Industriebetrieb etc. führen! Zudem geht es hier um die Schweiz und deren einzig verbleibende internationale Grossbank! Die Eigenkapital-Decke müsste daher weit stärker sein als die ausländischen Konkurrenz, das weiss sogar klein-Hänschen!
Ja, Eric Gujer war in seinem Leitartikel ambivalent. Dagegen war er in der SRF-Sendung «NZZ-Standpunkte» mit der FINMA-Präsidentin Marlene Amstad mit seinen Fragen sehr präzise. Er schlug vor, die UBS ins Ausland ziehen zu lassen, wenn ihr die Schweizer Vorschriften nicht passen: «Tschüss UBS, geh nach Amerika, wir wollen die Schweiz schützen». Wie bei allen anderen Fragen blieb die oberste Aufseherin über den Finanzplatz eine klare Antwort schuldig. Sie sagte irgendetwas über «Güterabwägung». Sie hätte Gujers provokativer Aussage zustimmen müssen. Der ausländisch beherrschte Verwaltungsrat der Bank wird am Schluss sowieso im Interesse der Bank und ihrer Aktionäre entscheiden. Frau Amstad sollte entsprechend die Interessen der Schweiz vertreten.
Beim Untergang der CS wurde von verschiedener Seite gesagt, was zu unternehmen wäre, damit eine Grossbank nicht innerhalb kurzer Zeit bankrott gehen kann:
Wenn ein Schweizer Kunde der UBS in der Schweiz einen grösseren Betrag beziehen will, gibt es für grössere Beträge gestaffelte Kündigungsfristen von Monaten. Warum gilt das nicht auch für ausländische Kunden und für alle Filialen im Ausland? Damit wäre ein kurzfristiger Geldbezug vieler Investoren nicht mehr möglich und ein kurzfristiges Einspringen der Politik nicht mehr nötig.