Kommentar

Nationalbank kann und soll trotz Verlusten Geld ausschütten

Gian Trepp © zvg

Gian Trepp /  In Wirklichkeit subventioniert die Nationalbank vorrangig die Banken und sprengt damit ihr Mandat zum Schaden des Landes.

Auf der SNB-Webseite heisst es: «Die Schweizerische Nationalbank führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik des Landes. Sie muss sich gemäss Verfassung und Gesetz vom Gesamtinteresse des Landes leiten lassen, als vorrangiges Ziel die Preisstabilität gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen.»

Dieses geld- und währungspolitische Mandat erfüllt die gegenwärtig praktizierte SNB-Inflationsbekämpfung nicht.

Wohl verschob die SNB den Fokus der Geldpolitik im vergangenen Juni richtigerweise von der Frankenkurs-Stabilisierung zur Inflationsbekämpfung. Doch der dazu eingeschlagene Weg subventioniert die Banken mit Milliarden, während Kantonen und dem Bund gleichzeitig Ausschüttungen in Milliardenhöhe vorenthalten werden.

Gemäss Verfassung gehen ⅔ des SNB-Gewinns an die Kantone, gemäss SNB-Gesetz ⅓ an den Bund.

SNB verweigert Ausschüttungen an Kantone und den Bund

Wenn die Nationalbank per 2022 keinen Gewinn, sondern einen Verlust von 132 Milliarden ausweist, bedeutet das keineswegs, dass die SNB keine Ausschüttungen an Kantone und Bund ausrichten kann.

Verluste einer Zentralbank sind nicht dasselbe wie Verluste von Privatunternehmen. Die SNB kann nicht pleitegehen. Dank Notenmonopol und dem internationalen Vertrauen in die gesuchte Hartwährung Franken ist die Finanzierung der SNB-Aktiven praktisch gratis.

Oder anders gesagt, Ausschüttungen an Kantone und Bund sind auch in Jahren mit SNB-Verlusten nicht nur möglich, sondern im Landesinteresse nötig.

Zyniker könnten sagen, schliesslich kassieren Bankenbosse per 2022 selbst bei der maroden CS fette Boni. Zynismus beiseite, der SNB-Verlust ist ein Buchgeldverlust. Während der geldpolitischen Phase der Währungsstabilisierung hat die SNB die Zinsen zuerst auf null dann auf unter null gesenkt und gleichzeitig im privaten Bankensystem für viele hundert Milliarden Franken Wertpapiere in ausländischer Währung gekauft, die in guten Börsenjahren fette Kursgewinne abwarfen.

Gekauft haben die Wertpapiere private Banken im Auftrag der SNB, bezahlt hat die SNB diese Banken mit Zentralbankengeld auf deren SNB-Konto, das sie kraft Gesetz per Computerklick selber schöpfen kann. Selbstgeschöpfte Buchgeldfranken gegen Wertpapiere in Fremdwährung, das war der Deal. Dieser hat funktioniert, weil die Banken dieser Welt an die Hartwährung Franken glauben und bereit sind, Euros in Franken zu tauschen. 

Von der so akkumulierten Billion sind 2022 infolge gesunkener Börsenkurse 132 Milliarden verpufft. Wenn die Kurse wieder steigen, kommen diese Milliarden wieder zurück, wenn nicht, dann nicht.

So oder so, für die Ausschüttung an Kantone und Bund spielt dies keine entscheidende Rolle. Einige Milliarden Buchgeld mehr oder weniger beeinflussen die Inflationsbekämpfung kaum.

Dazu kommt, dass die buchhalterischen Details der Verlustverteilung vom Direktorium willkürlich geregelt wurden. Der Verlust wird vollständig über die Ausschüttungsreserve abgebucht, während gleichzeitig Rückstellungen für Auslandsinvestitionen um 10 Milliarden Franken erhöht wurden.

Der auf diesem Hintergrund gefasste Beschluss des SNB-Direktoriums, der Jahresverlust der Nationalbank verunmögliche eine Gewinnausschüttung an Kantone und Bund, ist meines Erachtens nicht haltbar. 

Das ist mehr als ein Fehlentscheid in der Inflationsbekämpfung. Der Entscheid liegt, wie die Juristen sagen, «ultra vires», also jenseits der Befugnisse, und verletzt das Gesamtinteresse des Landes.

SNB subventioniert das Bankensystem

Die erwähnte jahrelange Frankenschwächung mit Negativzins und Eurokauf gegen Franken führte zu historisch beispiellos hohen Sichtguthaben des Bankensystems bei der SNB. Das Zentralbankengeld, das die SNB den privaten Banken gegen Lieferung von Euros auf deren SNB-Konten überwies, liegt heute noch dort. Die privaten Banken haben dem Devisenhändler diese Euros nicht mit dem erhaltenen SNB-Zentralbankengeld bezahlt, sondern mit einer Gutschrift auf dem Konto der betreffenden Devisenlieferantin bei ihr selber.

Dieser Mechanismus führte dazu, dass die Banken seit der Finanzkrise 2008 fast 600 Milliarden Sichtguthaben auf ihren SNB-Konten akkumulierten. Bis Juni 2021 mussten sie auf einen Teil davon 0.75 Prozent Minuszins abliefern. Heute bekommen sie auf einen Teil davon 1 Prozent Zins ausbezahlt. Mit der Aussicht, dass dieser Leitzins weiter steigt. 1 Prozent von 600 Milliarden? Rechne! Das sind 6 Milliarden Franken.

Die SNB sagt, diese Subventionen an die Banken seien der unverzichtbare geldpolitische Transmissionsriemen zur Vermittlung der Leitzinserhöhung in die Realwirtschaft und zur Inflationsbekämpfung nötig.

Vielleicht glauben die SNB-Ökonomen ja tatsächlich an die Rückkehr der Geldpolitik zu den Verhältnissen in der Geldpolitik vor Ausbruch der Finanzkrise 2008. Das ist nach 15 Jahren unkonventioneller Geldpolitik mit sogar negativen Zinsen nicht mehr möglich. Die Zeit der anglo-amerikanischen Globalisierung neoliberaler Prägung von vor der Finanzkrise 2008 ist vorbei.

Diese Rückkehr ist Wunschdenken. Vor uns liegen Polykrise, miteinander verschränkte Gewalt-, Wirtschafts- und Währungskriege in einer Welt, die sich wieder in zwei Blöcke teilt.

In diesem Umfeld produziert die aktuelle Inflationsbekämpfung mit konventioneller, die Bundeskasse schwächender Zinspolitik vermeidbare wirtschaftliche Flurschäden. Die SNB ist im Begriff, gröbere Fehler zu begehen. Die Schweiz braucht eine bessere Geld- und Währungspolitik. 

___________
Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog von Gian Trepp.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

3 Meinungen

  • am 22.02.2023 um 13:01 Uhr
    Permalink

    Man sollte die Nationalbank dazu verpflichten, so viel Geld zu drucken, wie die Gesellschaft (die Bürger) braucht – für die Banken machen sie es ja auch.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 22.02.2023 um 14:41 Uhr
    Permalink

    Vollständig einverstanden. Die Manie Buchwertänderungen realisierten Erträgen gleichzusetzen zeugt von einer gewissen Schizophrenie in den Teppichetagen der Schweizer Wirtschaft.

    Ausschüttungen der SNB sollten auf der Basis «realisierter» Erträge erfolgen, nicht auf der Basis virtueller Buchwerte. Diese Berechnungsgrundlage sollte auch für Versicherungen, Pensionskassen … gelten.

    2022 zeigte am Stichtag Ende Jahres den tiefsten Wert für die Jahresperformance des SMI seit 2008. Kaum eine signifikante Messgrösse des Jahreserfolges der Anlagen. Dies umsomehr als diese «Verluste» Mitte Februar schon grossmehrheitlich aus den Büchern verschwunden sind.

  • am 22.02.2023 um 14:48 Uhr
    Permalink

    Ist die SNB unabhängig? Nein, die SNB und ihre Politik hängen von der EZB und letztlich von der US Fed ab. Die Finanzierung der SNB ist nicht gratis, die SNB handelt nicht mit «Monopoly-Geld», jede Devisentransaktion der SNB hat einen realen Preis! Und dieser Preis schlägt sich in der Bilanz der SNB nieder. Wenn die SNB zuviele Aktien fremder Währung kauft und diese Aktien fallen anstatt zu steigen, erwirtschaftet die SNB einen Verlust im «Gesamtinteresse der Schweiz!» Da sollte nicht sein, die SNB ist an Richtlinien gebunden. Und diese Richtlinien sorgen auch dafür, dass für die SNB nach einem sehr schlechten Jahr 2022 keine Ausschüttungen vorzunehmen sind. Dem Bund und den Kantonen werden deshalb keine Ausschüttungen in Millardenhöhe vorenthalten, Ausschüttungen müssen zuerst verdient sein!
    Ja, der Kurs der SNB lässt zu wünschen übrig, die SNB dreht ein zu grosses Rad. Ihre Anlagen in US-Tech-Aktien haben auch seit Beginn dieses Jahres nicht zugelegt, im Gegenteil!

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...