Grosse Noten: zeitgeistig, umstritten – und manchmal entlarvend
Vor einigen Tagen hat die Schweizerische Nationalbank in einer wie für einen Pop-Star organisierten Show die neue 1000er-Note vorgestellt. Diese neue Banknote wurde zum Teil scharf kritisiert. Mit der 1000er-Note habe die Nationalbank, so etwa der Tages-Anzeiger, «der ganzen Welt sozusagen den Stinkefinger» gezeigt. Denn 1000er-Noten seien geeignet, Steuerhinterziehern und Kriminellen ihr gesetzwidriges Tun zu erleichtern. Aus diesem Grunde gibt kein anderes Land mehr Banknoten von so hohem Wert aus. Wenn die NZZ auch beschwichtigte, so musste sie doch eingestehen, dass die Note nicht «gar so ‹unschuldig› wie oft porträtiert» sei. Daran würde «auch das neue Aussehen wenig ändern».
Die neue 1000er-Note zeigt auf der Vorderseite zwei zum Handschlag vereinigte Hände und darunter eine kleine Weltkugel. Diese zwei emblematischen Bilder lassen verschiedenste Interpretationen zu. Soll damit die Zuverlässigkeit des über dem Globus stehenden schweizerischen Handschlags suggeriert werden? Oder meint man, diese Schweizer Banknote stehe über den Gepflogenheiten und Normen der Welt?
Der symbolische Wert der Banknote
Banknoten werfen immer wieder ästhetische, ikonografische und politische Fragen auf. Dass der symbolische Wert der gewählten Bilder eine nicht unbedeutende Rolle spielt, sah man beispielsweise an der bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs, am 3. August 1914, in Verkehr gesetzten 5-Franken-Note. Der Bundesrat hatte damals zu Recht befürchtet, dass der Ersatz des harten Fünflibers durch Papiergeld bei der Bevölkerung mit Misstrauen aufgenommen werden könnte. Um dies zu verhindern, zeigte die Vorderseite der Note den Wilhelm Tell mit Armbrust, ein bewährter symbolischer Wert. Dieser 5-Franken-Note war eine lange Lebensdauer beschehrt; sie wurde erst 1980 ausser Kurs gesetzt.
Gleich zu Beginn der Emissionstätigkeit der 1905 gegründeten Nationalbank kam es zu dramatischen Debatten über die Gestaltung der Banknoten. Zwecks Schaffung der ersten vier Noten (50, 100, 500 und 1000 Franken) hatte der Bundesrat eine Expertenkommission unter dem Vorsitz von Bundesrat Comtesse eingesetzt. Die Kommission kam in der Zeit vom 20. März 1908 bis zum 23. Mai 1910 in insgesamt dreizehn, oft sehr lebhaften Sitzungen zusammen.
Hodler und die ersten Noten der Nationalbank
Es würde zu weit führen, auf die vielfältigen von der Kommission diskutierten Probleme einzugehen. Verständlicherweise gaben die technischen Probleme und die Suche nach einer geeigneten Druckerei – die schweizerischen Anbieter verfügten nicht über moderne Maschinen und technische Kompetenz – viel zu reden. Viel Zeit erforderte jedoch die Zusammenarbeit mit Ferdinand Hodler, den die Kommission für die künstlerische Gestaltung der Noten ausgewählt hatte. Sie hatte dabei klare Vorgaben gemacht: die vom Künstler gewählten Motive sollten deutlich den nationalen und schweizerischen Charakter repräsentieren.
Hodler nahm den Auftrag an, doch die Sache lief bald einmal aus dem Ruder. Da der Maler noch mit andern Arbeiten beschäftigt war, erhielt die Kommission die ersten Entwürfe mit erheblicher Verspätung. Zudem gefielen die vorgeschlagenen Bilder den Herren der Kommission in keiner Weise. Viel zu reden gab insbesondere das für die 100-Franken-Note vorgesehene Bild eines Mähers. «Die Stellung des Mannes und die Art der Sensenhaltung seien unnatürlich und unmöglich», meinte ein Kommissionsmitglied. An der darauf folgenden Sitzung wurde darauf hingewiesen, «dass der Mann die Sense falsch» halte. Später doppelte ein weiteres Mitglied nach. Er habe sich, «gelegentlich seiner letzten Reisen in mehreren Kantonen die Art der Sensehaltung genau» angesehen» und könne nun erklären, «dass die Sense nirgends so gehalten wird, wie dies auf der Zeichnung des Herrn Hodler der Fall» sei. So ging es von Sitzung zu Sitzung, wobei auch über den Kopf – zu unschweizerisch – und viele weitere Details geklagt wurde.
Der von Hodler für die 50-Franken-Note vorgeschlagene Holzfäller stiess ebenfalls auf massive Kritik. Bundesrat Comtesse wies nach verschiedenen kritischen Voten darauf hin, dass die 50-Franken-Note «in den breitesten Volksschichten zu zirkulieren berufen ist», und deshalb ein besonders «gefälliges Notenbild aufweisen sollte». Der «Hodler’sche Holzfäller» erfülle diese Forderung in keiner Weise. Die beiden Hodler-Noten wurden in der Tat nach ihrem Erscheinen mit Hohn und Spott bedacht. Man sprach von «Kunstsauereien» und von «Kinderstuben-Elaboraten».
Die Haartracht der Appenzeller Stickerinnen
Für die Gestaltung der 500er und 1000er Noten wandte man sich an Eugène Burnand (1850-1921). Seine 500er-Note kam ebenfalls ins Schussfeld der Kritik. Bei den drei Appenzeller Stickerinnen, die das zentrale Bild der Note bilden, sei «insbesondere die Haartracht zu soigniert» und wirke «nicht genügend appenzellerisch». Die Tracht, fügte der Kritiker bei, weise «Verstösse gegen das Appenzeller Kostüm auf». Burnand, der im Ausland war, musste für die Korrekturen noch einmal in die Schweiz kommen. Hingegen fand das für die 1000er-Note vorgesehene Bild der Giesserei einheitliche Zustimmung. Offenbar stellte diese Darstellung der einheimischen Industrie einen unbestrittenen symbolischen Wert dar.
Konflikte bei der Gestaltung der neuen Serien
Interessant sind auch die Probleme, die während des Zweiten Weltkriegs bei der Gestaltung einer neuen Serie auftraten. Der Auftrag war an die Künstler Victor Surbeck und Hans Erni gegangen. Erni wurde jedoch gegen Ende des Kriegs das Mandat entzogen, weil er, befreundet mit dem Marxisten Konrad Farner, zu nah an kommunistische Ideen gerückt war. Schliesslich wurde die gesamte Serie, obwohl druckreif, nicht ausgegeben.
Es würde zu weit führen, nun alle Randgeschichten der folgenden Notenserien auszuführen. Ästhetische, politische oder ideologische Fragen begleiteten jedenfalls immer wieder die Emissionen neuer Banknoten. In den 1970er Jahren hoffte die Nationalbank, mit der Darstellung historischer Persönlichkeiten der Wissenschaft solche Polemiken vermeiden zu können. Doch so einfach ging dies nicht.
Die 1000er-Note von 1978 war dem Mediziner, Ameisenforscher und Direktor einer Irrenanstalt August Forel (1848-1931) gewidmet. Forel vetrat eugenische Ansichten und praktizierte Zwangs-Sterilisationen an Geisteskranken. Allein schon diese biografischen Aspekte waren geeignet, die Wahl Forels kritisch zu hinterfragen. Die Banknote zeigte ausserdem drei Ameisen. Die Vorlage für die grösste, die Königin, stammte aus der Schweiz ; die kleine Arbeiterin hingegen war eine Ameise aus Neuguinea. Natürlich ist es Zufall, dass die Königin aus der Schweiz, die Arbeiterin aber aus dem Ausland stammten. Man könnte trotzdem in dieser Konfiguration ein Symbol für den schweizerischen Arbeitsmarkt der 1970er Jahre sehen.
Die 1000er-Note von 1998, um noch einen weiteren kritischen Fall zu schildern, war dem Basler Kultur- und Kunsthistoriker Jacob Burckhardt (1818-1897) gewidmet. Burckhardts geisteswissenschaftliche Verdienste stehen ausser Zweifel. Doch war es klug, 1998 – im Jahr, als das 150-Jahr-Jubiläum des Bundesstaates von 1848 gefeiert wurde – eine konservative Persönlichkeit zu wählen, die den liberalen Bundesstaat abgelehnt hatte? Hinzu kam, dass Burckhardt sich verschiedentlich mit antisemitischen Äusserungen hervorgetan hatte. Dies war, angesichts des Ende der 1990er Jahre ausgebrochenen Konflikts um die nachrichtenlosen Vermögen – d.h. der von Schweizer Banken zurückbehaltenen Gelder von Juden, die in den Vernichtungslagern der Nazis umgekommen waren – ein mehr als unglücklicher Zufall.
Gerechtigkeitshalber sei angemerkt, dass Schweizer Banknoten gelegentlich sogar auf internationaler Ebene mit Applaus aufgenommen werden. Die 50er-Note wurde 2016 von der Internationalen Banknoten-Vereinigung zur schönsten Banknote der Welt erkoren. Und 2017 ging dieser Preis an das «10er-Nötli», das die Schweiz mit Händen, die dirigieren, als Ort für künstlerisches Schaffen repräsentieren soll.
Die Message der aktuellen 1000er-Note
Banknoten repräsentieren, wie diese verschiedenen Debatten zeigen, mehr als nur den aufgedruckten Geldwert. Sie symbolisieren vielmehr auch die Magie des Geldes und dienen als Visitenkarte der Nation und des Landes. Dabei vermitteln sie gesellschaftspolitische Symbole, nationale Mythen und metaphorische Mitteilungen.
Die neue 1000er-Note macht diesbezüglich keine Ausnahme. So kann man die Hände über dem Globus als Symbol weltoffener Solidarität interpretieren. Der Handschlag kann aber auch, gewissermassen handfester, als Moment des Abschlusses eines Deals gedeutet werden: Eines Handels, wie er traditionell auf den Viehmärkten mit einem Handschlag, ohne Rückgriff auf Banken oder administrative Kontrollen, getätigt wurde. Damit käme man jener Kritik näher, die darauf hinweist, dass solche hohen Notenwerte jenen nützlich sind, die einen Deal ausserhalb legaler Prozeduren suchen. Ein Geldvehikel also, das nicht nur als Notreserve unter die Matratze gelegt wird, sondern der Steuerhinterziehung, der Geldwäscherei und anderen kriminellen Affären dient.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der emeritierte Geschichtsprofessor Hans Ulrich Jost studierte in Zürich und Bern Geschichte und Soziologie. Von 1981 bis 2005 lehrte er an der Universität Lausanne Neuere Allgemeine Geschichte und Schweizer Geschichte.
Ein Grossteil der Schweizer benutzt keine Tausender oder nur ganz selten Tausender, können auch gar nicht viele anhäufen.
Die Funktion des Tausender als Tauschmittel für reale Güter und Dienstleistungen hat eine untergeordnete Bedeutung.