Sperberauge

Griechenland: der Prophet von 1998

Christian Müller © zvg

Christian Müller /  Gibt es die Griechenland-Krise trotz der Euro-Währungsgemeinschaft – oder sogar wegen der Währungsgemeinschaft?

Wer sich im Zusammenhang mit der Griechenland-Krise die Diskussion bei der Entstehung der Euro-Währungsgemeinschaft Ende des letzten Jahrhunderts nochmals anschaut, stösst auf eine Rede, die die jetzige Krise in Griechenland schon fast bis ins Detail voraussagt. Die deutschen Politiker befürworteten damals die zu schaffende Euro-Zone mit dem Verweis auf die Chancen der deutschen Exportindustrie. Aber es war auch ein deutscher Politiker, der eindrücklich darauf hinwies, dass dies nicht möglich ist, ohne dass andere Länder darunter leiden werden.

Ob man seine Partei mag oder nicht, ob man ihn selber mag oder nicht, der Deutsche Gregor Gysi hat in seiner Rede vom 23. April 1998 genau das vorausgesagt, was jetzt mit Griechenland abläuft.

Und es ist, wie so oft und immer öfter, eine kleine unabhängige Informations- und Diskussionsplattform, auf der man die 16minütige Rede von Gregor Gysi nochmals anhören (und auch nachlesen) kann: Le Bohémien. Nicht ganz zu Unrecht setzt Le Bohémien diese Rede Gysis unter den Titel: Der Prophet.

Da kann man leider nur noch sagen: Man hätte auch auf ihn hören müssen. Man hätte sich in Europa so manches menschliche Elend ersparen können.


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8 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 5.07.2015 um 12:21 Uhr
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    Was Herr Gysi gesagt hat, das sagten die jetzt abgehalfterten AfD-Politiker Henkel und Starbatty damals auch. Sie galten als neoliberal. Ich kenne Leute, welche die Prognose riskieren, wenn man auf der Strasse schneller fahre, gebe es mehr Unfälle. Sind das Propheten? Selber schrieb ich im Aargauer Volksblatt 1976, dass die Berliner Mauer keine Zukunft habe. Ich bilde mir auch nichts ein auf die Voraussage, dass es mit der Europäischen Union, wenn Mündigkeit und Selbstbestimmung des Bürgers wichtig bleiben, mit dem jetzigen Verhältnis zu Geld, Demokratie (incl. Selbstbestimmung ganz unten) keine Zukunft haben kann und dass etwa die Personenfreizügigkeit für ein Land, das auf Freiheit und Unabhängigkeit Wert legt, in der jetzigen Form nicht funktioniert. Erst recht nicht gegenteilige kommunistische Rezepte, hier handelt es sich um reine Wahnvorstellungen. Europa kann nicht nur den Chauvinismus nicht gebrauchen, auch nicht den Chavismus. Dass Griechenland sich dem Drittweltniveau annähert, daran ist sicher nicht Hayek schuld. Dessen Buch «Der Weg zur Knechtschaft» unterscheidet sich wohltuend von heutigen Kapitaltechnokraten, die sich mangels Ethik für neoliberal halten. Es braucht Massstäbe «jenseits von Angebot u. Nachfrage"!

    PS. Es würde sich lohnen, den extrem sektiererischen Hintergrund von Syriza mal aufzuarbeiten, bevor man sich für eine hoffnungslose Sache auf die Barrikaden stellt. Vgl. den Artikel von Giorgios Pappas in der Zentralschweiz am Sonntag v. 5. Juli.

  • am 5.07.2015 um 16:02 Uhr
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    Gysi, ein kluger Kopf, brachte es wirklich auf den Punkt. Schade ist er «zu sehr» für bare Umverteilung, ein bisschen Wettbewerb braucht der Mensch.
    Es sind beide «Fehlkonstruktionen», die EU und der Euro, und haben uns Schweizer auch geschadet. Werden auch weiter Schaden in Europa anrichten.
    Die Brüsseler EU hat nichts mehr im Griff, weder das Finanz-Management noch das Immigration und Asyl Wesen, noch ist die fähig rasche (und nötige) Reformen anzusetzen, zu schwerfällig und Beamtenreich ist der Apparat geworden.
    Die EU, so wie sie ist, hätte nie entstehen sollen.

    Small ist Beautyful, es lebe die Schweiz !

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 5.07.2015 um 16:41 Uhr
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    @Bruderer. Ich interessierte mich ab 1957 für Politik und fand in jenen Jahren Paul Henri Spaak, de Gasperi und den deutschen Kanzler Konrad Adenauer wenn auch etwas sehr in kindlich-jugendlicher Begeisterung grosse vertrauensvolle Staatsmänner, die Europa vorwärts bringen. Von Montanunion bis Freihandel war alles prima unterwegs, und man muss wirklich sehen, dass im Vergleich zu jenen Politikern Leute wie derzeitige Präsident des Europäischen Parlaments, aber natürlich auch Gysi Grössen mit wenig Orientierungswert sind, klar unter dem Niveau z.B. der aargauischen Finanzdirektoren Ulrich Siegrist und Roland Brogli. Sie dürfen die EU der fünfziger und sechziger und noch der siebziger Jahre im Kalten Krieg nicht mit einem heute schwerlich kontrollierbaren geistig orientierungsarmen Gebilde verwechseln; es müsste klar sein, dass die an und für sich hochintelligente Angela Merkel aufgrund ihrer Biographie und Ausbildung natürlich als Politikerin nie den Ueberblick eines Talleyrand oder Bismarck oder Kissinger oder auch nur eines französischen Aussenministers unter de Gaulle sich erwerben konnte, wiewohl sie zu den relativ Guten und klar nicht Korrupten in Europa gehört. Das ist mit ein Problem. Die Europäische Union war mal ein Hoffnungsprojekt, sie war jedoch auf den jetzigen Gigantismus nie angelegt. Was die Finanzpolitik betrifft, glaube ich, wäre Schäuble wohl noch als Schwabe von Natur aus der brauchbarste gewesen, wenn das System nicht völlig daneben wäre.

  • am 5.07.2015 um 19:41 Uhr
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    @P.M
    Ich (emp-)finde ihre Voten (diesmal) ziemlich polemisch und wenig sachlich. Unter Adenauer konnten viele Richter vom NS-Regime ohne Sanktionen direkt in die Gerichtsbarkeit der BRD wechseln. Kein Thema?
    Das Problem des potentiellen Geldwachstums ist dem Zinssystem inhärent – kein Thema?
    "Umverteilung» ist ein missbrauchtes Reizwort (@Bruderer) umverteilt werden die Früchte der Arbeit. Was sind denn die Früchte der Spekulation? Was vermehrt sich dabei?

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 5.07.2015 um 21:08 Uhr
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    @1997/98: Propheten – Prof. Arnulf Baring nannte den Euro 1997 ein «gigantisches Erpressungsgmanöver» mit enormen Ausgleichszahlungen als Folge. Warnungen in der Art auch von Gysi und Henkel waren damals fast Mehrheitsmeinung, eigentlich dachten alle vernünftigen Leute so, nur Ideologen und eben diejenigen, die aus der Europäischen Union ein Vehikel für angebliche deutsche und französische Interessen machen wollten, betonten anderes.

    @Lachenmeier. Gut, dass Sie Adenauers Politik nennen. Stellen Sie sich vor, man hätte in Russland nach 1991 Parteimitglieder von der Karriere ausgeschlossen. Das war nicht mal in der DDR machbar. Parteimitglieder waren wie die Mehrheit der Kommunisten und die Mehrheit der Muslime in der Regel keine Mörder, oftmals anständige Menschen wie Sie und ich . Aber der Fall Globke war bei Adenauer trotzdem ein verantwortungsbefreiter Missgriff. Selber sagte Adenauer 1932: «Gegen Hitler helfen nur blaue Bohnen.» Und 1952: «Wir zahlen den Juden Wiedergutmachung, weil sie an der amerikanischen Ostküste sehr einflussreich sind.» Nach Kriegsende, als in fast jeder Familie Tote zu beklagen waren, die Städte kaputt, 200 000 Frauen vergewaltigt, wurden die Opfer des 2. Weltkrieges noch nicht auf den «Holokaust» reduziert, ein Ausdruck, den Adenauer nicht kannte, erst durch US-Fernsehserie zum Schlagwort wurde. Adenauer war ein effizenter u. erfahrener Politiker, der, mit Primat vernünftigen Handelns, als verdienstvollster Deutscher des 20. Jahrhunderts gilt.

  • am 5.07.2015 um 23:10 Uhr
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    "von der Karriere ausschliessen…» und die NS-Richter zur Richtern der BRD zu machen ist nicht ganz das gleiche. Ich verweise auf die Recherchen von Prof. Daniele Ganser. Geheimarmeen den NATO und die staatsrechtlichen Belange. Vieviel Recht darf denn gebogen werden, um das «Richtige» zu schützen? All unser Tun hat das Potential kontraproduktiv zu wirken.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 6.07.2015 um 00:07 Uhr
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    Letzteres war nicht Normalfall. Karrieren haben oft dunkle Stellen. Wenn man sich eines Tages nicht mehr vorstellen kann, wie es damals war, wird auch Oberleutnant Helmut Schmidt von Leuten, die moralische Aggressionen loswerden wollen, als «Nazi» gehandelt werden. Es gibt gute Gründe, ungerechte Richter zu allen Zeiten gleich oder wenigstens proportional zu behandeln und zu betrachten. Klaus von Flüe beobachtete aus den Mündern solcher Richter Feuerflammen. Schweizer Richter, die Scharia-Recht anerkannten, ist nachweislich vorgekommen, sind genau so feige wie Militärrichter im 2. Weltkrieg. Und die Richter, die in Hergiswald bei Luzern zwei kleine Verräter von Handgranatengeheimnissen hinrichten liessen, nach den gleichen Prinzipien handelten wie in Deutschland Filbinger, bekamen später nie Probleme. Nach allem, was man über Dietrich Bonhoeffer weiss, hätte er bei gleichem Tatbestand der Zusammenarbeit mit dem Feind auch in der Schweiz um sein Leben bangen müssen. Es gibt keinen Grund, betr. sog. und echte Nazis nach 80 Jahren eigene Kriterien zu entwickeln im Glauben, man sei bedingungslos besser. Aus der Sicht der katholischen Moral ergibt sich schon in jedem Spital, wo abgetrieben wird oder mit geborenen bzw. ungeborenen Menschen experimentiert, ein schlimmes Dilemma. Ich teile diese Sicht nicht, verweise aber darauf, dass moralische Einschätzungen auf Abmachungen und Konsens beruhen. Dürrenmatt kritisierte mehrfach tiefsinnig den rachsüchtigen Charakter der Justiz.

  • am 6.07.2015 um 00:52 Uhr
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    Der Irrsinn geht weiter, die Griechische „Spieler“ haben diese Partie gewonnen. Selbstbewusst machen sie sich auf den Weg nach Brüssel. Dort werden sie ja gar nicht erwartet aber macht nichts denn innert 48 Stunden wollen sie die Früchte dieser Pilgerfahrt nach Hause tragen …
    Europa steht mit dem Rücken an der Wand. Wenn man Martin Schultz zuhört erfährt man seine totale Desorientierung. Die Türen stehen weiterhin offen … sagt der arme Mann, dies mit fast weinerliche Stimme.
    Merkel wird alles tun damit „Europa mitsamt Euro“ … nicht scheitert. Als Verliererin will sie auf keinen Fall in die Geschichte eingehen.
    Im Hintergrund ist dann nur ein bisschen Gebell hörbar. Gebissen wird in Brüssel nicht mehr, und die EZB wird spätestens Dienstag den Geld Hahn wieder aufdrehen im Namen der … „humanitäre Verpflichtungen gegenüber dem hungernden Griechischen Volk“ ….

    Also ich muss schon sagen das Wort Demut ist bei denen da unten unbekannt. So wie es tönt sollten sich eher die 18 Euro Staaten, (die dummerweise geholfen haben, „tant pis pour eux“ …), schämen und gefälligst sofort entschuldigen für den angestellten Schlamassel.

    Manchmal lohnt es sich Poker zu spielen wenn man es so gut beherrscht !

    Irgendeiner lacht sich ins fäustlein … Wetten ?

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