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ESG - tue gutes und verdiene damit gutes Geld? Die Rechnung geht nicht auf. © public-domain murrstock/depositphotos

ESG: Geld verdienen und dazu den Planeten retten – vergesst es!

Christof Leisinger /  Geld verdienen und dabei Gutes tun: Kritische Wissenschaftler entlarven Tricksereien und Wunschdenken.

Ökologisch, sozial, gut geführt – das sind Kriterien, die heute im Umgang miteinander, bei der Bewertung der Unternehmensführung oder auch bei der Geldanlage bei vielen einen hohen Stellenwert haben.* Das hat sich in den vergangenen Jahren herauskristallisiert. Gerade auch in der Vermögensverwaltung hat sich eine Nische mit starkem Wachstum herausgebildet.

Banken, Fondsgesellschaften, Vermögensverwalter, Indexanbieter, Beratungsunternehmen oder auch akademische Institutionen nutzten den Trend, indem sie immer mehr Forschungsergebnisse und neue Produkte mit angeblich geeigneten Charakteristika auf den Markt brachten. Diese liessen sich nach dem Motto «Geld anlegen, interessante Renditen erzielen und dabei Gutes tun» nicht nur bestens vermarkten, sondern sie bringen den Anbietern aufgrund erhöhter Verwaltungsgebühren auch mehr ein als traditionelle Finanzprodukte vergleichbarer Art.

Das Geschäft mit ESG-Anlagen* ist für die Anbieter lukrativ

Kein Wunder sind die auf diese Weise weltweit verwalteten Vermögen bis im Jahr 2022 auf mehr als 30 Billionen Dollar angewachsen und haben in den verschiedenen Regionen Anteile an den gesamten verwalteten Vermögen zwischen 13 und 47 Prozent erreicht. Und das, obwohl diese ESG*- oder Nachhaltigkeitsanlagen phasenweise ziemlich in Verruf gekommen waren. Anbieter wie die Fondsgesellschaft der Deutschen Bank sind wegen «Greenwashing» aufgeflogen. Zudem zeigte eine Studie der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen, wie spezialisierte Datenanbieter die Anlegergemeinde mit überzogenen Preisen für ihre Informationen über den Tisch ziehen.

Inzwischen sind auch Zweifel am gesamten Konzept aufgekommen. Andy King etwa, ein Professor für Geschäftsstrategie an der Boston University, beobachtete mit einiger Verwunderung, wie Akademiker an der Harvard-Universität, der London Business School und anderswo Forschungsergebnisse mit kühnen Thesen veröffentlichten. So behaupteten sie, wer als Unternehmer anderen Menschen und dem Planeten Gutes tue, erziele auch höhere Gewinne und Renditen an den Finanzmärkten. Ihre Papiere wurden in Anhörungen des amerikanischen Senats zitiert, von Regulierungsbehörden bei der Ausarbeitung von Klimavorschriften für Firmen argumentativ verwendet und von Wall-Street-Riesen wie Blackrock angeführt, welche Fonds im Wert von Milliarden Dollar vermarkten.

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Das Geschäft mit ESG-Anlagen wächst rasant. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Er selbst war in jahrzehntelangen Untersuchungen, ob Unternehmen ihren negativen Einfluss auf die Umwelt verringern und gleichzeitig das Ergebnis steigern konnten, zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen. King stellte fest, dass die finanziellen Effekte oft zu gering waren, um den Nettogewinn zu beeinflussen. Als er sich in die neuesten Forschungen vertiefte, komplexe mathematische Formeln überprüfte und Zehntausende von Datenpunkten analysierte, entdeckte er, was seiner Meinung nach Fehler waren, welche die Ergebnisse verfälschten. Die Beweislage für die These «Geldverdienen und dabei Gutes tun» ist einfach zu dünn.

Auch andere Fachleute halten die Beweislage für zu dünn

Inzwischen sind andere Akademiker zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen. Zum Beispiel Forscher der Columbia University, der University of California in Berkeley und auch des Massachusetts Institute of Technology haben Studien veröffentlicht, welche die Ergebnisse von Kings Analyse unterstützen. Da diese Akademiker im Allgemeinen die Bestrebungen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung unterstützen, hat das eine Debatte über die sogenannten ESG-Programme ausgelöst. Diese wird von skeptischen Managern und vor allem auch von politischen Akteuren dankbar aufgegriffen. Die amerikanischen Republikaner zum Beispiel behaupten, das Engagement für Umwelt- und Sozialanliegen sei eine Bedrohung für den amerikanischen Kapitalismus. Manche Bundesstaaten haben sogar Anti-ESG-Gesetze eingeführt, um Firmen unter Druck zu setzen und um sie von ESG-Aktivisten zu erlösen.

Andy King und sein Rotterdamer Kollege Luca Berchicci haben eine entscheidende, viel zitierte Studie von Mozaffar Khan, George Serafeim und Aaron Yoon mit dem Titel «Corporate Sustainability: First Evidence on Materiality» nachvollzogen, die relevanten Daten durch mehr als 400 statistische Modelle gejagt und sogar – ganz modern – Methoden der künstlichen Intelligenz angewandt. Ergebnis: In der überwiegenden Mehrheit der Fälle gibt es keine Beweise, die ein gutes ESG-Rating einer Firma mit einer guten Entwicklung ihrer Aktie an der Börse verbinden würde. Die viel zitierte Analyse sei schlicht und einfach bedeutungslos, so das Fazit. Natürlich muss man dieses vorerst noch mit einer gewissen Vorsicht geniessen, da es noch nicht von weiteren Fachkollegen überprüft wurde.

Kritiker fürchten um ihre Karriere – es ist zu viel Geld im Spiel

Aber das hält King nicht davon ab, über die Art und Weise zu klagen, wie die durch seine Arbeit widerlegte ESG-Forschung einen Boom bei Nachhaltigkeitsfonds, Bewertungen und Indizes ausgelöst hat. Andere stimmen ihm zwar zu. Sie tun das allerdings nur unter der Hand, weil sie fürchten, öffentliche Meinungsäusserungen kritischer Art könnten ihrer Karriere schaden. Das zeigt, dass die wahren Fakten leicht unterdrückt werden, wenn zu viel Geld im Spiel ist und wenn gut finanzierte Lobbygruppen aus Eigeninteresse an «bewiesenermassen falschen» Narrativen festhalten.

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* Die Abkürzung ESG steht für Environmental, Social und Governance, also für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.

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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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5 Meinungen

  • am 18.03.2024 um 12:03 Uhr
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    Ein schöner Beitrag, der leider meistens richtig ist. Es gibt oder gab, weil einige schon im AHV-Alter sind, vor gut 30 Jahren die ersten seriösen Vermögensverwalter oder Zeitschriften, die sich mit Ökologie und Ethik, nebst dem magischen Drei-Eck wie Risiko, Rendite und Liquidität herumschlugen und seit 25 Jahren noch mit dem 6. Punkt, den Vorlieben, die praktisch alle Anleger und die Anbieter sowieso haben – das «martisches 6-Eck». Die Geschichte um den NX-25, den Naturaktienindex ist nicht einfach und meiner Meinung ist der Name etwas unglücklich, aber die Performance lässt sich sehen und mit den meisten Index-Fonds ganz gerne vergleichen. Ein Index erreichen, heisst ja eigentlich nur mit dem Durchschnitt zufrieden sein. Einige sollten Max in Wien danken, dass er meist darüber lag – mit Umwelt und Ethik. Governance können Sie ruhig mit speziellen Vorlieben übersetzen, die sind beimNx-25 eben anders.

  • am 18.03.2024 um 12:22 Uhr
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    ESG als Kriterium für eine erfolgreiche Anlagepolitik ist ein Unsinn. Bestimmt gibt es Firmen, die in Ökologie führend sind. Das Gleiche gilt für Umwelt und Unternehmensführung. Aber es gibt sicher nicht genügend Firmen in genügender Grösse und Anzahl, die gleichzeitig bei allen drei Kriterien besonders gut sind und auch noch eine gute Rendite erwirtschaften.
    Dass sich die Finanzbranche mit ESG profilieren will, hat mehr mit dem Streben nach Gewinn und Anerkennung in den Medien zu tun als mit einer nützlichen Anlagepolitik.

    • am 19.03.2024 um 09:11 Uhr
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      Herr Geiger, bis auf die erste Zeile bin ich einverstanden. Wir kennen uns vermutlich aus der gleichen Bank. Ich habe nach 7 Jahren wegen der verfehlten Bonipolitik gekündigt. Gleichzeitig hätte ich für den damaligen Umweltbeauftragen eine Diplomarbeit am NDS Umweltmanagement (WUM) über die Einführung von Ökologischen Fonds durchführen können. Es war nur eine Gruppenarbeit zugelassen und niemand wollte sich diesem Thema annehmen. Ich war allein. «Als ich begann, war ich allein.» Dies schrieb Otto Bisang, wie er den Umweltbereich in der Bank aufgebaut hatte. Otto war also nicht alleine. Seine Meinung ist in der Bilanz vom 22.5.2009 nachlesbar. Geld hat immer regiert. Der WUM-Leiter hat später die IFZ der HSLU aufgebaut. Christoph ist kein Langweiler und hat die Finanzwelt analysiert. Geld regiert. Bei mir als Finanzchef hing im Büro ein Fondsplakat mit einem Saxophonspieler und dem Titel «Der Mensch lebt nicht vom Geld allein». Heute ist ein negativer Jahrestag für diese Anstalt.

  • am 18.03.2024 um 23:42 Uhr
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    Vielen Dank für diesen, wenn auch ein wenig tendenziösen, Beitrag zum Thema «nachhaltiges investieren» Es ist sicherlich so, dass die Vereinbarkeit von Renditestreben und nachhaltigem investieren, nach ESG-Kriterien, sowohl akademisch als auch von Wirtschaftsakteuren kontrovers diskutiert wird. Dennoch greift dieser Artikel zu kurz, um der Komplexität der verschiedenen Nachhaltigkeitskriterien und Strategien genügend Rechnung zu tragen. Die Investoren bewerten ESG Kriterien heute vor allem auch vorausschauend als Risiken der Werterhaltung bei langfristigen Engagements (nur schon das G im ESG sollte für langfristig orientierte Anleger von materieller Natur sein – wie ein Schweizer Negativbeispiel letztlich schmerzhaft gezeigt hat). Auf die verschiedenen ESG-Srategien, welche den Investoren zur Verfügung stehen, wird im Artikel überhaupt nicht eingegangen. Somit bleibt dieser Beitrag leider auf einem Niveau, welches nicht auf die Anlagerisiken und Chancen von morgen eingehen will.

  • am 19.03.2024 um 09:24 Uhr
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    Die Frage, die es zu beantworten gilt ist: sind Nachhaltigkeit und Kapitalismus prinzipiell(!) unvereinbar? Der Artikel legt das nahe. Nun hat Karl Popper mit seinem «Schwanenbeispiel» bereits vor Jahrzehnten dargelegt, dass auch die klügsten Gelehrten behaupten können, sie hätten auf ihren Reisen durch die Welt nur weisse Schwäne gesehen, trotzdem wäre das bestenfalls ein Indiz, aber eben kein Beweis, dass schwarze Schwäne nicht existieren. Den Revolutionären des 19. Jhds hat man auch entgegengehalten, Demokratie und staatliche Ordnung seien unvereinbar. Die Schweiz beweist das Gegenteil. Ein existierender schwarzer Schwan reicht aus, um jahrzehntelange «Forschung» zunichte zu machen, darum würde er von einer entsprechenden Interessengruppe ggf. «entfernt». Sozialismus ist mit Demokratie unvereinbar? 1968 brachten die Kommunisten mit Waffengewalt in Prag, 1989 die Kapitalisten mit Finanzgewalt in Berlin zwei potentielle «schwarze Schwäne» um.

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