Chef-Krypto-Lobbystin Kristin Smith im Blooberg-TV

Chef-Krypto-Lobbystin Kristin Smith am 3. Juni 2024 im Blooberg-TV © Bloomberg-TV

Die Kryptogeld-Lobby beeinflusst die Präsidentschaftswahlen

Josef Estermann /  Sowohl Donald Trump als auch Joe Biden äussern sich gegenüber dem digitalen Geld plötzlich wohlwollend.

Es geht um Wahlkampfspenden. Grosszügige Milliardäre und Konzerne erwarten vom künftigen Präsidenten eine Gegenleistung. So wie die Pharmakonzerne und andere Lobbys spendet auch die Kryptoindustrie zur Sicherheit gleich beiden Präsidentschaftskandidaten. Eine Recherche der New York Times deckte am 19. Juni auf, wie die Krypto-Konzerne die beiden Kandidaten ködern.

Eine von Skandalen erschütterte Branche

Die Kryptoindustrie galt in den USA bis vor kurzem noch als absolut unsolid und politisch höchst umstritten. 2019 meinte der damalige Präsident Donald Trump noch, er ziehe Dollars den Bitcoins vor, und Letztere seien sowieso «nur dünne Luft». Letztes Jahr erlitt die Branche einen empfindlichen Rückschlag, nachdem die US-Börsenaufsichtsbehörde S.E.C. die Kryptobank Coinbase und andere Kryptobanken wegen Betrugs und unzureichender Sicherheiten verklagte.

Bei den Midterm-Wahlen 2022 hatte zum Beispiel die Kryptofirma FTX den Wahlkampf für die Abgeordneten des Kongresses noch mit mehreren Hundert Millionen US-Dollar unterstützt. Zwei Jahre später ist FTX pleite, und sein CEO Bankman-Fried wegen Betrugs im Gefängnis. 

Die Regierung von Joe Biden war bis vor kurzem gegenüber der Kryptoindustrie generell skeptisch eingestellt.

Der Wind hat gedreht

Doch inzwischen hat der Wind gedreht. Im Mai errang die Branche einen unerwarteten Sieg im Kongress, als dieser dafür stimmte, eine von den Kryptounternehmen angefochtene Richtlinie der Börsenaufsichtsbehörde zu kippen. Präsident Biden legte zwar sein Veto gegen die Resolution ein, aber angesichts des Wahlkampfs nimmt der Druck auch auf ihn zu, sich mit der Branche zu arrangieren.

Nach Angaben der Kryptobank Coinbase sind 52 Millionen US-Amerikanerinnen und -Amerikaner Besitzer von Kryptowährungen. Die US-Zentralbank schätzt deren Zahl auf 18 Millionen. Ryan Selkis, CEO des Kryptounternehmens Messari, meinte bei einem Dinner in Donald Trumps Feriensitz Mar-a-Lago denn auch lapidar: «Das sind verdammt viele Wähler!»

US-Wahlen als Lakmustest für die Kryptobranche

Viele Krypto-Anhänger sehen die diesjährigen US-Wahlen als einen entscheidenden Wendepunkt für den endgültigen Durchbruch der Kryptowährungen und der digitalen Kryptoindustrie insgesamt. Deshalb versuchen die verschiedenen Unternehmen den Wahlkampf für ihre eigenen Interessen zu beeinflussen.

Drei grosse Kryptounternehmen haben sich zu einer Allianz zusammengetan, um verschiedene befreundete und krypto-affine Wahlspenden-Organisationen (die so genannten PAC: Political Action Committees) mit 150 Millionen US-Dollar zu unterstützen. Noch richtet sich ihr eigentliches Interesse auf die Wahl von Kongressabgeordneten, aber inzwischen zeigt sich ein reges Interesse, auch bei der Präsidentschaftswahl mitzumischen.

«Die Wahlen 2024 werden die folgenreichsten in der Geschichte der Kryptowährung sein», sagte Brad Garlinghouse, der Geschäftsführer von Ripple, einem Kryptounternehmen, das sich seit Jahren mit der US-Regierung anlegt, gegenüber der New York Times. «Sie sehen, wie eine Technologie zu einem parteipolitischen Thema wird.»

Alle Präsidentschaftskandidaten schwenken um

Der unabhängige Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy Jr.hatte seinen ersten offiziellen Wahlkampfauftritt bei einer Bitcoin-Veranstaltung in Miami. Er nahm an mehreren Branchenkonferenzen teil, bei denen er am Rande Geldbeschaffungsgespräche mit wohlhabenden Führungskräften führte.

Weit bedeutender aber ist die Haltung von Donald Trump und Joe Biden zur Kryptoindustrie. Donald Trump scheint nach seiner eher ablehnenden Haltung während seiner Präsidentschaft nun vollends auf den Zug der Kryptoindustrie aufgestiegen zu sein. Er trifft sich regelmässig mit Geschäftsführern von Kryptounternehmen und stellt die Rücknahme von strengen Regulierungen der Branche durch die S.E.C. in Aussicht, sollte er gewählt werden.

Trotz der grossen Vorbehalte oder gar Ablehnung der Biden-Regierung gegenüber der Kryptoindustrie haben sich in den letzten Wochen auch Mitarbeitende seiner Administration an Kryptounternehmen wie Coinbase und Ripple gewandt und darum gebeten, die Krypto-Politik zu diskutieren.

Trump hat bei den Kryptounternehmen die Nase vorn

Bei einem der jüngsten Treffen mit Vertretern der Kryptogeld-Lobby richtete sich Trump mit folgenden Worten an die Wähler: «Wenn Sie für Kryptowährungen sind, sollten Sie besser für Trump stimmen.» Er kündigte an, dass seine Kampagne Spenden auch in digitaler Währung annehmen würde, und versprach, die lebenslange Haftstrafe von Ross Ulbricht umzuwandeln, einem Kulthelden in der Kryptowelt, der den Online-Drogenmarktplatz Silk Road betrieb.

Die Krypto-Abstimmung wurde bereits von Präsident Trump gewonnen», sagte Selkis, CEO der Krypto-Bank Messari. «Es ist vorbei.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Wahlen in den USA

Wahlkreise werden willkürlich festgelegt. Lobbys greifen ein. Viel Lärm um Einfluss aus dem Ausland.

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