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Turmbau zu Babel: Bibelillustration von Gustave Doré (1865) © unlustig.com/CC

Der Schuldenberg gleicht dem Turm zu Babel (II)

upg /  Es ist eine Frage der Zeit, bis die Finanzblase platzt. Es drohen planlose Umschuldungen von Staaten oder eine Hyperinflation.

Noch suhlen wir uns in falscher Sicherheit. In bequemen Polstersesseln vor dem Fernseher nehmen wir von den Verwerfungen in den europäischen Ferienländern Kenntnis: Regierungen stürzen; Löhne sinken um zwanzig bis fünfzig Prozent; Renten werden gekürzt; die Preise von Lebensmitteln steigen; Regierungen stürzen; soziale Unrast macht sich breit; ein Grossteil der Jugend ist arbeitslos. «Eine Generation ohne Zukunft gefährdet Europas Stabilität», titelte die NZZ.
Wir blättern weiter zum Sport oder zur Stil-Beilage.

Gefahren sind beängstigend real

Noch spüren die Schweizer in ihrem Alltag wenig vom Gewitter, das sich zusammen braut. Aus dem Nichts werden Hunderte von Milliarden Euros geschaffen, um bei Sparern und Gläubigern die Illusion zu wecken, Banken und Versicherungen blieben liquid und könnten unsere Guthaben und Renten auch in Zukunft jederzeit auszahlen. Doch «bereits heute», räumte Walter Kielholz, Präsident des Versicherungskonzern SwissRe und Verwaltungsrat der Credit-Suisse ein, «zahlen die Sparer die Zechen für die politisch gewollte Überflutung der Märkte mit Liquidität.»

Wer soll noch glauben, dass das Finanz-Kartenhaus stabil bleibt, wenn ausgerechnet Länder wie Spanien und Italien für den Billionen-Euro-Rettungsfonds selber eine Garantie übernommen haben? Fast verzweifelt greift Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, zur Sprache der Militärs, um Zweifler mit der «erhöhten Feuerkraft» des IWF zu beruhigen.

Jeden Metzger würde man Konkurs gehen lassen

Einem überschuldeten Metzger würde niemand ständig noch mehr Geld leihen, damit er wenigstens die Zinsen seiner bisherigen Schulden begleichen kann, in der Hoffnung, der abgemagerte Metzger könne eines Tages zu einer Grossmetzgerei wachsen und dann den ganzen aufgehäuften Schuldenberg samt Zinsen zurückzahlen. Man würde den Metzger in Konkurs gehen lassen, auf Kosten seiner Gläubiger, die dem Metzger unvorsichtigerweise oder mit falschen Gewinnhoffnungen Geld geliehen hatten.
Im Fall Griechenland rechnet niemand damit, dass dieses Land seine Schulden je zurückzahlen kann. Trotzdem übergoss man das Land mit Milliarden, damit Banken und Versicherungen als Gläubiger fein raus sind.

«Ein katastrophaler Fehler»

Das ABC der Marktwirtschaft gebietet schon längst eine «Umschuldung»: Überschuldete Länder erklären ihre Zahlungsunfähigkeit und reduzieren den Wert ihrer ausgegebenen Staatsanleihen auf die Hälfte oder einen Drittel. Verluste würden bei den Grossbanken und Versicherungskonzernen anfallen, welche in die Anleihen dieser Staaten investiert hatten, obwohl sie die Risiken hätten erkennen müssen. «Es war ein katastrophaler Fehler, die maroden Banken auf Kosten der Steuerzahler zu retten», erklärt heute Professor Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger und früherer Chefökonom der Weltbank. Selbst in Griechenland seien die Banken trotz eines Abschreibers «viel zu gut» weggekommen. In Spanien drohe der gleiche Kardinalfehler wie in Irland: Eine Verstaatlichung des maroden Bankensystems.

Regierungen sind Geiseln der Finanzkonzerne

Warum? Weil es den Finanzkonzernen gelungen ist, sich so auszubreiten, dass sie angeblich «too big to fail» sind, also zu gross, um sie in den Konkurs zu zwingen. Grossbanken und Versicherungen haben sich damit eine faktische Staatsgarantie verschafft, ohne dafür etwa eine satte Prämie zahlen zu müssen. Alle Versuche, diese marktwirtschaftliche Todsünde zu beseitigen, haben sie stets mit Erfolg abgewürgt. Denn so lange diese privaten Finanzkonzerne auf ihre Rettung durch den Staat zählen können, sind ihnen die Regierungen als Geiseln ausgeliefert.

Schwarzer Peter bleibt bei Steuerzahlern und Sparern hängen

Statt zahlungsunfähigen Ländern einen Abschreiber zu ermöglichen und die Gläubiger die Sache ausbaden zu lassen, wird noch mehr Geld in diese Länder gepumpt, damit diese ihre Schulden gegenüber den unvorsichtigen Banken und Versicherungen begleichen können. Damit bläht sich das Kartenhaus aus Papiergeld auf und kommt schwer ins Wanken.
Seit Ausbruch der zweiten Finanzkrise im Jahr 2011 haben Grossbanken und Versicherungen stets mit Erfolg dafür lobbyiert, den Schulden-Kollaps in Europa mit immer neuen Kreditpaketen hinaus zu zögern. Nicht etwa um Zeit zu gewinnen für die Regierungen, das Schuldenproblem an der Wurzel zu packen, sondern um Zeit zu gewinnen für sich selber, damit sie den schwarzen Peter – ihre Investitionen in riskante Staatspapiere – noch vor dem Kollaps Schritt für Schritt los werden können an Nationalbanken, die Europäische Zentralbank und andere staatliche Institutionen. Auch private Besitzer staatlicher Ramsch-Obligationen hatten unterdessen genügend Zeit, einen grossen Teil ihrer Papiere zu verkaufen. Am Schluss bleibt der schwarze Peter bei den Steuerzahlern und Sparern hängen.

Wer sich retten kann, rettet sich. «Bevor der grosse Exodus der privaten Gläubiger einsetzt», schrieb kürzlich NZZ-Wirtschaftsredaktor Martin Lanz, «wäre eine rechtzeitige, umfassende Umschuldung sinnvoller, als sich mit Brandmauern immer neue Zeit kaufen zu wollen».
Dieser Appell kommt reichlich spät.

Steuer auf Finanztransaktionen brächte nötige Gelder

Neue Brandmauern, selbst wenn sie mit einer noch so hohen «Feuerkraft» ausgestattet sind (Christine Lagarde vom IWF), können einen Grossbrand erst recht auslösen.
Wenn überschuldete Staaten ihre Schulden abbauen, trotzdem aber die sozialen Netze für die Menschen erhalten und in die Infrastruktur und die Zukunft des Landes investieren wollen, dann müssen neue reale Einnahmen her. Reale Einnahmen erhielte man mit einer Besteuerung der Kapitaltransaktionen. Sie brächte rasch nötige Milliarden, ohne dass die Realwirtschaft Schaden nimmt. Doch die Finanzbranche, die weltweit über eine starke Lobby verfügt und die Regierungsparteien der meisten Länder finanziell unterstützt, hat sich so erfolgreich in Szene gesetzt, dass die EU eine Finanztransaktionssteuer aus den Traktanden gestrichen hat (siehe Teil I: «Die Finanzjongleure endlich zur Kasse bitten»).

Eingetrampelte Pfade führen in den Abgrund

Auch mittelfristig wirksame Massnahmen wie ein schrittweiser Abbau der meisten Subventionen und Steuerprivilegien zugunsten der Wirtschaft, und ein stufenweises Durchziehen einer ökologischen Steuerreform, welche Energie, Rohstoffe und Kapital besteuert statt die Arbeit, bleiben aus.
Eingetrampelte Pfade – selbst wenn sie in den Abgrund führen, sind leichter zu begehen als neue. Doch ein Wirtschaftswachstum anzustreben, indem man aus dem Nichts Milliarden elektronischer Euros schafft, führt zum sicheren Kollaps:
• Entweder kommt es zu verzweifelten, ungeordneten Umschuldungen mehrerer Staaten mit unvorhersehbaren wirtschaftlichen und politischen Folgen.
• Oder eine zweistellige Inflation macht das Finanz-Kartenhaus wertlos und enteignet rücksichtslos private Sparer, Rentner und Inhaber von Versicherungspolicen. Auch in diesem Fall werden soziale, politische und im schlimmsten Fall militärische Verwerfungen geradezu provoziert. Die Geschichte lässt grüssen.

In seinem Buch «Retten wir den Euro» (2012, 14.90 CHF) setzt sich der österreichische Mitbegründer der Attac und Autor Christian Felber für eine EU-weite Steuer auf Finanztransaktionen ein. Er empfiehlt auch einheitliche Vermögens- und Gewinnsteuern.

TIPPS FÜR ANLEGER
(Red.) Folgende Verhaltens-Möglichkeiten stellen wir zur Diskussion. Sie sind ohne jegliche Gewähr.
• Hände weg von Aktien und Obligationen. Auf jeden Fall keine Wertpapiere in Dollar halten. Allenfalls kommen Schweizer Bundesobligationen oder Papiere norwegischer Staatsfirmen in Frage.
• Vertrauen Sie keinem Bank- oder Finanzberater. Es sind alles gewiefte Verkäufer, welche die Interessen ihrer Finanzinstitute vertreten müssen.
• Wer reale Werte besitzt wie eine Eigentumswohnung, Land, Edelmetalle oder marktfähige Kunstgegenstände soll sie behalten.
• Wer flüssige Mittel hat, soll sie in Tranchen von maximal 100’000 Franken auf verschiedene Banken verteilen.
• Bei der Pensionierung ist es von Vorteil, sich den überobligatorischen Teil der Zweite Säule auszahlen zu lassen und dafür eine kleinere Rente zu beziehen. Die flüssigen Mittel auf verschiedene Banken verteilen.
• Wer Geld langfristig gut anlegen will, kauft physische Goldbarren (100 g, 500g oder 1 kg).
• Erst nachdem es zu einem Preiszerfall realer Werte wie Grundbesitz oder Edelmetalle kommt, die flüssigen Mittel für einen Kauf verwenden.
• Erst nach einem markanten Preiszerfall an den Börsen mit den flüssigen Mitteln Aktien von Unternehmen kaufen, die reale Werte schaffen und/oder besitzen.
• Eine Durststrecke mit Geduld und Abspecken ist nicht zu vermeiden.

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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 15.05.2012 um 16:51 Uhr
    Permalink

    Was ich nicht ganz verstehe, dass Liegenschaften, sofern jetzt im Eigentum, trotz Belehnung, und nicht überteuert, dem Gegenwert von Gold nicht standhalten.
    Bargeld auf dem Konto, bis max 100 000 CHF, wird dem Wert gegenüber Liegenschaften zu heute halten können? AL

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