Der Finanzplatz bleibt nur mit dem Schutz des Klimas stabil
upg. Der Autor ist Mitglied des Teams der Klima-Allianz Schweiz, die sich dafür einsetzt, dass die Ziele der internationalen Klimaabkommen erreicht werden. Hinter der Allianz stehen über 140 NGOs und Organisationen.
Ein heisseres Klima kann Banken stürzen
Sollte die Klimaerhitzung über 1.5°C ansteigen, prognostiziert die Klimawissenschaft eine Kaskade von Kipp-Punkten. Innert kurzer Zeit würde ein Sprung von einem noch stabilen physikalischen Zustand zur Überschreitung der planetarischen Grenzen erfolgen, welche eine dichte Abfolge von Katastrophen für Menschheit und Planet Erde bewirkte. Es entstünde immenses Leid für eine Vielzahl von Menschen. Die nutzbringenden Dienstleistungen der Ökosysteme und der Biodiversität gingen verloren. Dies wiederum würde – ähnlich wie bei der Covid-Krise – zu überstürzten Eingriffen der Staaten auf planetarischer Ebene führen.
Globale Zentralbanken, wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Zentralbank der Zentralbanken, die Europäische Zentralbank (EZB) und viele mehr untersuchen, wie die Finanzmärkte auf diese Schocks reagieren würden. Sie fundieren auf der Vorarbeit durch den Finanzstabilitätsrat der G7, global gesehen das höchste Fachgremium.
Die Prognosen sind pessimistisch: Gesetze für die zwingende Energietransition, erlassen in kurzer Zeit, würden die Anpassungsfähigkeit der fossil-abhängigen Teile der Weltwirtschaft überfordern. Die Kosten für fossile Energie und Abgaben für Treibhausgasemissionen gehen in die Höhe. Die hohen Investitionen für die Umstellung auf grüne Prozesse und Produkte sind für rückständige Unternehmen nicht mehr zu stemmen. Die Geschäftsmodelle klimanegativer Wirtschaftstätigkeiten lösen sich innert Kürze in Luft auf. Bankkredite werden nicht zurückbezahlt, fossil-intensive Aktien und Obligationen werden zu Schrottpapieren, Banken weltweit werden gleichzeitig illiquid, Finanzsysteme brechen reihenweise zusammen. Es trifft zuerst die Banken, die ihre Klimarisiko-Exposition nicht rechtzeitig heruntergefahren haben.
Klimaschutz-Aufruf der Zentralbanken an Politik und Wirtschaft
Eine wegweisende Studie der BIZ mit dem Titel Central banking and financial stability in the age of climate change zeigt den Handlungsbedarf. Die BIZ will vermeiden, dass die Zentralbanken im Klimanotfall einmal mehr als «climate rescuers of last resort» zur Hilfe gerufen würden. Sie fordert Politik und Wirtschaft auf, nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln:
- mit Bepreisung der Treibhausgasemissionen,
- mit Vorgaben an die Unternehmen der Realwirtschaft, ihren Ausstoss offenzulegen und Massnahmenpläne zu dessen Absenkung zu veröffentlichen.
Im Feld der Finanzwirtschaft fordert die BIZ unter dem Motto «Contribute to Coordination to Combat Climate Change» ein proaktives Vorgehen der Zentralbanken, damit ein grünes Finanzsystem mit Klimaresilienz entsteht. Sie ist zu diesem Zweck auch führender Partner im Network for Greening the Financial System (NGFS).
In diesem globalen Verbund wirken die EZB und die Mehrzahl der gewichtigen Zentralbanken zusammen – mit Information, Motivation und mit Feldstudien, damit die Finanzakteure die Klimawende finanzieren statt den fossil-lastigen Teil der Wirtschaft. Wie der Finanzstabilitätsrat der G7 berichtete, wurden weltweit 67 Klima-Stresstests abgeschlossen, laufen noch, oder sind in Planung.
In der Schweiz herrscht hingegen Funkstille. Zwar sind SNB und Finma Mitglieder im NGFS, doch die Proaktivität ihrer Peers in der Welt scheint an ihnen vorbeizugehen.
Die PUK Credit Suisse kann das Klimarisiko berücksichtigen
Mit ihrem Finanzcasino hat sich die Credit Suisse selbst demontiert. Mit der neuen UBS entsteht eine im Weltsystem integrierte Megabank. Die UBS wird die Nummer 6 in Europa, gemessen am Brutto-Inlandsprodukt sogar die Nummer 2. Für den Finanzplatz Schweiz ein Gigant, dessen Systemrisiko die verbleibenden systemrelevanten Banken – Zürcher Kantonalbank, Raiffeisen, Postfinance – in den Schatten stellt.
Die Politik will diese existenzielle Krise mit der parlamentarischen Untersuchungskommission «PUK Credit Suisse» angehen. Doch eine Rückschau, deren Blickfeld sich auf die seit der Finanzkrise 2008 bekannten, «konventionellen» Systemrisiken beschränkt, reicht nicht. Denn immer deutlicher manifestiert sich am Horizont eine klimabedingte Finanzkrise in ähnlicher Grössenordnung. Es gibt deshalb neu zwei Risikoklumpen: die «konventionelle» Finanzkrise und die Klima-Finanzkrise.
Finanzstabilität erfordert grüne Umlenkung der Finanzflüsse
Die PUK Credit Suisse kann einerseits systemstabilisierende Eingriffe gegen Finanzcasino-Irrläufe wie bei der untergegangenen Credit Suisse vorschlagen. Andererseits kann sie versuchen, die fortbestehende Exposition der Finanzakteure zu den fossilen Energien, den fossil-abhängigen und anderweitig klimaschädlichen Wirtschaftssektoren in den Griff zu bekommen.
Am Horizont lauern zudem eine nicht nachhaltige Landwirtschaft, die Entwaldung, der Raubbau an der Umwelt und die Zerstörung der Biodiversität als weitere existenzielle Klimarisiken. Die Mega-UBS und andere Banken könnten die Exposition zu diesen Risiken rasch senken.
In der globalen Finanzwelt wird ein Vorschlag diskutiert, die Eigenkapital-Anforderungen auch nach Massgabe der Klimaexposition zu gewichten. Für jeden Franken, mit dem fossile Brennstoffe finanziert werden, müssten die Banken und Versicherungen mit einem Franken ihres Eigenkapitals im Klimanotfall für mögliche Verluste haften.
In der Schweiz ist bei der Finma ausser zögerlichen Rundschreiben keine Entschlossenheit zu sehen. Die Nationalbank ist alles andere als ein Vorbild: Mit ihrem im Ausland angelegten Währungsreserve-Portfolio von rund 1000 Milliarden finanziert sie fossile Energien in grossem Stil.
Bundesbern müsste den Finanzplatz einschliesslich SNB und Finma regulatorisch in die Pflicht nehmen. Nur mit systemstabilisierenden Eingriffen kann die Schweiz ihren Betrag leisten, um eine physische Klimakrise mit den sich verdichtenden Klimakatastrophen abzuwehren. Die Schweiz hat sich im Pariser Klimaabkommen dazu verpflichtet.
SNB, UBS und andere Finanzakteure dürfen nicht dazu beitragen, dass Treibhausemissionen weiter zunehmen. Das bedeutet keine Beteiligungen und Kredite mehr an neuen Kohleminen, Erdölbohrungen und fossiles Fracking. Eine Regulierung kann die Finanzflüsse auf saubere, grüne Lösungen umlenken. Der Fokus auf die Träger der Energiewende würde die Exposition der Banken zu den Klimarisiken reduzieren – mit SNB und Finma als Vorbilder.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Sandro Leuenberger beschäftigt sich mit der Klimawirkung des Finanzplatzes und ist Autor des Pensionskassen-Ratings bei der Klima-Allianz Schweiz.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“
(Weissagung der Cree)
Umweltbewusste Zentralbanken ? Klingt ja schön, bleibt aber wohl eine Chimäre. Aufhören Kriege zu finanzieren hätte wohl einen grösseren Einfluss auf Klima-Nachhaltigkeit.