«Das Management der UBS nimmt die Steuerzahlenden als Geisel»
Chesney hatte den Untergang der Credit Suisse vorhergesagt. Der emeritierte Professor der Universität Zürich erwartet nichts von den Entscheiden des Parlaments. Bundesrätin Karin Keller-Sutter und die Wirtschaftskommission des Ständerats gaben dem massiven Druck der UBS nach und wollen der Grossbank frühestens 2029 ein höheres Eigenkapital vorschreiben.
Statt höhere Eigenmittel per bestehender Eigenmittel-Verordnung zu verlangen, wollen Keller-Sutter und die Kommission dies nun auf dem langwierigen Gesetzesweg mit Vernehmlassung, Botschaft des Bundesrates und Abstimmungen im Parlament tun. Rudolf Strahm hat über dieses erfolgreiche Powerplay von UBS-CEO Sergo Ermotti auf Infosperber informiert.
Dass sich die Mehrheit des Parlaments von den Schalmeien der UBS und der Bankenlobby betören lässt, ist nicht neu. «Seit der Rettung der UBS im Jahr 2008 habe ich unter der Bundeshauskuppel nichts Entscheidendes zur Regulierung systemrelevanter Banken gesehen», erklärte Marc Chesney in «La Liberté». Es scheine kein Plan B in Vorbereitung zu sein für den Fall eines Konkurses der UBS und für die daraus resultierende Krise.
Vor vierzig Jahren habe es mit UBS, Credit Suisse, Bankverein und Volksbank noch mehrere Grossbanken gegeben, die sich gegenseitig hätten übernehmen oder retten können. Heute gebe es keine Bank mehr in der Schweiz, welche die UBS übernehmen könnte. Deshalb brauche es entweder scharfe Auflagen oder den Verzicht auf eine Megabank in der Schweiz. In vielen Ländern mit der Grösse der Schweiz gebe es auch keine.
Wenn es zu Schwierigkeiten komme, würden diesmal die Steuerzahlenden zur Kasse gebeten. Chesney kritisiert, dass die staatliche Rettungsgarantie, von der die UBS profitiert, für die Bank immer noch kostenlos ist. Falls die UBS zusammenbricht, koste die Rettungsgarantie jede Steuerzahlende und jeden Steuerzahlenden rund 35’000 Franken oder sogar mehr. Deshalb dürfe diese staatliche Rettungsgarantie, von der die UBS profitiert, für die Bank auf keinen Fall – wie heute – kostenlos sein.
UBS-Chef Sergio Ermotti will weder von einer solchen Versicherungsprämie noch von einem stark erhöhten Eigenkapital etwas wissen. Sein Konzern unterliege bereits den strengsten Auflagen der Welt. Der Wirtschaftsverband Economiesuisse sekundiert ihm und argumentiert, die UBS dürfe im Wettbewerb mit ihren internationalen Konkurrenten nicht benachteiligt werden.
Von «Wettbewerb» könne man nicht im Ernst reden, konterte Chesney. Denn marktwirtschaftlicher Wettbewerb herrsche nur, wenn Versager, die bankrott gehen, aus dem Markt geworfen werden. Doch die rund dreissig grössten Banken der Welt würden alle von einer staatlichen Risikogarantie profitieren. Erst wenn diese Garantie beseitigt würde, könnte man von Wettbewerb reden für diejenigen, die trotz fehlender Garantie eine Zahlungsunfähigkeit oder einen Bankrott vermeiden können.
«Alles andere heisst, Risiken zu sozialisieren und die Gewinne zu privatisieren», meinte Chesney. In «La Liberté» forderte er, dass das Volk über diese Rettungsgarantie entscheiden könne. Denn die Risiken, welche die Steuerzahlenden für eine solche Staatsgarantie tragen, müssten öffentlich diskutiert werden.
Schliesslich sprach sich Chesney für eine Haftung der Manager aus. Er erinnerte daran, dass die Geschäftsleitung trotz hoher Verluste Bonuszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe kassierte und die Credit Suisse trotz der Verluste Dividenden ausschüttete. Man müsse kein Wirtschaftswissenschaftler sein, um zu verstehen, dass man dieser Verantwortungslosigkeit einen Riegel schieben müsse.
Undurchsichtiges und komplexes Finanzsystem
Der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Fall UBS umfasst 567 Seiten. «Ich frage mich, wer ihn wirklich gelesen und unter der Bundeshauskuppel analysiert hat», meinte Chesney.
Wegen der Komplexität und dem systemischen Risiko müsse die UBS redimensioniert werden. «Die Bilanzsumme der UBS ist etwa doppelt so hoch wie das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz. Der Nominalwert der Derivate – meistens Wetten innerhalb der Finanzcasinowirtschaft – kann etwa das 40-fache dieses BIP erreichen.» Von solchen riskanten Aktivitäten müsse sich die UBS trennen.
Für ein geringeres Risiko braucht es nach Ansicht des Professors, der auf Finanzmathematik spezialisiert ist, auch eine Erhöhung des Eigenkapitals auf 25 Prozent.
Er veranschaulichte es: «Keinem Wohnungskäufer gibt eine Bank einen Kredit, wenn die Wohnung eine Million Franken kostet und sich der Käufer mit einem Eigenkapital von nur 40’000 oder 30’000 Franken beteiligen will.»
Die Grossbanken aber investieren und spekulieren mit Milliarden und beteiligen sich lediglich mit einem vergleichbaren Eigenkapital von 3 bis 6 Prozent.
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Professor Marc Chesney hat seine hier zitierten Aussagen geprüft.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Marc Chesney ist Autor des Buches «Die permanente Krise», Versus Verlag, 2019, 21.20 CHF.
Französisch: «La Crise permanente. L’oligarchie financière et l’échec de la démocratie», Payot, 14.90 CHF).
Chesney hatte den Untergang der Credit Suisse vorhergesagt.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Sollte dieser Staat auf die Idee kommen, die UBS nochmals mit Steuergeldern zu retten, die Landeswährung zu ruinieren und dieses schöne Land in den Bankrott zu treiben, dann ist dieser Staat nicht mehr mein Staat.