Chef von JP Morgan warnt vor Zinsen von acht Prozent und mehr
Euphorische Anleger fühlen sich in den besten aller Zeiten und träumen von Zinssenkungen in aller Welt. Dem kann der langjährige Chef der amerikanischen Mega-Bank JP Morgan nichts abgewinnen. Jamie Dimon, der Mann, der die grösste amerikanische Geschäftsbank führt, ist mit Sicherheit kein Hellseher. Aber er hat das Banking mit der Muttermilch aufgesogen und er scheint Krisen vorauszuahnen.
In der jüngsten Ausgabe seines Briefs an die eigenen Aktionäre warnt er nun, die Zinssätze in den USA könnten in den kommenden Jahren auf acht Prozent oder sogar mehr steigen. Die Gründe: Hohe, stark steigende Staatsschulden, Rekorddefizite und geopolitische Spannungen könnten den Kampf der Notenbank Fed gegen die Inflation erschweren.
Das Umfeld ist inflationär
«Enorme staatliche Ausgaben, der Milliardenaufwand jedes Jahr für die grüne Wirtschaft, die Remilitarisierung der Welt und die Neugestaltung des globalen Handels – all dies ist inflationär», schrieb er in dem Brief, der am 8. April veröffentlicht wurde. Er räumte in dem 61-seitigen Papier ein, er habe die bisherige Robustheit der amerikanischen Wirtschaft trotz reichlicher Skepsis von Prognostikern unterschätzt. Gleichzeitig aber warnt er, schwierige Verhältnisse in der Weltwirtschaft sowie die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten könnten die Belastungen verstärken und die Expansion gefährden.
Dimon, der im Laufe seiner Karriere aufgrund überaus generöser Gehalts- und Bonuszahlungen zum Milliardär aufgestiegen ist, zweifelt am Optimismus an den Finanzmärkten. Während Investoren und Spekulanten davon ausgingen, die US-Notenbank Federal Reserve könne eine «weiche Landung» herbeiführen und eine Rezession vermeiden, hält er offensichtlich die Wahrscheinlichkeit für geringer, dass die Inflation schnell auf das Zwei-Prozent-Ziel zurückgehen wird. «Diese Märkte scheinen eine Wahrscheinlichkeit von 70 bis 80 Prozent für eine sanfte Landung einzupreisen», schreibt Dimon. «Ich glaube, die Chancen dafür sind viel geringer.»
Der Mann blickt schon seit längerem skeptisch auf die finanzielle und wirtschaftliche Entwicklung. Schon vor zwei Jahren warnte er vor einem «Hurrikan», der die amerikanische Wirtschaft bald treffen werde. Damit scheint er zu pessimistisch gewesen zu sein, und jüngst hat er einige seiner düstersten Aussagen zurückgenommen. Aber seine Einstellung hat dazu geführt, dass JP Morgan deutlich besser auf die inzwischen gestiegenen Leitzinsen vorbereitet war als Konkurrenten wie etwa die Bank of America. Er hatte dafür gesorgt, dass die Duration kurz beziehungsweise die Zinssensitivität der Bilanz vergleichsweise gering war. Höhere Zinsen wären für die Bank also weniger riskant.
JP Morgan war – anders als andere – auf steigende Zinsen vorbereitet
Das versetzt ihn in die Lage, in kritischen Phasen selbstbewusst aufzutreten und in Schwierigkeiten geratene Mitbewerber wie die First Republic Bank zu übernehmen. Aber er rechnet weiterhin mit beachtlichen Verwerfungen und so bereitet er sein eigenes Haus auf eine Reihe von Szenarien vor, in denen die Zinssätze auf bis zu zwei Prozent fallen oder auf über acht Prozent steigen könnten. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen lag jüngst bei 4,4 Prozent.
Nach einem Gewinn von fast 50 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr will er auch künftig erfolgreich wirtschaften – und zwar unabhängig von den wirtschaftlichen Bedingungen. Wichtig seien Disziplin und ein starkes Risikomanagement. Und natürlich warnt der Mann auch davor, künftig mehr Eigenkapital von den Banken einzufordern. Die Regierung würde ihre Kompetenzen überschreiten, falls sie auf diese Idee kommen sollte, gibt er plump die Propaganda der Finanzbranche wieder.
Diese ist aus primitivem Interesse an hohen Eigenkapitalrenditen, an hohen Gewinnen, an hohen Dividendenausschüttungen, an enormen Aktienrückkäufen und vor allem an hohen Boni an einer möglichst dünnen Eigenkapitaldecke interessiert, obwohl er gleichzeitig vor möglichen Instabilitäten im Bankensystem im Falle steigender Zinsen warnte. «Die Zinssätze sind seit langem extrem niedrig, und es ist schwer zu sagen, wie viele Anleger und Unternehmen wirklich auf ein Umfeld mit höheren Zinssätzen vorbereitet sind.» Dabei könnten komfortable Eigenkapital- und Liquiditätspolster genau in solchen Zeiten wahre Wunder bewirken.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.