Salat Migros

Wer glaubt, der Tiefpreis gelte für den Salat im oberen Kistchen, täuscht sich - und zahlt ein Mehrfaches. © Esther Diener-Morscher

«Hat das die Migros nötig?»

Esther Diener-Morscher /  Migros-Kunden fühlen sich in der Gemüse-Abteilung übers Ohr gehauen: Weil ihnen teure Produkte untergejubelt werden.

In immer mehr Filialen trennt die Migros in ihren Früchte- und Gemüseabteilungen das Bio- und das konventionelle Sortiment nicht mehr. Das verwirrt. Zudem sind die Preisschilder häufig so angebracht, dass nicht ersichtlich ist, für welches Produkt sie gelten.

Sie sei schon zwei Mal hereingefallen, klagt eine treue Migros-Kundin. Sie spricht damit an, was nicht nur ihr, sondern vielen anderen Kunden in letzter Zeit passiert ist: Sie haben sich in der Früchte- oder Gemüsekiste «vergriffen» und ein teures Produkt gekauft, obwohl sie das eigentlich gar nicht wollten.

Bohnen Migros
In der angenehm zu erreichenden «Greifzone» liegen die Bio-Bohnen. Wer die Tiefpreis-Bohnen will, muss sehr aufmerksam sein und nach unten greifen.

Ein Beispiel von vielen: Kunden greifen zur Bohnenpackung, die bequem auf Greifhöhe liegt – in der Annahme, das Tiefpreis-Schild am Regal gelte für diese Bohnen. Doch falsch: Wer die Tiefpreis-Bohnen will, muss sich bücken. Ein Fehlgriff geht ins Geld: Denn die Bio-Bohnen kosten das Dreieinhalbfache. Dass irrtümlich die Bio- statt die konventionellen Bohnen im Einkaufswagen gelandet sind, merken die Kunden meistens erst dann, wenn der Einkauf ungewöhnlich teuer ausfällt.

«Ich dachte, ich sei der einzige ‹Löli›», sagt ein anderer Kunde. «Aber anderen ist es offenbar auch schon passiert.»

Ihn störe das Psychologische, erklärt er. «Klar sollte ich aufpassen. Aber wie soll ich mit Freude einkaufen, wenn ich beim Anbieter das Gefühl bekomme, er rechne mit meiner Oberflächlichkeit und wolle mich übers Ohr hauen?» Und er fragt sich: «Hat das die Migros nötig?»

Die Bohnen sind kein Einzelfall. Auch Blumenkohl, Salat, Chinakohl und Rosenkohl werden so präsentiert, dass ein Fehlgriff naheliegt. Will die Migros damit den Verkauf von Bio-Produkten ankurbeln? Will sie den Gewinn vergrössern?

Die Migros behauptet: Die Auswahl sei einfacher, wenn Früchte und Gemüse nach Sorten und nicht nach Label angeordnet seien. Doch das Gegenteil trifft zu: Die Kunden sind es gewohnt, dass in der Migros Bio- und konventionelle Ware getrennt angeboten werden. Sonst würden sie sich ja jetzt nicht über Verwechslungen und Fehlkäufe beklagen.

Chinakohl Migros
Tatsächlich einfacher auszuwählen? Bio- und konventioneller Chinakohl gemischt in der gleichen Kiste. Wer günstig einkaufen will, zahlt für einen Fehlgriff mehr als Doppelte – fast sechs Franken pro Kilo.

Aber offenbar hat die Migros die Strategie fast flächendeckend eingeführt. Die Präsentation der Waren kann zwar laut Migros-Sprecherin Estelle Hain je nach Genossenschaft leicht unterschiedlich sein. Aber: «Im Früchte- und Gemüsesortiment ist es in den meisten Filialen üblich, dass wir nach Sorten anordnen und nicht nach Label.»

Auch Coop ordnet seine Früchte und Gemüsesorten inzwischen so ein, verhindert aber mit klaren Beschriftungen, dass die Kunden und Kundinnen ungewollt Teures kaufen.

Lauch Coop
Auch Coop verkauft teuren Naturaplan-Lauch neben billigerem konventionellem Lauch. Aber beides auf der gleichen Höhe und in gut unterscheidbaren Kisten.

«Tiefpreis» nicht für Kunden, sondern für die Werbung

Bisher warb die Migros damit, dass ihre M-Budget-Artikel nicht teurer seien als bei den Discountern. Nun wird es komplizierter: Die neuen Tiefpreise verteilt die Migros aufs ganze Sortiment. Das heisst: Das gelbe Tiefpreis-Schild kann beim M-Budget-Blumenkohl, bei den Bio-Gurken oder bei den Demeter-Zitronen angebracht sein. Bei diesen Produkten will die Migros nicht teurer als die Discounter sein.

Verwirrend ist: M-Budget, die ursprüngliche Tiefpreislinie, gibt es weiterhin. Die Migros will trotz der neuen Tiefpreis-Strategie auch an der alten festhalten: «M-Budget ist bei vielen Kundinnen und Kunden sehr beliebt und hat als Marke Kultstatus. Deshalb bleibt sie ein wichtiger Bestandteil des Migros-Sortiments», begründet Mediensprecherin Estelle Hain.


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2 Meinungen

  • am 17.01.2025 um 11:17 Uhr
    Permalink

    Anscheinend muss man die Kunden übers Ohr hauen, wenn man dermassen schlecht geschäftet!
    Ich mache einen grossen Bogen um die MIGROS! Zum Glück gibt es viele andere ( und günstigere) Alternativen!

  • am 17.01.2025 um 11:34 Uhr
    Permalink

    Nach der Lektüre dieses Beitrages frage ich mich, ob das Problem ist, dass Leute fälschlicherweise die gute Ware kaufen (die im Artikel irritiernderweise mit teuer bezeichnet wird), oder ob es eher ein Problem ist, dass Waren angeboten werden, wo der Konsument andere mitzahlen lässt. Ich meine damit die externen Kosten die wir alle und künftige Generationen bezahlen. Diese gibt es zwar auch bei Bio, sie liegen dort aber tiefer. Meine Präferenz: Nur noch Produkte zu Vollkosten anbieten und dort wo das Bio-Produkt damit vergleichbar günstig oder günstiger ist nur noch einen Standard anbieten. Die Qual der Wahl ist zu hoch – und die Wahl verursacht unnötig hohe Logistik- und Sortimentskosten.

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