«Uber» – die Diskussion um die digitale Ökonomie
Die Kritik am Taxifahrdienst Uber reisst nicht ab. Wer professioneller Uber-Fahrer (Uber X) wird, so die Kritik eines Taxifahrers im Zürcher «Tages-Anzeiger», verdient immer weniger – bis zum Ruin. Dort rechnet der Fahrer Georges Schrepfer vor, dass seit 2015 die Abgaben der Uberfahrer von 20 auf 25 Prozent erhöht wurden. Und nachdem Uber dann noch die Fahrpreise um 20 Prozent gesenkt habe, sei das Mass voll; seine Existenz sei zerstört.
Uber steht vor allem deswegen in der Kritik, weil mit dem Geschäftsmodell «Uberpop» private Autos mit Fahrerinnen und Fahrern vermittelt werden. Gedacht als interessanter Nebenverdienst ist Uberpop nicht nur eine unerwünschte Konkurrenz des Taxigewerbes, sondern kann auch unliebsame Konsequenzen für die Fahrerinnen oder Fahrer haben.
Denn Uperpop Fahrer sind keine professionellen Taxifahrer. Ihr Auto hat keinen Fahrtenschreiber, und sie selbst haben keine Taxiprüfung. Deshalb dürfen sie nicht mehr als zweimal im Monat Kunden mitnehmen. Wer den Plausch an dieser Arbeit bekommt, kann schnell einmal übermarchen. Allein im Jahr 2015 wurden von der Kantonspolizei Zürich elf Uberpop-Fahrer angezeigt. Es liegt auf der Hand: Von lukrativem Nebenverdienst kann keine Rede sein, wenn der Einsatz auf zwei Mal im Monat beschränkt ist.
Von Demonstrationen bis zum Hungerstreik
Die Konkurrenz von Uber verunsichert das traditionelle Taxigewerbe. Wird in Zukunft noch eine Taxiprüfung notwendig sein, oder reicht es nicht, wenn die Kunden auf der Webseite ihre Bewertung hinterlassen? Wer seine Sache schlecht macht, der wird lange auf neue Kunden warten müssen.
Doch können solche «Likes» eine sorgfältige Ausbildung ersetzen? Taxiverbände und die Gewerkschaft «Unia» haben da Zweifel. So haben die Taxifahrer aus Genf, Zürich und der Nordwestschweiz vor einigen Wochen gegen die «Uberisierung» ihres Gewerbes protestiert. Vom Stade de Suisse aus sind sie durch die Berner Altstadt gefahren um für «gute Arbeitsbedingungen» zu protestieren – also gegen Dumpingpreise, fehlende Versicherung und nicht existente Qualitätskontrollen bei Uber. Und in Zürich hat ein Fahrer sein Taxi an einem Sonntag auf einem Standplatz bei Zürcher Rathaus mit Protestnoten beklebt. Bis zum darauf folgenden Montagabend unterstrich er dies noch mit einem Hungerstreik.
Doch richten sich solche Aktionen nicht ähnlich wie Don Quijote gegen Windmühlen? Denn in der Ökonomie des digitalen Zeitalters liegen internationale Vermittlungsdienste wie Uber oder Airbnb, wo Private auf eigene Rechnung Zimmer an Gäste vermieten und damit dem Hotelgewerbe unliebsame Konkurrenz bereiten, im Aufwind. Vor wenigen Jahren als Startups des Internetbusiness gestartet, hatte man gedacht, dass solche Firmen schnell wieder verschwinden. Man glaubte nicht, dass sie Chancen gegen traditionelle Berufsverbände, Gewerkschaften und administrative Regelungen hätten.
Uber wurde erst 2009 als Limousinenservice in San Francisco gegründet – eines von vielen amerikanischen Startups. Doch mittlerweile ist das Unternehmen längst von milliardenschweren Investoren aufgekauft worden. Allein 2014 hat Uber 1,2 Milliarden Dollar Risikokapital von Investoren wie Google und Goldman Sachs erhalten und ist heute 50 Milliarden Wert. Aber auch der Zimmervermittler Airbnb hat sich zum milliardenschwerer Konzern entwickelt, der weltweit tätig und zur ernsthaften Konkurrenz von Hotelbetrieben geworden ist. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von «Plattform-Kapitalismus». Denn Anbieter wie Uber oder Airbnb, oder auch Car-Sharing Unternehmen und Websites für Freiberufler («Freelancers») sehen sich lediglich als Vermittler, welche eine Plattform zur Verfügung stellen. Auf dieser treffen sich Anbieter und Kunden, um selbständig über die Angebote zu verhandeln. An die vermittelnde Plattform geht im Falle eines Erfolgs eine Vermittlungsgebühr.
Teilen anstatt besitzen
Die Sharing-Idee war ursprünglich ökologisch gedacht. Zimmer oder Autos sollten nicht die meiste Zeit des Tages leer stehen, weil sie nur kurz gebraucht werden. Sinnvoller sei es, diese mit anderen zu teilen und auf diese Weise für sich ein zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.
Uber sieht dies bis heute als Chance, die das Unternehmen auf seiner Website bewirbt. So heisst es dort: «Eine Stadt mit Uber bietet ihren Einwohnern neue flexible Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Mehr als die Hälfte der Fahrer in den USA arbeitet 10 Stunden oder weniger in der Woche. Eltern, Studenten, Rentner, jeder, der Geld nebenbei verdienen will, kann dies mit Uber auf flexible Art tun.»
Kritiker trauen diesen Beteuerungen nicht. Sie sehen im Sharing-Modell den Versuch, jene Gesetze auszuhebeln, die sich etwa zum Taxigewerbe oder zum Mietrecht über Jahrzehnte entwickelt haben. Taxiprüfungen oder das Verbot, Wohnungen hinter dem Rücken der Vermieter tageweise weiter zu vermieten, sollen über das Teilungsprinzip umgangen werden.
Der Fall von Uber belegt, dass es mehr um knallharte ökonomische Interessen als darum geht, den Fahrerinnen und Fahrern aus humanen Interessen ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen. Denn sobald Uberpro mit der Vermittlung von privaten Interessen auf Widerstand traf, hat die Firma sich in den «normalen Taximarkt» eingeklinkt.
UberX vermittelt heute professionelle Fahrerinnen und Fahrer, die über einen Personenbeförderungsschein und einen Fahrtenschreiber verfügen. Der Generalmanager Rasoul Jalali von Uber erläuterte dies gegenüber der BAZ: «Uns stört es nicht, wenn sie im regulären Taxidienst tätig sind. Stehen sie aber irgendwo und warten, können sie auf Uber zurückgreifen und damit ihre Auslastung optimieren.»
Während das Taxigewerbe meist lokal oder regional im mittelständischen Gewerbe verortet ist, entsteht mit Uber ein weltweit tätiger Player, der die traditionellen Unternehmen zu verdrängen droht und auch bei der Entwicklung selbstfahrender Autos in vorderster Front mitmischt.
Das neue Arbeitsmodell der «Freelancer»
Die beschriebenen Entwicklungen bei Uber und Airbnb passen zu einem Trend der allgemein in der Wirtschaft zu beobachten ist: Arbeitnehmer werden zunehmend ausgelagert und als Selbständige von Fall zu Fall beschäftigt. Taxifahrerinnen und -fahrer mutieren so zu «Klein»-Unternehmern, die selbständig Aufträge übernehmen. Doch auch Grossfirmen – etwa im IT-Bereich – lagern Projekte an Freelancer aus, die projektbezogen weiter beschäftigt werden, aber die Sozialkosten dann selbst zu tragen haben (Versicherungen, Arbeitsplatz etc.).
Eine Studie zum «Arbeitsplatz der Zukunft» des Consultingunternehmens «Deloitte» zeigt dies drastisch am Beispiel der Schweiz auf: Danach steht unser Land mitten im Umbruch zu einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Laptops, Smartphones und die damit verbundene Internetnutzung führen dazu, dass viele Arbeitstätigkeiten ortsungebunden verrichtet werden können. Der Anteil der Personen steigt rasant an, welche nicht mehr an das physische Büro des Arbeitgebers gebunden sind. Schon heute arbeiten nach der Deloitte-Studie 25% der Schweizer haupt- oder nebenberuflich als Freelancer. Und in der Zukunft sind dies noch viel mehr: So möchten sich ein Drittel der übrigen 75% diesem Trend im nächsten Jahr anschliessen.
Auch hier ist die Vernetzung über Online-Plattformen ein wichtiger Treiber – etwa das Freelancerportal «Upwork». Diese Plattform entstand erst 2015 als Zusammenschluss der Firmen «Elance» and «oDesk» in den USA. Auf ihr kann man sich als Freelancer für Dienstleistungen anbieten. Bereits heute sind bei Upwork weltweit neun Millionen Freelancer und vier Millionen Kunden registriert.
Je mehr Arbeitskräfte mobil und selbständig sind, so Deloitte, desto mehr verliert der fixe Arbeitsplatz an Bedeutung. Und die Arbeitnehmer werden so zu «Mikrounternehmern». Als Alternative zu den konventionellen Büros eines des Arbeitgebers entstehen dabei immer häufiger «Coworking Spaces». Das sind Bürogemeinschaften, welche Arbeitsplätze auf Stundenbasis anbieten. In der Schweiz sind es bereits 50 solcher «Spaces» mit schnell wachsender Tendenz.
Die Initiative von «Smart-Work»
Von einem Jahr haben sich 55 Schweizer Unternehmen, darunter Swisscom, Post und SBB, zur Initiative «Smart Work» zusammengetan. Diese möchte flexible Arbeitsmodell fördern, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens teilweise von zu Hause aus oder in Coworking Spaces arbeiten. Auf der Website der Initiative werden solche flexible und ortsunabhängige Arbeitsformen als «Win-Win-Situation» bezeichnet. Sie steigerten Motivation und Produktivität der Mitarbeitenden, machten aber auch ökologisch Sinn. Denn dieses Modell hätte einen positiven Effekt auf die CO2-Emissionen und integrierten durch neue Arbeitsmodelle weitere Personengruppen in den Arbeitsmarkt.
Der Preis dafür ist aber eine sozial schlecht abgesicherte Reservearmee von «Cyberworkern», die den Grossunternehmen vor allem Kosten spart. Oft ist es auch ein Schritt in die «Scheinselbständigkeit», wenn Jobs ausgelagert werden – und die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die früheren Aufträge als Selbständige weiterführen. Die Chance, bei anderen Arbeitgeber noch zusätzlich Aufträge zu finden, bedeutet oft auch verstärkten Stress und das Verschwinden einer geregelten Freizeit.
Die englische Arbeitswissenschaftlerin Ursula Huws bezeicnet diese «Mikrounternehmerinnen und -unternehmer» denn auch wenig euphemistisch als Cybertariat. Dieses kann weltweit gesucht werden – auch in billiger produzierenden Schwellenländern wie Indien. Huws verweist in diesem Zusammenhang auf die Software-Industrie in Bangalore , welche in dramatischer Weise weltweiten Druck auf die Preise für solche Leistungen ausübe.
Das hässliche Gesicht des «digitalen Kapitalismus»
Die von Befürwortern der Sharing Ökonomie beschworene Flexibilisierung kann also zu «Nebenwirkungen» führen, die ein hässliches Gesicht des digitalen Kapitalismus zeigen. Die soziale Sicherheit, welche die Berufswelt gibt, wird durch das Freelancertum abgebaut, und Arbeitsplätze gehen verloren, weil sie in «billigere» Länder exportiert werden.
Aus dieser Perspektive ist es verständlich, wenn das aggressive Verhalten von Uber bei dem betroffenen Taxigewerbe Unmut auslöst. Doch das Rad der Zeit wird man nicht einfach zurückdrehen können: Die Flexibilisierung der Arbeitsplätze und die neuen Formen der Sharing Ökonomie sind nicht einfach zu stoppen – auch nicht durch neue Gesetze. Doch die angestrebte Flexibilisierung muss arbeitnehmerverträglich ausgestaltet werden. Dies wäre eine Aufgabe, welche sich die Initiative «Smart Works», die ja auch viele Betriebe des schweizerischen Service Public einschliesst, auf ihre Fahnen schreiben müsste.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Der Staat kann alles in Gesetze und Regeln fassen. Der Staat tut dies für Investitionen, Kapital und haftet u.U. selbst für geminderte und entgangene Profite. Es versteht sich in neoliberalen Gesellschaften von selbst das Arbeitsgesetze aus Sicht der Kapitaleigner als Raub betrachtet werden.
Völlig korrekte Regulierungssysteme wie Mindeststandards i.e. Mindestlöhne aber auch die max. Kommission die ein einfacher Vermittlungsauftrag (den nichts mehr tun viele als Innovativ verkündete Digitale ähh Errungenschaften) können vom Staat reguliert werden. Es gibt ja den Begriff Wucher… staatlich reguliert und festgelegt. Der Staat kann ohne weiteres Mindeststandards für alles mögliche festlegen… nicht nur die sicherung von Eigentum steuerbefreiter Anteilseigner.
Derartiges von jeglicher sozialer Verantwortung befreite Wirtschaften belastet die Gemeinschaft enorm und macht winzig kleine Gruppen reich. Was nun bringt das?