Für eine andere Aussenwirtschaftspolitik
Als Antwort auf die Ankündigung des Bundesrats, im Jahr 2013 das Netz an Freihandelsabkommen stärken und fördern zu wollen, hat der Think-Tank foraus Mitte Januar ein Diskussionspapier über die Legitimität der Wirtschaftsaussenpolitik publiziert. Die Autoren schlagen ein Modell vor, welches der Beachtung der Menschenrechte bei der Formulierung der Wirtschaftspolitik grössere, ja letztlich Mass-gebende Bedeutung beimisst.
Wegschauen nicht mehr erlaubt
Die von foraus vorgeschlagene Strategie in der Aussenwirtschaftspolitik unterscheidet sich wesentlich von den Positionen der NGO’s und vom traditionellen Ansatz, der wirtschaftspolitische Instrumente und menschenrechtliche Anforderungen bewusst auseinanderhält – im Interesse der wachstumsorientierten Wirtschaft natürlich, die umsatzmässig und auch räumlich möglichst hindernisfrei expandieren will.
Die UNO konzentriert sich zur Zeit auf die Kampagne «Recht ohne Grenzen» und legt dabei den Fokus auf die Verantwortlichkeiten der im Ausland aktiven Schweizer Firmen. Im Gegensatz hierzu stellt die Studie von foraus die Verantwortung der Schweizer Behörden bei der Entwicklung von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Vordergrund. Das neue Modell soll es zwingend machen, generelle Fragen zu einer legitimen Wirtschaftspolitik zu stellen und so als Entscheidungsgrundlage für den Abschluss neuer Freihandelsabkommen zu dienen.
Legal soll nur werden können, was auch legitim ist
Die von der neuen foraus-Studie vertretene Position kehrt die bisher geübte Herangehensweise um. Das Diskussionspapier stellt nämlich neu die Frage, welche Bedingungen auf der Ebene der Menschenrechte gegeben sein müssen, um eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit einem anderen Staat ins Auge fassen zu können. Die Respektierung der Menschenrechte und die Wirtschaftspolitik sind zwei Gebiete der Schweizer Aussenpolitik, die nicht mehr separat, sondern gemeinsam in einem kohärenten Modell betrachtet werden müssen.
Das hier vorgeschlagene Modell beinhaltet denn auch eine doppelte Legitimitätsprüfung: In einem ersten Schritt sei bei der Entscheidung zur Intensivierung der bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen mit einem Partnerland zu beurteilen, ob dort ein menschenrechtlicher Mindeststandard garantiert wird. Die Einhaltung dieses Mindeststandards sei für die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen unabdingbar. In einem zweiten Schritt sei sicherzustellen, dass die intensivierten wirtschaftlichen Beziehungen mittelfristig die Basis für eine nachhaltige Verbesserung der menschenrechtlichen Situation bilden werden.
Wer steht hinter «foraus»?
foraus – Forum für Aussenpolitik – ist eine im Jahr 2009 gegründete Organisation junger Akademiker und Studenten, die sich für eine bewusstere und auf durchdachten Konzepten basierte Schweizer Aussenpolitik stark machen.
Die vollständige neue Studie mit dem Titel: «Ein Legitimitätsmodell für die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik; Menschenrechtsstandards als Voraussetzung zur Intensivierung von Wirtschaftsbeziehungen» ist in französischer Sprache abgefasst. Zum Lesen oder Downloaden siehe unten unter «Weiterführende Informationen».
Das Sumary der Studie in deutscher Sprache lautet wie folgt:
Sowohl die Förderung der Menschenrechte als auch die Berücksichtigung der Interessen der Schweizerischen Wirtschaft sind als grundlegende Zielsetzungen in der Bundesverfassung verankert. Der Bundesrat anerkennt die Existenz von Konfliktsituationen, in welchen die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen in einem Zielkonflikt zur Förderung der Menschenrechte stehen kann. Die von ihm propagierte Lösung besteht aus der simplen Anerkennung der Notwendigkeit einer politischen Güterabwägung.
Die Lösung des Bundesrates erlaubt jedoch in Fällen eines Konfliktes zwischen den beiden Zielsetzungen keine angemessene Reaktion. Dafür mangelt es an Substanz und Kohärenz, da sowohl die Umstände, in denen der Bundesrat eine politische Güterabwägung durchführen muss, als auch die Modalitäten dieser Abwägung unklar definiert sind. Mit der bundesrätlichen Lösung gelingt es nicht, die wachsende Bedeutung der Menschenrechte zur Legitimierung der Politik eines Staates in einer globalisierten Welt zum Tragen zu bringen.
Unklare Güterabwägung
Im heutigen aussenpolitischen Kontext, wo der Bundesrat verstärkt auf den Ausbau der Freihandelsabkommen mit diversen Staaten setzt, erscheint eine Prüfung der menschenrechtlichen Rechtfertigung dieser Politik fundamental. Die hier vertretene Position kehrt die «traditionelle» Herangehensweise einer separaten Berücksichtigung von wirtschaftspolitischen Instrumenten und menschenrechtlichen Anforderungen um. Dieses Diskussionspapier stellt nämlich die Frage ins Zentrum, welche Bedingungen auf der Ebene der Menschenrechte gegeben sein müssen, um eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit einem anderen Staat ins Auge fassen zu können.
Ziel: Eine kohärente Politik
Das hier vorgeschlagene Modell beinhaltet eine doppelte Legitimitätsprüfung: In einem ersten Schritt ist bei der Entscheidung zur Intensivierung der bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen mit einem Partnerland zu berücksichtigen, ob dort ein menschenrechtlicher Mindeststandard garantiert wird. Die Einhaltung dieses Mindeststandards ist für die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen unabdingbar. In einem zweiten Schritt ist sicherzustellen, dass die intensivierten wirtschaftlichen Beziehungen mittelfristig die Basis für eine nachhaltige Verbesserung der menschenrechtlichen Situation bilden.
Auf Grund dieser Analyse schlagen wir folgende Massnahmen vor, um die Förderung der Menschenrechte mit einer aktiven Aussenwirtschaftspolitik zu vereinbaren:
• Zeitgemässe Interpretation des verfassungsrechtlichen Rahmens im Bereich der Aussenwirtschaftspolitik und der Menschenrechte
Der normative Rahmen wurde seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr weiterentwickelt und ist deshalb zeitgemäss zu interpretieren. Den Menschenrechten soll bei der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen als Legitimitätsstandard eine grössere Bedeutung zukommen – im Einklang mit den Grundprinzipien der Schweiz und ihrer Verantwortung als liberaler Rechtsstaat.
• Förderung des politischen Diskurses über einen Mindeststandard der Menschenrechte
Zur Etablierung des vorgeschlagenen Modells ist die Definition eines Mindeststandards in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte erforderlich. Die Schweizer Regierung, das Parlament, die akademischen Institutionen und die wirtschaftlichen Verbände sind aufgefordert, eine breit angelegte Diskussion über den Inhalt dieses Mindeststandards zu initiieren. Es ist zu klären, welche menschenrechtlichen Prinzipien entscheidend sind für die Frage, ob die Schweiz ihre wirtschaftlichen Beziehungen mit einem Partnerstaat ausbauen darf. Definition Mindeststandard
• Kohärentes Engagement für die Menschenrechte
Die Einhaltung der menschenrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz soll allen aussenpolitischen Massnahmen als Bezugspunkt dienen, um einen positiven Einfluss auf die Einhaltung dieser Rechte in den wirtschaftlichen Partnerländern gewährleisten zu können. Diese Verpflichtung darf nicht bloss ein schwer zu kontrollierendes Versprechen darstellen, sondern muss mit konkreten und überprüfbaren Zielen verbunden werden. Das in diesem Diskussionspapier skizzierte Modell soll den Grundstein dafür legen.
• Entwicklung von innovativen Instrumenten
Um dieses Ziel zu verfolgen, muss die Schweiz die dazu notwendigen Mittel bereitstellen. Sie muss ein ehrgeiziges Forschungsprogramm initiieren, um in Zukunft den Einfluss von intensivierten wirtschaftlichen Beziehungen auf den Schutz der Menschenrechte besser abschätzen zu können (human rights impact assessment). Darüber hinaus sollte ein präzises und unabhängiges Monitoringsystem entwickelt werden, welches in der Lage ist, die Einflüsse der intensivierten Beziehungen zu überwachen und einzuschätzen sowie für alle Beteiligten politisch akzeptabel ist.
• Zusammenarbeit mit internationalen Partnern
Das in diesem Diskussionspapier neu skizzierte Modell setzt auf das Engagement der Schweiz für die Prinzipien, die sie definieren: diejenigen eines liberalen Rechtsstaates. Die Schweiz soll jedoch nicht dazu verpflichtet werden, eine isolierte, moralische Heldin zu werden. Für die Etablierung eines Legimitationsrahmens braucht sie internationale Verbündete; die Europäische Union beispielsweise erscheint angesichts ihrer erheblichen Anstrengungen im Bereich der Menschenrechte als natürliche Partnerin.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
Wäre super! – Aber wenn ich an unser Parlament denke . . . weit, weit weg.-