Die diskreten Bunker der Superreichen
Ursprünglich dienten die Freilager (Freeports) als Transitdepots für Roh- und Fertigwaren im internationalen Handel. Sie sind geografisch exterritorial, Zölle und Steuern fallen erst an, wenn die Waren in die Zielländer eingeführt werden. In den letzten Jahren sind Freilager aber mehr und mehr zu Hotspots für die Aufbewahrung von Luxusgütern geworden: Ganze Kunstsammlungen, Weine, Juwelen, Edelmetalle, Oldtimer und vieles mehr werden gestapelt. Auktionshäuser, Galerien, Museen und Investmentfonds gehören zur Kundschaft, aber auch private Sammler und superreiche Investoren.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Freilager liegen diskret und bewacht in unmittelbarer Nähe internationaler Flughäfen. Die Gebühren sind vergleichsweise niedrig, es fallen keine Steuern und Zölle an, und vor allem können die Waren zeitlich unbeschränkt gelagert werden, wie das Zollfreilager embraport bei Zürich auf der Homepage wirbt.
Genfer Freilager im Umfang von 22 Fussballfeldern
In der Schweiz gehören in erster Linie die Genfer Ports Francs zu den globalen Freilager-Magneten. Die «Bilanz» hat darüber im Januar berichtet. Jetzt greift der «Economist» das Thema in einer grossen Story auf. Im Fokus unter anderen: Die Schweiz, die als Pionierin in Sachen Freilagern gilt. Die beiden Genfer Freilager bieten eine Staufläche an, die laut «Economist» 22 Fussballfeldern entspricht. Allein 1’000 Bilder und Zeichnungen von Pablo Picasso sollen sich gemäss «Bilanz» in den Genfer Räumlichkeiten befinden.
Doch die Konkurrenz schläft nicht. So wird beim Flughafen Findel in Luxemburg ein Freeport hochgezogen, der den allerneusten Sicherheitsstandards entspricht. 300 Kameras dienen der Überwachung, der Zutritt zu den gesicherten Räumen ist nur über eine biometrische Erkennung möglich. Auch Singapur klotzt. Der Freeport beim Changi Airport, der 2010 seinen Betrieb aufnahm, ist fast schon ausgebucht. Monaco betreibt ebenfalls ein Freilager, und der in Peking geplante Freeport soll zum grössten Kunsttresor der Welt werden.
Früher schmucklos, heute luxuriös
Die frühen Freilager waren oft schmucklose Lagerhallen. Aber mit dem Glanz der Güter sind auch die Ansprüche an Gebäulichkeiten gestiegen. Durch die Lobby in Singapur erstreckt sich die futuristische Metallskulptur «Cage sans Frontières», die man eher in einem Luxushotel oder einem Museum für moderne Kunst als in einem Freilager vermuten würde. Wer in diesem Feld mitmischen will, muss natürlich State-of-the-Art Service bieten. Dazu gehören minutiöse Temperatur- und Feuchtigkeitskontrollen, Büros und Personal.
Die neusten Freeport-Angebote umfassen private Showrooms, wo die Kunstobjekte potenziellen Käufern gezeigt werden können. Auch das Auktionshaus Christie’s hat darum in Singapur Räume gemietet. Laut «Economist» ist es nicht unüblich, dass Objekte in den Freeports zwischen den Reichen gehandelt werden, Top-Wein gegen eine Skulptur zum Beispiel. Die Ware bleibt im Freilager, sie wird bloss zwischen Verkäufer und Käufer und ihren Räumen verschoben.
Freeport Singapur will Gold-Hub werden
Im Freeport von Singapur sind eine hochempfindliche Vibrations-Technologie und sieben Tonnen schwere Türen installiert. Die Deutsche Bank hat Räume geleast, die es ihr erlauben, für Kunden bis zu 200 Tonnen Gold zu lagern. Der Stadtstaat will mit seiner Gold-Strategie im Handel und bei der Lagerung punkten. Innerhalb des nächsten Jahrzehnts soll der entsprechende Anteil von 2 Prozent (2012) auf 10- bis 15 Prozent gesteigert werden. Darum hat Singapur auch die Steuer auf Edelmetall abgeschafft. Die globale Leaderposition als Gold-Hub hat aber immer noch die Schweiz inne.
Der Reichtum, der in den Freeports lagert, verursacht den Versicherern Kopfschmerzen. Am meisten fürchten sie Feuer, Raub und einen Flugzeugabsturz. Oft haben sie kein klares Bild über die Objekte in den einzelnen Freilagern, weil Kunden die Ware verschieben, ohne die Versicherer zu informieren. Kunst wird generell auf globaler Basis versichert, unabhängig davon, wo sie sich befindet. AXA Art beginnt nun, ihre Klienten um Mitteilung zu bitten, wenn sie wertvolle Objekte einlagern, damit sie einen genaueren Überblick über Ware und Risiko erhalte, wie Firmenchef Ulrich Guntram «Economist» sagte.
Werden 1000er-Noten in Freilagern gebunkert?
Neben dem legalen Luxusgut, das zoll- und steuerbefreit über Jahre gelagert werden kann, vermutet «Economist», dass Schweizer Freilager auch als Hafen für undeklarierte Vermögenswerte in Form von Bargeld dienen. Als Indiz dafür nennt das britische Magazin die enorme Nachfrage nach 1’000-Franken-Noten. Sie machen inzwischen 60 Prozent des Notenumlaufs in Franken aus. Der Luxemburger Freeport überlegt sich jedenfalls, auch Schliessfächer anzubieten, weil sie für Banken mehr und mehr zu einem «Ärgernis» geworden seien.
Aber Freeporter-Vertreter wehren sich für ihre Kunden. Die ganz grosse Mehrheit habe nichts mit Steuerflucht oder Drogenhandel zu tun. Sie seien keine Kleptokraten, sondern Sammler, die sich nicht nur aus Leidenschaft, sondern aus Investitionsgründen engagierten, sagt AXA-Mann Guntram. In der Schweiz sind seit 2009 neue Vorschriften in Kraft. Danach müssen Freilagerkunden detaillierte Zoll-Inventarlisten über die eingelagerten Gegenstände, deren Wert und die Eigentümer aufstellen. In den Port Francs sind ständig Zollbeamte anwesend. Sie prüfen bei jedem Zu- und Abtransport Güter und Begleitpapiere.
In der Praxis, schreibt der «Economist», könnten die Kunden aber nach wie vor von einem hohen Grad an Diskrektion ausgehen: «Die Schweizer Zollbeamten kümmern sich mehr um Drogen, Waffen oder Explosivstoffe als um die Herkunft eines Bildes von Jackson Pollock.» Sie müssten sich nicht mit ausländischen Behörden austauschen, was vielfach allerdings ohnehin von beschränktem Wert wäre, denn die Objekte könnten irgendeine Person als «berechtigt» ausweisen, sie müsse nicht der wirkliche Eigentümer sein.
Singapur: «Wir offerieren mehr Diskretion als Genf»
Noch mehr Diskretion offeriert Singapur, wo Freeport-Güter nur gerade summarisch deklariert werden müssen – weder der Wert und die Herkunft der Ware geschweige denn der Inhaber müssen genannt werden. Angaben wie «Wein» oder «Antiquitäten» genügen. «Wir offerieren mehr Diskretion als Genf», sagt Singapurs Freeport-Chef Alain Vandeborre folgerichtig bei der Singapur-Eröffnung.
Es wäre allerdings falsch zu behaupten, dass Singapur und die anderen Freeport-Angebote in einem freien Wettbewerb zueinander stünden. Im Gegenteil: Sie sind durch die Eigentümerschaft eng miteinander verknüpft. Yves Bouvier, der grösste private Aktionär der Genfer Ports Francs ist auch Hauptaktionär und Promotor in Luxemburg, ein Schlüsselaktionär in Singapur und Berater in Peking. Seine Firmengruppe «Natural Le Coultre» ist in alle diese Grossprojekte involviert. Die ZEIT hat in einem Porträt versucht, den Unternehmer Bouvier fassbar zu machen.
In Singapur waren Architekten, Ingenieure und Sicherheitsexperten Schweizer, was die Spekulationen antrieb, die Schweiz strebe nach dem erzwungenen Abspecken ihrer Finanzplätze in Zürich und Genf als Kompensation die globale Kontrolle über die Freilager an. Franco Momente von Natural Le Coultre winkt ab: «Viele Länder sehen Vorteile von Freilagern für die lokale Wirtschaft und im globalen Markt. Sie wollen Lösungen mit erfahrenen Experten, und die Schweizer haben in diesem Bereich eben eine lange Erfahrung.»
Die Zahl der Superreichen nimmt ständig zu
Der «Economist» schätzt den Wert der Freeport-Güter auf mehrere hundert Milliarden Dollar. Der Datenprovider Wealth-X und die UBS haben in diesem Jahr weltweit 199’235 Private ermittelt, die über ein Vermögen von 30 Millionen Dollar oder mehr verfügen, 6 Prozent mehr als 2012. Wealth-X und UBS gehen bei gleichbleibendem Trend davon aus, dass Chinas Superreiche die Europäer bis 2017 überholen werden.
In dem Masse wie die Bevölkerung in den aufstrebenden Märkten wächst, könnten aber auch die tiefen Steuern auf Vermögen angehoben werden. Das wiederum könnte mehr und mehr Inder, Chinesen und Indonesier veranlassen, ihre Güter in Freeport-Depots unterzubringen, die schon bald in der Nähe ihres Flughafens auftauchen könnten – wenn sie nicht schon dort sind. Kommt es nicht zu massiven regulatorischen Eingriffen oder zu einem Ende der steuerlichen Vorteile, werden Freilager wohl weiterhin zunehmen.
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Übersetzter, gekürzter und ergänzter Text aus «The Economist». Der Originaltext ist hier zu lesen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine
Nicht allein in der internationalen Kunstszene, auch einschlägigen Banken ist bekannt, wie sich Zollfreilager ebenso nutzen lassen: zur Geldwäsche grossen Stil.
Hochwertige Kunstwerke werden mit Schwarzgeld erworben (z.B. anonym via Auktionen). Sie kommen ins Zollfreilager. Steuerbetrug und -vergehen verjähren in der Regel nach 10 Jahren. Danach wird die Kunst verkauft, verbleibt aber im Zollfreilager. Das erlöste Geld ist nun «sauber» .
Auch Unternehmen wäschen auf diese Art Geld (und treiben auf diesem Weg nebenbei die Preise für hochwertige Kunst in z.T. absurde Höhen).
Wichtig: Die UBS unterhielt lange ein Kunstdepartement und war grösster Sponsor von ARTBasel und ARTMiami. Diese Messen sind bis heute Anfix-Punkte für Schwarzgelddeals grossen Stils.
Als die Amerikaner deswegen Druck aufsetzten, liquidierte die UBS ihr Kunstdepartement und reduzierte drastisch ihr Engagement an der ARTBasel.
"These is what Swiss Banking is all about,» sagte whistleblower Birkenfeld vor Gericht in den USA , und meinte damit diese Art von Schwarzgeldgeschäften.
Es ist kein Zufall, dass die Schweiz eine der wichtigsten Drehscheiben des internationalen Kunst-, Antiquitäten- und hochwertigen Schmuck- und Edelsteinhandels ist. Der Handel mit diesen Wertgegenständen, auch mit sehr teuren Uhren, hinterlässt kaum Spuren.
Die erwähnten 1000-Franken-Banknoten, im täglichen Zahlungsverkehr überflüssig, könnten sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Das wird nicht geschehen. Warum wohl nicht?
Unser Welt-Finanzsystem ist eine Mördergrube. Die Mehrheit glaubt an diesen Raubtierkapitalismus als wären sie Hirngewaschen oder naiv. Wie David Wilkinson mit seinen Sozialstudien aufzeigt, lebt weniger lang wer weniger Einkommen beziehen kann. Am deutlichsten zeigt sich dies bei den 40’000 Kinder die jeden Tag verhungern. Wer mehr Geld als Einkommen bezieht als der Welt-Durchschnittsnettolohn, welcher sich zwischen 13’000 bis 15’000 Euro bewegt, ist mitverantwortlich dass andere weniger bis gar nichts haben. Denn alle Löhne der Welt addiert und geteilt durch alle Lohnbezüger ergibt in etwa diesen Betrag. Wer durch sein Verhalten das Leben eines anderen Menschen verkürzt, wird normalerweise vor den Richter gestellt, wenn er dies mit einem Messer macht. Tut er es jedoch mit Kapital, bekommt er noch Ansehen, Lob und Ehre aus den Kreisen und Nationen, welche hoffen auch mal so Kapitalmächtig sein zu können. Und am Sonntag gehen sie, nichts verstehend in die Kirche, preisen Jesus an, gehen aber nicht den von ihm empfohlenen Weg der Gerechtigkeit. Dies gilt für die meisten Religionen welche sich hochstehender ethischer Werte rühmen. Unser System des unregulierten Kapitalismus ist dasselbe, als würde man Kindern Rasierklingen zum spielen geben. Eine Gefahr für die ganze Welt. Die Demokratie braucht einen streng regulierten Kapitalismus. Eine von den Reichen erpressbare Demokratie ist keine solche mehr.