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Gerberei in Bangladesch: Die Luft ist ätzend von giftigen Chemikalien (BILDSTRECKE) © ZDF

Auf der blutigen, hässlichen Spur von Lederwaren

upg /  Wer Schuhe kauft, denkt nicht an Massenvergiftungen, Kinderarbeit, grausame Tierquälerei und Umweltkatastrophen. Er sollte aber.

Es geht um das Leder für unsere billigen Schuhe, Taschen, Gürtel, Portemonnaies oder Möbel. Im besten Fall steht darauf «made in Italy», «made in Spain» oder «made in China». Das heisst aber nur, dass die Produkte dort hergestellt wurden. Das Leder dazu stammt jedoch meistens aus Bangladesch oder aus Indien. Das wird nirgends deklariert. Wohlweislich. Denn dort werden Arbeiter, auch Kinder, gleich massenweise vergiftet, Tiere werden systematisch gequält und Tonnen von giftigsten Chemikalien in Flüsse und auf Landschaften verteilt.
Und wir schweigen.
Wer die Fakten bezweifelt oder sich bisher dessen nicht bewusst war, kann sich den Dokumentarfilm «Gift auf unserer Haut» zu Gemüte führen, den das ZDF am Dienstag ausgestrahlt hat (Sendung «37 Grad»).
Muslime quälen Heilige Kühe aus Indien
Mit einer schändlichen Tierquälerei fängt es an. Jedes Jahr werden rund eine Million Heilige Kühe aus Indien bis zu zweitausend Kilometer weit nach Bangladesch «geschmuggelt» und dort krank, verletzt und ausgehungert auf quälerische Art getötet.
Dann kommen beim Behandeln der Häute und beim Gerben hochgiftige, bei uns verbotene Chemikalien zum Einsatz, denen Kinder und Erwachsene schutzlos ausgesetzt sind. Die Betroffenen stehen vor der Wahl zu verhungern oder sich zu vergiften.
Regierung, Lederhändler und westliche Einkäufer und Konzerne schliessen vor diesen systematischen Verletzungen von grundlegenden Menschenrechten die Augen. Es ist ein grosses Verdienst des ZDF, diese eindrückliche Reportage vor Ort realisiert zu haben.
Das grosse Schweigen

  • Die Lederverkäufer (ver-)schweigen.
  • Die Regierungen schweigen. Die EU warnt lediglich ab und zu vor bestimmten Lederprodukten, weil sie noch zu viele Gifte in gesundheitsschädlicher Konzentration enthalten. Die meisten Konsumenten haben von diesen Warnungen allerdings noch nie etwas gehört.
  • Die meisten Medien schweigen. Der Dokumentarfilm des ZDF ist eine Ausnahme. Ob das Schweizer Fernsehen SRF diesen Dokumentarfilm ebenfalls ausstrahlt, ist nicht sicher.
  • Die Kirchen und die meisten Pfarrer auf den Kanzeln schweigen.

Vorschnelle Entschuldigungen
In den Industriestaaten, wo die meisten Lederprodukte gewinnbringend abgesetzt werden, macht man es sich zu einfach:

  • Die Regierung in Bangladesch ist schuld.
  • Eine Deklarationspflicht über die Herkunft des Leders kann man den privaten Handelsunternehmen nicht zumuten. Die Handels- und Gewerbefreiheit gehen vor. Überhaupt wollen wir doch «weniger Staat».
  • Eine heuchlerische Sorge um Arbeitsplätze in Bangladesch: Würden die Abnehmer des Leders auf Menschenwürde und minimalen Tierschutz- und Umweltschutzstandards beharren, dann gingen in Bangladesch Arbeitsplätze verloren (das sagte man schon bei der Textilproduktion).

Ein eigenes Urteil bilden
Infosperber-Leserinnen und -Leser können sich ein eigenes Urteil bilden und den Dokumentarfilm in ganzer Länge kritisch verfolgen:
«Gift auf unserer Haut», ZDF 8.10.2013, «37 Grad»
ZDF: Wer denkt an Kinderarbeit, Tierquälerei oder Gift, das krank machen kann, wenn er neue Schuhe kauft? 37 Grad forscht nach: Wo kommen Leder und Pelz her und wie wurden sie behandelt?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Eine Meinung zu

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 9.10.2013 um 12:54 Uhr
    Permalink

    Schon wieder ein Unrecht auf dieser Welt, zu dem wir schweigen, was wohl heissen soll, dass wir uns schuldig machen, erst recht, wenn es mit Indiens erbarmungswürdigen heiligen Kühen zusammenhängt. Dass davon nicht gleich noch von Kanzeln gepredigt wird, wie Herr Gasche es offenbar wünscht, berührt mich wohltuend. Gott bewahre uns vor solchen Kanzelrednern wie von einer neurotisierenden Schuldzuweisungpädagogik, wie sie tendenziell vom Lehrplan 21 thematisiert wird.

    "Der Gottesdienst wurde durch keine Predigt unterbrochen", schrieb einmal ein katholischer Autor in seinem Tagebuch. Vor 300 Jahren machte man Wallfahrten, wenn der Gletscher vorwärts machte, heute gibt es Gottesdienste gegen die Klimaerwärmung. Dabei scheint, wie der SPIEGEL bestätigt, der Mainstream in dieser Sache schon wieder eine Drehung zu machen, sodass das, was von der Kanzel als tagesaktuelle Moral heruntergequatscht wird, bald wieder mal angepasst werden muss.

    Analysen in der Art von Herrn Gasche bleiben aber grundsätzlich verdienstvoll, so wie es gut ist, wenn «infosperber» beispielsweise Madagaskar thematisiert. Dabei ist es mir aber wohler, wenn die Pfarrer auf den Kanzeln über Dinge schweigen, die sie nicht selber recherchiert haben und allenfalls von einer Fernsehsendung der Vorwoche kennen. Die positive Ausnahme war und ist Al Imfeld, der nach flammenden Drittwelt-Predigt in meiner Heimatpfarrei Würenlingen sogar bereit war, auf Diskussionen einzutreten. Dabei sind selbst Imfelds Beiträge angemessener, wenn sie im Medium «infosperber» daherkommen als wenn sie auf der Kanzel als das «Wort Gottes» verkündigt werden.

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