Seidenstrasse China

Das weitverzweigte Netz von Chinas Seidenstrasse. USA und EU möchten aufholen © ARTE

Geopolitisches Gerangel um kritische Rohstoffe

Patrik Berlinger /  Im Wettlauf um Rohstoffe im globalen Süden ist China weit voraus. Im südlichen Afrika wollen die USA und die EU aufholen.

(Red.) Der Autor dieses Gastbeitrags ist verantwortlich für die politische Kommunikation bei Helvetas, einer Organisation der Entwicklungszusammenarbeit. Infosperber publiziert seinen in der Mai-Ausgabe des entwicklungspolitischen Newsletters von Helvetas erschienenen Artikel.

Seit zehn Jahren treibt China sein weltumspannendes Investitionsprogramm «Belt-and-Road-Initiative» voran. Inzwischen hat das Riesenreich geschätzte 900 Milliarden US-Dollar vornehmlich in Form günstiger Kredite in das geostrategische Vorhaben investiert – in Strassen und Brücken, Flug- und Tiefseehäfen, in Technologieförderung und digitale Infrastruktur. Eine Studie zeigt, wie zahlreiche Entwicklungsländer ihre Kredite nicht zurückzahlen können. Den hochverschuldeten Regierungen bietet China dann Rettungspakete an, worauf sie sich noch stärker in die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit Pekings begeben. Europas Antwort auf Chinas «neue Seidenstrasse» heisst «Global Gateway», jene der G7-Länder unter US-Leadership «Build Back Better World». Beide Unterstützungsprogramme versprechen mehr Nachhaltigkeit und einen besseren Einbezug der lokalen Bevölkerung. 

90 Prozent der gehandelten Güter werden über die Weltmeere transportiert. Wichtiger Bestandteil von Pekings Megaprojekt ist daher die «maritime Seidenstrasse». Selbstverständlich geht es China dabei auch um den Zugang zu wichtigen Rohstoffen für die eigene Entwicklung. Bislang hat China rund um den Globus über hundert Häfen gebaut, sie erweitert oder sonst in sie investiert. An 13 Hafenprojekten weltweit halten chinesische Unternehmen die Mehrheitsbeteiligung. 

Sonderwirtschaftszone in Myanmar 

In Myanmar beispielsweise unterzeichneten deren Zentralregierung und die staatseigene chinesische Investmentfirma Citic im Dezember 2023 ein Abkommen, um die 2011 ins Leben gerufene Sonderwirtschaftszone Kyauk Phyu und einen Tiefseehafen im Bundesstaat Rakhaing fertigzustellen. Das Vorhaben wurde laut chinesischem Aussenministerium wegen einer Umweltverträglichkeitsstudie durch ein internationales Beratungsbüro verzögert. Hinzu kommt der eskalierende Bürgerkrieg, wobei die Junta die Kontrolle im Rakhaing-Staat verloren hat. Das zu 70 Prozent von China finanzierte Infrastrukturprojekt könnte – wird es realisiert – zu einem Handelsknoten werden, der Verbindungen zu Afrika und Europa herstellt. 

Die Regierung in Naypyidaw hofft darauf, dass das Hafen- und Industrieparkprojekt Millionen von US-Dollar an Investitionen nach Myanmar lockt, dem Staat hohe Steuereinnahmen beschert und die umliegenden vor- und nachgelagerten Industrien fördert, wodurch gemäss der Militärregierung das ganze Land profitieren würde. China wiederum geht es um den direkten Zugang zum Andamanischen Meer und zu den vielen Rohstoffen im Land. In dieser Weltregion hat Peking bereits eine wichtige Rolle bei der Konstruktion von Häfen in Gwadar in Pakistan, Hambantota in Sri Lanka und in Chittagong in Bangladesch gespielt.  

Tiefseehafen in Peru 

Anderes Land, anderer Kontinent: Im einst verschlafenen Fischerdorf Chancay entsteht ein chinesisches Infrastruktur-Megaprojekt, mit dem eine direkte Verbindung von Peru nach China geschaffen wird. Mit 20 Metern Tiefe wird der Hafen für die ganz grossen Schiffe gebaggert. Dass die sozialen und ökologischen Folgen des Projekts für das Dorf und sein Umland gravierend sind, wird hingenommen. Der Hafen dürfte zum wichtigsten Umschlagplatz für Container an der südamerikanischen Pazifikküste werden. Schon bald werden hier Bergbauprodukte und Landwirtschaftsgüter aus Peru, Chile, Ecuador und Kolumbien nach China verschifft. Und chinesische Industrieprodukte sollen für den südamerikanischen Markt gelöscht werden. 

Auch hier will sich Peking mit dem Grossprojekt den Nachschub an Rohstoffen sichern. Peru ist der zweitgrösste Kupferproduzent der Welt, der Nachbar Chile sogar der grösste. Ausserdem befinden sich in den Salzseen der benachbarten Grenzregion von Chile, Bolivien und Argentinien die weltgrössten Lithiumreserven. Das staatliche Unternehmen Cosco, eine der grössten Reedereien der Welt, strebt an, den Hafen von Chancay 2024 in Betrieb zu nehmen – gleichzeitig mit dem Gipfeltreffen der Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC), das dieses Jahr in Peru stattfindet. Nebst Cosco ist auch der schweizerische Rohstoffkonzern Glencore am Hafenprojekt beteiligt, wobei die Besitzverhältnisse vor Ort unübersichtlich sind. 

Mehrheitsbeteiligungen an afrikanischer Infrastruktur 

In Afrika hält China Mehrheitsbeteiligungen an den Häfen in Lome (Togo) und Lekki (Nigeria). Zur Förderung des Handels und für einen besseren Zugang zu kritischen Rohstoffen besitzt Peking zudem im kamerunischen Kribi mehr als 50 Prozent der Hafenanteile, wobei die massiven Investitionen in die Hafeninfrastruktur zu gewaltigen Umweltschäden führen. Auch in Angola hat China in einen riesigen Tiefseehafen investiert

Die Idee der angolanischen Regierung und der Investoren ist es, die marode Eisenbahn des sogenannten Lobito-Korridors wiederzubeleben. Belgien und Portugal hatten die Strecke, die sich durch den Kongo und Angola schlängelte, zwischen 1902 und 1929 gebaut. Während des Bürgerkriegs nach der Unabhängigkeit Angolas 1975 brach der Transportweg zusammen. Er wurde seitdem kaum noch beachtet. Dies änderte sich 2004, als chinesische Unternehmen mindestens 2 Milliarden US-Dollar in die Erneuerung des Korridors investierten. 

Die EU und die USA bauen ihre Präsenz aus 

Seit über einem Jahrzehnt ist Peking bemüht, die Beziehungen zu afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Ländern zu vertiefen und mit ihnen Infrastrukturverträge abzuschliessen. Dies verschaffte China einen grossen Vorsprung im weltweiten Wettlauf um kritische Ressourcen. Es dominiert die weltweite Raffination und Verarbeitung dieser Materialien. Doch die USA und die EU sind bestrebt, ihren Einfluss auf den afrikanischen Mineralienmarkt auszuweiten.

2022 erhielt ein von den USA unterstütztes Konsortium den Zuschlag für den Bau einer neuen Bahnstrecke von der angolanischen Küste bis nach Sambia. Mit zunächst 1,6 Milliarden US-Dollar werden 1500 Waggons, 35 Lokomotiven und die Modernisierung bestehender Bahnstrecken und Hafenterminals finanziert. Weitere 2,3 Milliarden US-Dollar hat die Biden-Administration für die Eisenbahn und die begleitenden Bergbau- und Raffinerieprojekte zugesagt.

Der Kongo und Sambia sind die grössten afrikanischen Kupferproduzenten. Kupfer ist entscheidend für den Bau von Elektrobatterien, Windturbinen und Ladestationen für Elektroautos. Angola ist ebenfalls reich an Ressourcen und verfügt über Reserven von 32 der 51 Mineralien, die für grüne Technologien wichtig sind.   

Die Erneuerung des Lobito-Korridors ist ein gigantisches Unterfangen der EU und der USA, um China Paroli zu bieten. Der Zeitpunkt ist günstig: Im südlichen Afrika sind Chinas Investitionen rückläufig. Die europäischen Unternehmen Mota-Engil, Vecturis und die schweizerische Trafigura haben von den drei afrikanischen Regierungen eine 30-jährige Konzession erhalten und mit dem Ausbau von 500 Kilometern Schienennetz und Verbesserungen am Hafen von Lobito begonnen. Dazu liess Trafigura verlauten, dass künftig auch chinesische Minenbetreiber die Eisenbahnverbindung nutzen könnten, um über Lobito zu exportieren. 

Längst hat im Globalen Süden das geopolitische Gerangel um kritische Rohstoffe begonnen. Angesichts wirtschaftlicher und strategischer Interessen ist zu befürchten, dass dabei die ärmsten Menschen vor Ort einmal mehr auf der Strecke bleiben, statt vermehrt in den Fokus einer nachhaltigen und gerechten Transformation zu rücken. 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor dieses Gastbeitrags ist Verantwortlicher Politische Kommunikation bei Helvetas, einer Organisation der Entwicklungszusammenarbeit.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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2 Meinungen

  • am 3.06.2024 um 17:18 Uhr
    Permalink

    Warum braucht es China bis die ehemaligen Kolonialherren von Europa merken, dass Ausbeutung nicht zu Fortschritt führt? Was China macht hätten die Europäer schon vor Jahren machen können. Aber Profit ist halt immer noch besser als echte Entwicklungshilfe.

    • am 4.06.2024 um 08:59 Uhr
      Permalink

      @Walter
      Die Chinesen haben das Anglo-Amerikanische Motto «Might makes Right» auf den Kopf gestellt und gewinnen mit «Right makes Might» die Welt.
      Es ist kein Wunder, dass die Chinesen die bellikosen Westler für Barbaren halten.

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