Geht’s eigentlich um Puma? Oder doch um Yakin?
Geht es eigentlich um Puma? Um VW? Um die Swisscom? Die Swiss? Die UBS? Oder die Zürich-Versicherung? Sollte es nicht eher um Trainer Murat Yakin gehen? Und um die Fussball-Nationalmannschaft?
Diese Fragen stellt man sich, wenn man sich die Interviews im Fernsehen SRF anschaut. Trainer und Spieler postieren sich, wenn sie Red und Antwort stehen, auf dem Rasen oder in den Tribünengängen vor eigens aufgestellten Wänden mit Dutzenden von Logos der sechs Sponsoren.
Eigentlich nicht erlaubt
Diese sechs Firmen sponsern nicht nur die Fussball-Nationalmannschaft, sondern auch die Übertragung der Länderspiele auf SRF, RTS und RSI. Das rufen Einblendungen den Zuschauern vor und nach den Übertragungen sowie vor und nach jeder Werbeunterbrechung in Erinnerung. Dass die Geldgeber genannt werden, ist gesetzlich vorgeschrieben.
Gesetzlich nicht vorgeschrieben ist allerdings, dass SRF die Spieler und die Trainer vor den Sponsorenwänden interviewt. Und auch nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, dass sich Moderator und Experte neben einer Werbesäule unterhalten, auf die der Kameramann immer wieder schwenkt.
Eigentlich ist es auch nicht erlaubt. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) definiert Sponsoring nämlich so: «Vom Sponsor zur Verfügung gestellte Waren und Dienstleistungen» sind «in der Sendung nicht sicht- oder hörbar.»
Das Bakom hält auch fest: «Nicht immer wird dem Trennungsgrundsatz zwischen Werbung und Programm die nötige Beachtung geschenkt. Es kommt vor, dass Gegenstände und Requisiten in einer Sendung platziert werden, um eine Werbewirkung zu erzielen.»
Warum unternimmt das Bakom nichts?
Die Formulierungen klingen, als wären sie auf die Firmen-Logos auf den Sponsorenwänden bei Fussballspielen gemünzt. Doch warum unternimmt das Bakom nichts gegen diesen Unfug?
Die einfache Antwort: Weil es schwierig ist.
Die kompliziertere: Das Bakom hat zwar festgestellt, dass Werbeauftritte bei Liveübertragungen und Interviews «oft so inszeniert werden, dass sie für die Veranstalter von Fernsehprogrammen nicht vermieden werden können.» Dabei erwähnt das Bakom «Bandenwerbung im Stadion, Markenlogos von Sponsoren auf Kleidern oder Ausrüstung von Sportlern, aber auch die Sponsorenwände mit Sponsorenlogos, vor denen die Sportlerinnen und Sportler Interviews geben.»
Inszenierte «Realität»
Das Fernsehen könne dagegen nichts tun. Und weiter: «Daher ist in solchen Konstellationen in der Regel nicht von Schleichwerbung auszugehen, welche den Fernsehveranstaltern anzulasten ist.» Denn es werde bloss die Realität wiedergegeben.
Hier machen die Verantwortlichen aber einen Denkfehler. Bei Bandenwerbung kann vielleicht davon gesprochen werden, dass das Fernsehen die Realität abbilde. Aber bei den Sponsorenwänden nicht. Denn in keinem Stadion der Welt steht normalerweise auf dem Rasen eine Sponsorenwand. Sie wird nur hingestellt, damit das Fernsehen die Logos der Sponsoren verbreitet. Es ist nicht die Realität, sondern eine inszenierte «Realität».
Nach Infosperber-Fragen: Bakom verlangt Stellungnahme
Möglicherweise sieht man das beim Bakom inzwischen auch so. Infosperber stellte dem Bakom im Oktober einige Fragen zum Thema. Das Bakom verlangte von der SRG umgehend eine Stellungnahme und versprach auf Mitte November Antworten auf die Infosperber-Fragen. Doch Mitte November vertröstete das Bakom auf später. Wie lange sich die Sache hinziehen wird, ist offen. Letzten Freitag waren beim Nations-League-Fussball-Spiel zwischen der Schweiz und Serbien die Sponsorenwände und die Werbesäule aufgestellt wie eh und je. Und auch heute Abend wird es beim Spiel zwischen Spanien und der Schweiz so sein.
Trinkflasche wirkt «störend»
Mittlerweile sind die Zuschauer und Zuschauerinnen solche Inszenierungen gewohnt. Auch wenn der Walliser Slalomfahrer Ramon Zenhäusern zum Interview erscheint, haben die Zuschauer nicht den Eindruck, dass das Skifahren in Vordergrund steht. Penetrant hält er eine Trinkflasche neben die Skispitzen – mit seiner unnatürlichen Haltung tut er einem fast leid. Ein Zuschauer betrachtete das als Fall von Schleichwerbung. Und Schleichwerbung ist verboten. Deshalb gelangte er an die Ombudsstelle der SRG.
Die Ombudsstelle fand zwar, die Trinkflasche möge «störend wirken», unterscheide sich aber nicht «von ‹Kopfsponsoren› auf Mütze, Helm und Stirnband». Sie konnte deshalb «keinen Verstoss gegen geltendes Recht feststellen». SRF hatte argumentiert: «Skifahrerinnen und Skifahrer werden so abgebildet, wie sie vor die Kamera treten.» Sie seien es, die «allein über die Präsenz und Position entscheiden».
Allerdings könnte SRF durchaus Einfluss nehmen. Zum Beispiel mit einem engeren Bildschnitt. Fast lobt man sich das Schweizer Fernsehen der siebziger Jahre. Damals nahm es durchaus Einfluss – wenn auch nur für kurze Zeit.
Der «Fussballleibchen-Krieg»
1976 liefen die Spieler des FC Zürich als erste Schweizer Fussballer mit Leibchenwerbung auf – für den Foto- und Filmmaterial-Hersteller Agfa. Die SRG war nicht gewillt, die Spiele des FC Zürich zu übertragen. Ebenso wie die Spiele des FC Basel, der Young Boys und von Lausanne-Sports. Sie liefen kurz nach dem FC Zürich ebenfalls mit Leibchenwerbung auf. Nur die noblen Grasshoppers spielten bis 1985 ohne Leibchenwerbung, wie der Sporthistoriker Michael Jucker auf seinem Blog schreibt.
Der «Fussballleibchen-Krieg», wie ihn der damalige Sportchef des Schweizer Fernsehens, Martin Furgler, nannte, dauerte allerdings nur ein halbes Jahr. Denn die Haltung des Schweizer Fernsehens war inkonsequent. Es nahm Schleichwerbung auf den Startnummern bei Skirennen und auf den Rennwagen der Formel 1 hin. Handkehrum zwang es Waffenläufer dazu, die Werbung auf Startnummern wegzufalten.
«Eskalation der Schleichwerbung»
Der damalige Direktor der Programmdienste der SRG, Eduard Haas, stellte in der sehenswerten Sendung «Fernsehstrasse 1 – 4» schon 1976 fest: «Wir wohnen einer Eskalation der Schleichwerbung bei.»
Diese «Eskalation der Schleichwerbung» machte er nicht nur an der Leibchenwerbung fest, sondern auch an der Reiterwerbung. Das sind zusätzliche Werbetafeln, die vor die fest installierten Banden gestellt werden. Der Fussballklub Lausanne-Sports stellte solche Reiterwerbung in den siebziger Jahren immer dann auf, wenn das Fernsehen die Übertragung eines Lausanne-Matchs ankündigte.
Verzicht auf Interviews
Der Widerstand der SRG gegen die Leibchenwerbung dauerte wie gesagt nur kurz. Aber SRF könnte sich die Fernsehmacher von damals zum Vorbild nehmen. Sie könnten den Bildausschnitt anders wählen, wenn Sportveranstalter versuchen, Schleichwerbung zu platzieren. Sie könnten darauf bestehen, dass Sponsorenwände entfernt werden. Und wenn nicht, könnten sie auf Interviews verzichten. Meist sind die Interviews ohnehin wenig aufschlussreich.
Aber die Zeiten sind andere. Die «Eskalation der Schleichwerbung» ist weiter vorangeschritten. Inzwischen ist sie geduldet. Nur selten beanstanden die Ombudsstelle oder das Bakom eine Fernsehsendung. Das war zum Beispiel vor vier Jahren der Fall. Da trieben es der Tennisspieler Roger Federer und die Triathletin Karin Thürig beziehungsweise die Schuhfirma «On» sogar für das Bakom allzu bunt.
«Villiger»-Logo am Mikrofon
Und dann gab es auch noch den Fall am Schwarzsee-Schwinget von 2023. Der SRF-Reporter führte das Siegerinterview nicht nur für das Fernsehen, sondern gleichzeitig auch für die Festveranstalter. Es wurde live in der Arena übertragen. In der Hand hielt der Reporter neben einem SRF-Mikrofon auch noch ein Mikrofon des Veranstalters. Dieses war mit einem Windschutz versehen – darauf das Logo des Tabakwaren-Herstellers «Villiger». Zu sehen war das Logo während zweieinhalb Minuten.
Die SRG führte an, das Logo sei nur kurz zu sehen gewesen. Es habe das Bild nicht ausgefüllt. Und es sei kaum erkennbar gewesen.
10’000 Franken Busse
Das Bakom hätte die SRG wohl ungeschoren davonkommen lassen, wenn es sich nicht um das «Villiger»-Logo gehandelt hätte. Das Bundesamt schreibt: «Um das Tabakverbot in Radio und Fernsehen durchzusetzen, muss der Sorgfaltsmassstab zur Verhinderung von Schleichwerbung in diesem Bereich höher angesetzt werden als bei Produkten, die keinem Werbeverbot unterstehen.» Und weiter: «Der SRF-Moderator hätte den Windschutz am Mikrofon entfernen können.»
Die SRG kassierte eine Busse von 10’000 Franken – auch deshalb, weil es sich nach dem Fall Federer/Thürig um einen Wiederholungsfall handelte. Zudem musste die SRG sämtliche Aufnahmen mit «Villiger»-Logo am Schwarzsee-Schwinget im Internet löschen. Deshalb sind davon keine Bilder mehr zu finden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Der FC Zürich war in der Tat die erste Mannschaft mit Tenüwerbung, sogar mit einem international bekannten Produkt. Als durchsickerte, dass das Schweizer Fernsehen diese Spiele nicht übertragen wolle, reagierte der «Blick», fragte, ob Agfa bereit sei, auch ohne «Agfa» auf der Brust anzutreten. Dies wurde bejaht und gross in der Zeitung abgehandelt. Agfa und der FC Zürich erhielten viel Goodwill. Der Zorn der Fans richtete sich gegen das Schweizer Fernsehen. Dieses gab rasch nach und übertrug die Spiele!
Nicht thematisiert wird in diesem interessanten Beitrag die Tatsache, dass die SRG «offizieller Medienpartner» der Schweizer Fussballnationalmannschaft ist und damit auch auf den Sponsoren-Wänden erscheint. Somit sind es nicht nur sechs – wie fälschlicherweise im Artikel behauptet -, sondern sieben offizielle Partner der Nati und die SRG ist Teil dieser «inszenierten Realität». Zu fragen wäre, wieweit eine solche Partnerschaft zu vereinbaren ist mit dem Gebot der Neutralität und Sachgerechtigkeit in der Berichterstattung. Sind diese Gebote nicht bereits dadurch verletzt, dass man mit einer Medienpartnerschaft eine besondere Nähe zu einem Gegenstand der Berichterstattung dokumentiert? Erhellend wäre es, wenn man – gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip – die Vereinbarung zwuschen dem Schweizer Fussballverband und der SRG der Öffentlichkeit zugänglich machen könnte.
Sie haben recht. Auf den Sponsorenwänden erscheint auch noch das Logo der SRG. Angesichts der Medienpartnerschaft ist die Sachgerechtigkeit in der Berichterstattung tatsächlich gefährdet. Die SRF ist jedoch nicht verpflichtet, die Vereinbarung herauszugeben, da sie nicht dem Öffentlichkeitsprinzip untersteht.