Zucker Geld

Eine paradoxe Politik: Die Schweiz fördert Zucker mit viel Geld - und zahlt dann für die schädlichen Folgen dieser Zuckerförderung noch mehr Geld. © Depositphotos

Für die absurde Zucker-Politik bezahlen wir zweimal

Esther Diener-Morscher /  Eine Zuckersteuer würde uns Geld und Medikamente sparen. Stattdessen subventioniert die Schweiz den Zuckerbau mit Millionen.

Alle wissen, dass zu viel Zucker in Lebensmitteln ungesund ist. Und dass uns die Folgekrankheiten viel Geld kosten. Trotzdem subventioniert die Schweizer Bevölkerung mit ihren Steuern den heimischen Zuckeranbau mit 35 Millionen Franken im Jahr. 2100 Franken erhält ein Rübenpflanzer jährlich pro Hektar – ein Rekordbeitrag. Für Raps, Kartoffeln und Mais gibt es nur 700 Franken.

Mit diesem Geld werden auch die beiden Zuckerfabriken in Aarberg und Frauenfeld am Laufen gehalten. Diese produzieren jährlich 220’000 Tonnen Zucker und verkaufen den grössten Teil davon an die Hersteller von Getränken, Schokolade, Biskuits und Konfitüre.

Es gäbe eine einfache Lösung, diesen absurden Kreislauf zu durchbrechen: Eine Zuckersteuer. Über 80 Länder lenken den Zuckerkonsum bereits. In der Schweiz wehren sich Bauern, Industrie und bürgerliche Politiker vehement gegen jegliche Einschränkung. Scheinheilig argumentieren sie, dass die Bevölkerung genug Eigenverantwortung habe.

In erster Linie sei jede und jeder selbst verantwortlich, zudem müsse man auf Bildung setzen. Diese liege in der Verantwortung der Kantone, findet der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod (39). Gegenüber dem Blick sagte er: «Der Bund sollte sich nicht noch mehr einmischen, was auf unsere Teller kommt.»

Zuckersteuer scheiterte

Diese Haltung brachte vor sechs Jahren eine Standesinitiative zu Fall. Der Kanton Neuenburg schlug damals «ein Spezialgesetz zu zuckerhaltigen Produkten» vor. Das Gesetz hätte eine Steuer auf den zugesetzten Zucker vorgesehen. Die Einnahmen hätten zur Prävention von Krankheiten dienen sollen, welche die Folge von hohem Zucker- und Süssstoffkonsum sind. Doch sowohl der National- als auch der Ständerat lehnten die Initiative ab.

Diese schizophrene Zuckerpolitik wird mittlerweile auch von Gesundheitsorganisationen offen und scharf kritisiert. Die «Allianz Ernährung und Gesundheit» fordert in ihrem «Zuckermanifest» unter anderem ein Zuckerverbot für Babynahrung und ein Werbeverbot für stark zuckerhaltige Produkte, die für Kinder bestimmt sind. Die Allianz, der die Krebsliga, der Kinderärzte-Verband und die Herzstiftung angehören, möchte ausserdem eine Steuer auf Getränke mit zugesetztem Zucker und künstlichen Süssstoffen.

Sogar die Stiftung für Konsumentenschutz, die eigentlich gegen Steuern ist, welche Lebensmittel zusätzlich verteuern, ist nun umgeschwenkt: «Die freiwilligen Massnahmen wie die Zuckerreduktions-Strategie des Bundes oder die Beschränkung der Werbung greifen zu wenig und zu langsam», stellte die Stiftung fest und fordert nun: «Es müssen verbindliche Massnahmen eingeführt werden – zum Schutz der Gesundheit aller Konsumentinnen und Konsumenten und ganz besonders der Kinder und Jugendlichen.»

Freiwillig funktioniert es nicht

Doch der Bund will der Lebensmittelindustrie nach wie vor nichts verordnen. Derzeit hofft er vielmehr, dass die Getränkehersteller den Zucker in ihren Produkten bis Ende nächsten Jahres freiwillig um zehn Prozent reduzieren. Schon jetzt ist aber klar: Das klappt nicht. Rivella und Coca Cola bleiben so süss wie immer.

Die Hersteller tricksen und interpretieren das Ziel des Bundes recht eigenwillig: Sie bringen einfach neue zuckerarme Varianten auf den Markt und reduzieren auf diese Weise den Zuckergehalt des Gesamtsortiments – statt dass sie die süssesten Produkte weniger zuckern.

Mit diesem Inserat wirbt Coca-Cola für weniger Zucker. Doch Coca-Cola bleibt so süss wie immer.

Coca-Cola rühmt sich, dass «60 Prozent unserer in der Schweiz verkauften Produkte kalorienfrei, kalorienarm oder kalorienreduziert» seien. Das ist allerdings nicht weiter erstaunlich. Denn zu Coca-Cola gehört unter anderem auch das Mineralwasser «Valser».

Teure Medikamente

Mit seiner paradoxen Zuckerpolitik unterstützt der Bund nicht nur die Zuckerproduktion und schützt die Lebensmittelindustrie. Indirekt sorgt er auch für hohe Gewinne der Pharma-Unternehmen. Insulin-Hersteller profitieren schon lang vom zu hohen Zuckerkonsum. Mit neuen Abnehm-Medikamenten machen sie derzeit Rekordumsätze, die zulasten der Krankenkassen gehen und die Prämien steigen lassen.

Für die neue Diabetes-Spritze Ozempic zahlen die Krankenkassen derzeit pro Patienten rund 1500 Franken pro Jahr. Auch für die Abnehm-Spritze Wegovy haben die Hersteller bereits ein Gesuch für Kassenpflicht beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) gestellt. Ob es bewilligt wird, steht noch nicht fest. In Deutschland ist Wegovy gut doppelt so teuer wie Ozempic und kostet 3600 Franken pro Jahr.

Zuckerkonsum doppelt so hoch wie empfohlen

Im Durchschnitt nimmt eine Person in der Schweiz pro Tag gut 100 Gramm Zucker zu sich – pur oder zugesetzt. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, nicht mehr als 50 Gramm zu konsumieren. Im besten Fall nur 25 Gramm. Wir konsumieren also viermal so viel Zucker, wie gut wäre.

Zucker verbirgt sich in zahlreichen Lebensmitteln, sogar in solchen, die gesund wirken und von denen man es nicht vermuten würde. Zugesetzten Zucker gibt es etwa in Fertig-Müesli, Essiggurken, Salatdressings, Fertigsaucen, Wurst und Ketchup.

In den Zutatenlisten verbirgt sich Zucker oft hinter Bezeichnungen, die auf «-ose» enden, etwa Dextrose oder Glukose.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Dicke_Jugendliche_EdYourdon

Zu wenig Bewegung, zu viel Zucker

Übergewicht ist eine Zivilisationskrankheit. Heimtückisch ist versteckter Zucker in Fertig-Nahrungsmitteln.

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13 Meinungen

  • am 20.12.2023 um 14:17 Uhr
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    Die Zuckersubventionen reihen sich ja gut ein in die vom Staat bezahlten schädlichen «Hilfen», zB auch für die Flugbranche…
    Zucker war bis zur industriellen Revolution äusserst selten im Schweizer Nahrungsangebot und heute sind wir alle mehr oder weniger zuckersüchtig, meist ohne das bewusst wahrzunehmen. Auch die Mediziner sind diesbezüglich wenig hilfreich sie sind weiterhin mit der «Big Lie in Medecine» beschäftigt, so nenne ich ihre Obsession mit dem bösen Cholesterin.
    Für Interessierte kann ich die podcasts und das Buch von Robert Lustig («Metabolical») empfehlen, pensionierter Chef der Kinderendokrinologie UCSF, das ist weitgehend fürs breite Publikum geschrieben, den fachchinesischen Teil kann man auch überspringen.
    Er schätzt im Übrigen, dass sich die Kosten des amerikanischen «Gesundheitssystems» in etwa halbieren täten, wenn wir alle den Zuckerkonsum massiv reduzieren könnten, die 25 g pro Tag sind vermutlich oberste Grenze.

  • am 20.12.2023 um 19:52 Uhr
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    Es wird nicht der Zuckeranbau Subventioniert sondern der Staat zahlt Gelder an die Bauern die, die Industrie nicht bezahlen will! Coca Cola und Redbull sagen in der Schweiz wie hoch der Preis für Zucker sein soll! Würden die Bauern nicht nur Restgeldempfänger sein müsste der Staat nicht Millionen in die Industrie pumpen. Die Direktzahlungen an die Bauern werden durch die Industrie diktiert! Siehe die Getreidezulage oder das Schoggigesetz!. Die Industrie sagt wieviel die Bauern erhalten damit sie nicht viel für Lebensmittel bezahlen müssen! Die Bauern fungieren leider nur als Durchlauferhitzer bei den Direktzahlungen! Die Direktzahlungen gehören abgeschafft und die Zahlungen müssen auf die SAK umgelegt werden! Wer viel arbeitet auf dem Bauernhof soll viel erhalten und die Industrie müsste damit auch die Produkte die sie will auch bezahlen! Dafür muss aber der Bund auch die Industrie in die Pflicht nehmen.

    • am 21.12.2023 um 10:52 Uhr
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      Es kommen Milliarden für die Agrarwirtschaft zusammen, bezahlt durch uns brave SteuerzahlerInnen und gedeckt durch Rechtsbürgerliche Mehrheit. .

      • am 24.12.2023 um 22:47 Uhr
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        Leider fliessen die Gelder des Staates nicht in die Landwirtschaft sondern in die Industrie! Der Staat müsste die Direktzahlungen unabhängig von Produkten machen! Denn wenn ein Produkt durch den Staat gefördert wird so ist dies Marktverzerrung! Warum werden 2100 Fr. pro ha. an die Bauern bezahlt für Zuckerrüben? Wohl kaum um die Bauern zu unterstützen! Sie werden bezahlt weil der Detailhandel wenig für den Zucker bezahlen will! Die Fabriken können dadurch keine anständigen Produzentenpreise bezahlen! Ergo bezahlt der Staat den Bauern den Ausfall den der Detailhandel nicht bezahlen will. Der Staat könnte ja die Zahlungen an die Fabriken machen das wäre ehrlicher. Der Staat muss den Detailhandel in die Pflicht nehmen und den Bauern ein zum überleben notwendiges Einkommen zugestehen in allen Bereichen. Wichtig ist auch, dass man die Zölle anhebt für importierte Agrargüter die man hier produzieren kann.

      • am 25.12.2023 um 10:22 Uhr
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        Sehr richtig. Wir Steuerzahlenden finanzieren indirekt die Privatwirtschaft.

      • am 25.12.2023 um 10:26 Uhr
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        Meine Berechnung aufgrund meiner bekannten Zahlen : Jeder Hof kostet uns jährlich um die 160’000.- .Die Avenir Suisse berechnete mit jährlichen 20 Milliarden Kosten für die Agrarwirtschaft. Das ein kommmunistische System.

  • am 21.12.2023 um 10:50 Uhr
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    Wie wäre es damit : Diese Gelder gehen nicht mehr in die Schweiz sondern an Zuckerrohrbauern in 3. Weltländer. Diese würde Arbeit und Einkommen erhalten. Ein echter Schritt Entwicklungshilfe.

    • am 24.12.2023 um 23:00 Uhr
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      Genau und dann Fliegen wir den ganzen Mist um die halbe Welt und nehmen den Menschen dort noch die Lebensgrundlage «Boden» weg um dann für uns ein wenig Luxus anzubauen! Ich sage ganz bestimmt nein dazu! Dies wäre nicht Entwicklungshilfe sondern Diebstahl. Lebensmittel sollten nur Lokal gehandelt werden um alle Menschen auf der Welt zu ernähren und um die Märkte nicht aus dem Lot zu bringen. Es gibt kein Land auf der Welt, dass es geschafft hat, dass die Landwirtschaft funktioniert! Einzig Neuseeland das keine Staatlichen Gelder an Bauern bezahlt und den Grenzschutz hochhält funktioniert ein wenig. Leider können Sich dort die einfachen Leute das Essen nicht mehr leisten.

      • am 25.12.2023 um 10:30 Uhr
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        Ihre Argumentation kann ich nachvollziehen. Heute hingegen beuten Multi’s die Bauern dort aus und gewinnen Milliarden. Deshalb sollen dies Staaten übernehmen und finanzieren.

  • am 23.12.2023 um 10:54 Uhr
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    Es wäre halt an der Zeit, uns die unbequeme Wahrheit eizugestehen: Zucker ist eine Droge! Darum wird alle «Freiwilligkeit» und «Selbstverantwortung» nichts nützen.

    Wer mir, – und einer Mehrheit der Ärzte -, nicht glaubt, mache folgendes Experiment: benützen Sie den Zucker bei Kindern oder Jugendlichen, oder für sich selbst, als Beispiel für den Umgang mit Drogen. Ich bin da selber sehr für Selbstverantwortung, wozu im Fall aller Drogen als allererstes die Selbstbeherrschung, also der bewusste Verzicht gehört. Nun fordern Sie also diese jungen Leute auf, ein paar Wochen oder sogar Monate bewusst auf Zucker zu verzichten, resp. versuchen Sie es selber. Sie werden staunen!

    Ein Tipp: wer mit dem Experiment scheitert, sollte das üben bis es klappt und unbedingt versuchen, (auch) auf alle andern psychotropen Substanzen zu verzichten, inkl., oder sogar besonders, die legalen wie Alkohol, Kaffee und Medikamente.

  • am 23.12.2023 um 12:45 Uhr
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    Ein weiteres Problem ist, dass der Bund als «Zucker» auch reine Fruchtsäfte definiert hat. So würde eine «Zuckersteuer» sogar auf einen naturbelassenen reinen Bio-Apfelsaft erhoben und nicht nur auf Getränken mit zugesetzen Industriezucker.

    • am 25.12.2023 um 09:32 Uhr
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      Genau das habe ich bis vor Kurzem auch gedacht! Es stimmt sogar: für da Essen eines Apfels, aber nicht für dessen Saft. Was ist der Unterschied?? Fibers! Die pflanzlichen Fasern verhindern die Instant-Resorption des Zucker, d..h. der Fructose, und das schützt die Leber vor Überforderung resp. Verfettung. Und da hängen dann noch weitere Stoffwechselprobleme dran, aber das würde hier zu weit führen.

  • am 25.12.2023 um 19:27 Uhr
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    da passt ja der letzte Beitrag über Lobbyismus im Bundeshaus wunderbar. Wie anders, als mit finanziellen Interessen, sind solch merkwürdige, bestimmt nicht dem Wohle des Volkes geschuldeten Entscheide des Parlaments erklärbar.

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