Faire Schoggi: Nestlé und «Fair Trade» fordern mehr Kontrolle
Es liest sich so, als hätten Nichtregierungsorganisationen eine von den global bekannten Schokoladenmarken Nestlé, Ferrero, Mars Wrigely, Mondelez und Hershey mitunterzeichnete Medienmitteilung redigiert. «Robuste und wirksame politische Massnahmen» müsse die EU-Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht im Bereich Nachhaltigkeit enthalten und den Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln, einschliesslich einer zivilrechtlichen Haftung ermöglichen. Es wird begrüsst, dass die EU-Kommission in ihrem Vorschlag für unternehmerische Sorgfaltsprüfung detailliert beschreibt, was bei der Umsetzung konkret gemacht werden soll.
Das Lob erstaunt, ganz besonders in der Schweiz, wo Unternehmen und Wirtschaftsverbände Sturm liefen gegen die Konzernverantwortungsinitiative, die das forderte, was nun bei Nestlé und anderen weltweit führenden Schokoladenfirmen positiven Widerhall findet. Sie haben sich mit den Zertifizierungsunternehmen Fair Trade und Rainforest Alliance und den Nicht-Regierungsorganisationen Solidaridad Network und Voice Network zur Kakao-Koalition zusammengetan – zu einem Bündnis von 13 Unternehmen und Organisationen, das für wirksame Sorgfaltsprüfungen bezüglich Menschenrechte und Umweltziele lobbyiert.
Weiterreichende Forderungen
«Robust und wirksam» bedeutet für die Koalition, dass sie mehr will, als die EU-Kommission im letzten Februar mit der Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit vorgeschlagen hat. Es genüge nicht, die Sorgfaltspflicht auf «etablierte Geschäftsbeziehungen» zu beschränken. Vielmehr müsse klargemacht werden, «dass Unternehmen verpflichtet sind, in ihrer gesamten Lieferkette eine Sorgfaltsprüfung durchzuführen». Die zu ergreifenden Massnahmen, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu ermitteln, gelte es klarer zu formulieren, ebenfalls die Frage, wie die Unternehmen Rechenschaft abzulegen haben.
Und damit ist die Wunschliste der Kakao-Koalition noch lange nicht erschöpft.
- Erstens gelte es, die Liste der Landbesitz- und Zugangsrechte, die für eine nachhaltige Landbewirtschaftung von entscheidender Bedeutung sind, zu vervollständigen.
- Zweitens müsse das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard einschliesslich eines existenzsichernden Einkommens als grundlegendes Menschenrecht eingeschlossen sein.
- Schliesslich soll die Richtlinie die Notwendigkeit des Einbezugs der betroffenen Interessengruppen oder ihrer legitimen Vertreter deutlicher anerkennen. Es sollten besondere Anstrengungen unternommen werden, um gefährdete Gruppen, einschliesslich Kleinbauern, indigene Völker und lokale Gemeinschafen einzubeziehen.
Zusätzlich Vereinbarungen mit Kakao-Ländern
Die Unternehmen seien sich bewusst, dass sie beträchtlichen Einfluss darauf hätten, ob die landwirtschaftlichen Haushalte ein existenzsicherndes Einkommen erzielen können. Doch ihr Handeln sei nicht allein entscheidend, führt die Kakao-Koalition in ihrem Report aus. Auch die Regierungen hätten entscheidenden Einfluss über Bildungseinrichtungen, Gesundheits- und soziale Dienste. Die Koalition hatte deshalb bereits im Juni 2021 die EU aufgefordert, ergänzend zur Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht Partnerschaftsabkommen mit den kakaoproduzierenden Ländern zu vereinbaren. Sie sollten eine Politik für eine nachhaltige Kakaoproduktion festschreiben, unterstützende, auch finanzielle Massnahmen vorsehen und ein Monitorsystem etablieren, um schnell auf negative Entwicklungen reagieren zu können. Die Forderung fand bereits Gehör. Die EU hat Ende Juni dieses Jahres mit den grössten afrikanischen Kakao-Ländern Côte d’Ivoire und Ghana eine «Allianz für nachhaltigen Kakao» geschlossen und finanzielle Unterstützung zugesagt. Die Allianz hat zum Ziel, die Entwaldung und die Kinderarbeit zu stoppen und die Lebensbedingungen der Bauern zu verbessern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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