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Amerikaner und Europäer haben Angst, dass chinesische Elektroautohersteller wie BYD ihre Märkte mit günstigen Angeboten aufrollen. © MamunSheikh/Depositphotos

Schlimmer als Trump: Joe Biden heizt den Handelskrieg an

Christof Leisinger /  Hohe Zölle auf chinesische Elektroautos, Batterien und Halbleiter sollen die US-Wirtschaft schützen. Zulasten der Konsumenten.

Freihandel – das war einmal. Erst hatte schon Donald Trump als Präsident beachtliche Zölle auf den Import verschiedener Güter und Dienstleistungen eingeführt, und nach seiner Abwahl setzte Joe Biden diese Politik nahtlos fort. Er hat die Handelshemmnisse nicht nur beibehalten, sondern auch enorme Subventionsprogramme etwa für die Halbleiterbranche oder die Förderung des Wandels hin zur Verwendung umweltfreundlicher Energien durchgeboxt.

Am Dienstag kam noch mehr. Tatsächlich hat er angekündigt, die Zölle auf verschiedene chinesische Exportprodukte drastisch zu erhöhen, weil der amerikanische Markt sonst von ihnen überschwemmt werde. Die neuen Abgaben von bis zu 100 Prozent sollen eine Branche besonders hart treffen: Die chinesischen Hersteller von Elektrofahrzeugen und deren Zulieferer. Der Plan ist, die hohen Tarife in den nächsten drei Jahren schrittweise einzuführen. Sie zielen darauf ab, «amerikanische Arbeitnehmer und Unternehmen vor Chinas unfairen Handelspraktiken» zu schützen, wie es in der Verlautbarung der Biden-Regierung heisst.

Kolportierte Angst vor einem zweiten «China-Schock»

Den Grund erläuterte Finanzministerin Janet Yellen: Biden werde keinen zweiten «China-Schock» wie in den frühen 2000er Jahren zulassen, als China die Welt nach dem Beitritt zur Welthandelsorganisation mit chinesischen Exporten geflutet und 2,4 Millionen Arbeitsplätze in den amerikanischen Firmen vernichtet habe, so der Vorwurf. Tatsächlich ist der Welthandel in gut 20 Jahren zwar deutlich gewachsen, aber die Handelsdefizite der Amerikaner und auch der Europäer haben überproportional zugenommen.

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Die USA erzielen im Handel mit China enorme Defizite (Monatszahlen). Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Schon immer bestand der latente Verdacht, China baue seine Produktionskapazitäten gezielt aus, verschaffe den eigenen Firmen Wettbewerbsvorteile und halte seine Währung schwach, um mit dieser merkantilistischen Strategie die Weltmärkte zu erobern. Und nach der Schaffung enormer industrieller Überkapazitäten, wie etwa bei der Stahlproduktion, und dem Platzen einer gigantischen Immobilienpreisblase setzte man in China auf ein «neues Wachstumsmodell». In diesem Rahmen flossen erst grosse Mengen staatlicher Gelder in die Entwicklung «grüner Sektoren», wie der Produktion von Windmühlen und Solarmodulen. Später in die Entwicklung moderner Batterien sowie in die Herstellung qualitativ und vor allem auch preislich sehr kompetitiver Elektrofahrzeuge.

Wen wird es überraschen, dass sich westliche Konkurrenten über den «unlauteren Wettbewerb» sorgen, nachdem sie erst die Entwicklung verschlafen haben und aufgrund ungünstiger Rahmenbedingungen meist sehr teure Produkte im Angebot haben. Und natürlich spielt auch der Wahlkampf eine Rolle. Schliesslich will Joe Biden im November wiedergewählt werden – und da er sich dabei unter anderem auf die Unterstützung der Gewerkschaft United Auto Workers verlässt, hat er den Schutz der amerikanischen Industrie zu einem Eckpfeiler seiner Kampagne gemacht.

Industriepolitik zugunsten der eigenen Klientel

Das gilt vor allem auch für die Automobilbranche, die sich einerseits von hohen Lohnforderungen und andererseits von der Aussicht auf eine Welle von Importen aus China unter Druck gesetzt fühlt. Einzelne Senatoren aus Gegenden, in welchen die Autoindustrie stark und der Ausgang der Wahl unsicher ist, fordern sogar «ein totales Verbot für den Import» chinesischer Elektroautos.

Im Grunde genommen handelt es sich um dieselben Regionen, die schon von Bidens Subventionsprogrammen wie dem Chips Act und dem Inflation Reduction Act profitieren sollten. Dabei gehe es nicht darum, Chinas Entwicklung zu «untergraben» oder die Bemühungen Washingtons und Pekings um eine Stabilisierung der Beziehungen zu beeinträchtigen, heisst es. Doch produziere China Elektroautos und andere Sachen in einem Tempo, das «weit über jede plausible Schätzung der weltweiten Nachfrage» hinausgehe, erklären gut vernetzte Beobachter der politischen Szene.

Und die Amerikaner sind mit der Sorge, die chinesischen Anbieter könnten die Weltmärkte überschwemmen, keineswegs allein. Längst hat auch die Europäische Union eine Untersuchung der angeblichen Subventionen eingeleitet, welche Peking den Herstellern von Elektroautos gewähre, um deren Preise niedrig zu halten. Das machen sie daran fest, dass chinesische Autohersteller wie zum Beispiel BYD ihre Fahrzeuge in einigen Märkten für gerade einmal 12 000 Dollar verkaufen, während vergleichbare Gefährte in Europa und in den USA oft das Drei- oder gar Vierfache kosten.

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Auch die Europäer (EU 27) erzielen im Handel mit China enorme Defizite (Monatszahlen). Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Selbst Tesla-Chef Elon Musk, sonst ein Libertärer, stimmt in den allgemeinen Klagechor mit ein. Er bezeichnete die chinesischen Autohersteller im Januar als die «wettbewerbsfähigsten» der Welt und erklärte gegenüber Investoren: «Ich denke, wenn keine Handelsschranken errichtet werden, können sie die meisten anderen Unternehmen der Branche weltweit ziemlich niedermachen.»

China dagegen bestreitet, mithilfe von Subventionen Überkapazitäten aufgebaut zu haben und behauptet einfach, nur komparative Vorteile zu haben – also cleverer, besser und eben auch günstiger als die Konkurrenten zu sein. Aber wenn dem so wäre, dann müsste den enormen Exporten Chinas auch Importe in anderen Bereichen mit ähnlichem Umfang gegenüberstehen. Wie der Blick auf die Daten zeigt, sind jedoch die Handelsbilanzüberschüsse mit den USA und mit Europa in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer grösser geworden. Also ist dem nicht so.

So mag China zwar Gegenmassnahmen gegen Bidens Massnahmen beschliessen und den Handelskonflikt seinerseits verschärfen – aber das Land hat im Grunde genommen mehr zu verlieren, als es gewinnen kann. Die amerikanischen und europäischen Konsumenten dagegen drohen zu den Leidtragenden zu werden. Diese konnten in der Vergangenheit von sehr günstigen Importgütern aus dem Reich der Mitte profitieren und ihre Portemonnaies schonen. Aber das wird bei zunehmenden Handelsfriktionen künftig wohl nicht mehr im selben Ausmass der Fall sein.

Wettbewerb zweier inkompatibler Wirtschaftssysteme

Skeptiker fürchten, im langjährigen Wettbewerb zweier inkompatibler Wirtschaftssysteme – dem produktionsorientierten in China sowie den konsumorientierten in den USA und Europa – seien enorme Ungleichgewichte entstanden. Diese hätten nicht nur zu Handelskriegen und sozialer Unwucht, sondern auch zu politischer Unzufriedenheit, zum Aufkommen populistischer Parteien und zu einer Fragmentierung der globalen Lieferketten geführt. Der Internationale Währungsfonds stellt fest, dass sich der internationale Handel und die Investitionstätigkeiten zunehmend an geopolitischen Überlegungen orientieren.

Das mag auch für die Schweiz von Bedeutung sein. Immerhin hat das Handelsvolumen zwischen China und der Schweiz in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Das Reich der Mitte war im Jahr 2022 der fünftgrösste Handelspartner der Schweiz mit einem Anteil von gut sechs Prozent aller Warenexporte, wobei die Pharmaprodukte an Bedeutung gewonnen haben. Bereinigt man die Zahlen um den Handel mit Gold, so erwirtschaftet die Schweiz ein kleines Handelsdefizit.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 15.05.2024 um 10:05 Uhr
    Permalink

    Früher warens halt die Europäer und Amerikaner die den Rest der Welt mit ihren Billig- und Fertigprodukten überschwemmt und abhängig gemacht haben, heute ist es der Chinese. Den hat man gar mit dem Opiumkriegen gezwungen, das halbe Volk mit billigem britischen Opium aus Bengalen abhängig zu machen und dafür feines Silber kassiert. Das hat das chinesische Kaiserreich mehr zerrüttet als jeder Krieg. So kommt alles irgendwie zurück.

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