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Indische Baumwollpflückerin © depositphotos.com/de

Moderne Sklaverei: Baumwolle pflücken für einen Hungerlohn

Martin Born/Hannes Britschgi /  Billig-Mode beginnt oft mit Zwangs- und Kinderarbeit. Eine kürzlich publizierte Untersuchung zeigt dies am Beispiel Indiens.

Die moderne Sklaverei basiert auf einem einfachen Prinzip: Die Arbeiter verdienen so wenig (zwei Franken pro Tag), dass sie bald einmal gezwungen sind, bei ihrem Arbeitgeber einen Kredit aufzunehmen. Um den zurückzahlen zu können, müssen auch ihre Familien auf der Farm arbeiten, Kinder eingeschlossen. Bevor der Kredit zurückbezahlt ist, ist eine Kündigung unmöglich. Die spanische Tageszeitung «El Paìs» berichtet über eine zweijährige Untersuchung der Nichtregierungsorganisation (NGO) Transparentem, die sich zur Aufgabe gemacht hat, Missstände in globalen Lieferketten aufzudecken. Sie nennt als Beispiel einen 35-jährigen Arbeiter, der auf diese Weise seit seinem zehnten Lebensjahr auf einer 3,6 Hektaren grossen Farm seine Schulden abträgt. Einer Farm, die an die Lieferkette von Pratibha Syntex angeschlossen ist.

Pratibha Syntex ist der grösste Lieferant von Bio-Biobaumwolle in Indien. Seine Vision: «Weltmarktführer für nachhaltige Textilprodukte und -praktiken zu sein.» Auf enge Beziehungen zu Ausbeuter-Farmen verweist der Bericht auch bei der Remei Group mit Sitz in Rotkreuz («Spezialistin für eine nachhaltige Wertschöpfungskette von der Faser bis zum Fertigtextil»).

Infosperber wollte wissen, was die Remei AG auf die Kritik der NGO Transparentem zu sagen hat. Das Unternehmen beklagt, dass Transparentem bisher keine konkreten Vorwürfe vorgelegt habe, die belegen würden, mit welchen ausbeuterischen Farmen Remei geschäftet. Transparentem schreibt auf ihrer Webseite, dass sie aus Vertraulichkeitsgründen keine konkreten Infos offenlege. Es gehe darum, die Quellen vor Vergeltung zu schützen. Im Wissen, dass der Baumwollsektor von Madhya Pradesh als Hochrisikogebiet für fairen Anbau einzustufen ist, hat Remei seit Jahrzehnten eigene, direkte Handelsbeziehungen mit Kleinbauern vor Ort aufgezogen. «Mit unserem Geschäftsmodell wollen wir aktiv dazu beitragen, die Risiken für Kleinbauern und ihre Familien zu reduzieren.»

Kampf gegen den Missbrauch hat begonnen

Transparentem hat zahlreiche Firmen, die mit indischen Zwangsarbeiterfarmen in Verbindung gebracht werden, konfrontiert. Einige von ihnen, darunter H&M und Inditex (Besitzerin von «Zara») haben darauf reagiert und sind der Fair Labor Association (FLA) beigetreten. «Die FLA ist ein Zusammenschluss von Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen und verfolgt das Ziel, Arbeitsrecht und Arbeitsbedingungen weltweit zu verbessern» (Wikipedia).

Was die Zusammenarbeit mit der FLA bedeutet, erklärt das spanische Modeunternehmen gegenüber «El Paìs» so: «Wir arbeiten mit mehr als 20 Marken, sozialen Organisationen und lokalen Lieferanten zusammen, um einen gemeinsamen Sanierungsplan für Baumwollfelder in 32 Dörfern im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh zu erstellen. So wollen wir Schutzmassnahmen für die Arbeiter und ihre Familien zu fördern.»

Uigurische und kasachische Zwangsarbeit

Noch mehr Baumwolle als in Indien wird in China produziert. Geschätzte 84 Prozent der chinesischen Baumwolle (20 Prozent der Weltproduktion) wird in der Region Xinjiang im Nordwesten des Landes hergestellt. Es gibt Beweise, dass Uiguren und Kasachen im Rahmen von «Ausbildungsprogrammen» auf Baumwollfeldern Zwangsarbeit verrichten. In den USA gilt seit zwei Jahren ein Importverbot für bestimmte Produkte aus dieser Region. Laut «El Paìs» wurden seither 30 000 Produkte aus dieser Region beschlagnahmt.

Indien und China mögen führend sein bei der heutigen Sklaven- und Kinderarbeit, aber sie sind nicht allein. Laut Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation werden bei der Ernte in über 18 Ländern Kinder und Zwangsarbeiter eingesetzt, 71 Prozent der Kinderarbeit entfallen auf die Landwirtschaft. Europäische Union und UNO kämpfen seit 2019 mit der Initiative «Clear Cotton» gegen den Missstand. Ihre Erfolgsbilanz: Sie hätten in den letzten drei Jahren die Ausbeutung von zwei Millionen Minderjährigen in Usbekistan verhindert.

Sehr billig kann nicht fair sein

In einer Branche wie der Textilindustrie reiche dies allerdings nicht aus, hält «El Paìs» fest. Intransparenz sei ein fester Bestandteil des Systems und die Lieferketten seien durch endlose Zwischenhändler geprägt. Sie würden die «Realität verzerren, eine Realität, die manchmal ignoriert wird, um die Produktionskosten niedrig zu halten.» Deshalb müsse der Verbraucher handeln: «Er sollte auf den Preis achten; ein sehr billiges Kleidungsstück ist kein fair hergestelltes Kleidungsstück».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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«Fair Trade» und «Bio»

Viele zahlen für fairen Handel und für echte Bio-Produkte gerne mehr. Das öffnet Türen für Missbrauch.

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